Von der Rechtsprechung werden die von Gast- und Vergnügungsstätten ausgehenden Geräusche als besonders lästig bewertet, weil sie mit ihren unterschiedlichen Frequenzmustern und Schallpegeln sehr viel weniger gewöhnungsbedürftig sind als hinsichtlich Zeitstruktur, Frequenzzusammensetzung und Schallpegel gleichförmiger Geräusche. Diese Geräusche wirken eher monoton und damit weniger lästig.

Bei der Beurteilung der Frage, ob Lärmbelästigungen erheblich im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG (bei öffentlich-rechtlichen Nachbarklagen) oder wesentlich im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB (bei zivilrechtlichen Nachbarklagen) sind, orientieren sich die Gerichte an der TA Lärm als dem zur Lärmbeurteilung maßgeblichen technischen Regelwerk, das als sog. normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift bezeichnet wird.

Grundsätzlich kann von einer erheblichen bzw. wesentlichen und damit die Zumutbarkeitsschwelle überschreitenden Lärmbelästigung der Wohnnachbarschaft eines Gast- oder Vergnügungsstättenbetriebs ausgegangen werden, wenn der am betroffenen Wohnhaus gemessene Lärm folgende Lärmrichtwerte der TA Lärm übersteigt.

 

Lärmrichtwerte

Wo?
 

Lärmrichtwerte der TA Lärm

in dB(A)
in Industriegebieten tagsüber und nachts 70
in Gewerbegebieten

tagsüber

nachts

65

50
in Kerngebieten, Dorfgebieten und Mischgebieten

tagsüber

nachts

60

45
in allgemeinen Wohngebieten und Kleinsiedlungsgebieten

tagsüber

nachts

55

40
in reinen Wohngebieten

tagsüber

nachts

50

35
in Kurgebieten, für Krankenhäuser und Pflegeanstalten

tagsüber

nachts

45

35

Die Bewertung der Zumutbarkeit von Lärmeinwirkungen auf die Nachbarschaft orientiert sich bei diesen umgebungsbezogenen Lärmrichtwerten an der Schutzwürdigkeit des Einwirkungsorts und seiner bauplanungsrechtlichen Zuordnung dergestalt, dass Kurgebiete den höchsten Schutzstandard für sich in Anspruch nehmen können, wohingegen in Industriegebieten wegen der dort ohnehin bestehenden Lärmvorbelastung der niedrigste Schutzstandard gilt. Bei Fehlen eines Bebauungsplans ist die tatsächliche bauliche Nutzung ausschlaggebend.

Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die Lärmrichtwerte am Tag um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten.

Die Lärmrichtwerte für Wohnungen, die baulich an einen lärmintensiven Gast- oder Vergnügungsstättenbetrieb angrenzen, sind gebietsunabhängig. Sie betragen für die Tageszeit 35 dB(A) und für die Nacht 25 dB(A). Mit dieser Regelung soll der notwendige Schallschutz von Wohnungen bei der Geräuschübertragung innerhalb von Gebäuden sichergestellt werden. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die Lärmrichtwerte um nicht mehr als 10 dB(A) übersteigen.

Als Nachtzeit ist in der TA Lärm die Zeitspanne von 22 bis 6 Uhr festgelegt.

Bei sog. Gemengelagen, bei denen gewerblich genutzte und zum Wohnen dienende Grundstücke aneinander grenzen, ist nach Nr. 6.7 TA Lärm diesem Umstand dadurch Rechnung zu tragen, dass die für Wohngebiete geltenden Lärmrichtwerte auf einen geeigneten Zwischenwert der für die angrenzenden Gebietstypen jeweils geltenden Werte erhöht werden. Die in Nr. 6.7 TA Lärm zum Ausdruck kommende Bewertung entspricht dem von der Rechtsprechung entwickelten Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme, das aus der Situationsgebundenheit von Grundstücken abgeleitet wird, die im Grenzbereich von Baugebieten mit unterschiedlich hohem Schutzniveau liegen. Wenn also ein Gewerbegebiet mit einem Lärmrichtwert von tagsüber 65 dB(A) und ein allgemeines Wohngebiet mit einem Lärmrichtwert von tagsüber 55 dB(A) aneinander grenzen, bedeutet das für einen im Grenzbereich des allgemeinen Wohngebiets wohnenden Nachbar, dass er nicht einen Lärmrichtwert von tagsüber 55 dB(A) zu seinem Schutz einfordern kann, sondern nur einen solchen von 60 dB(A) als Mittelwert der für die angrenzenden Gebietstypen jeweils geltenden unterschiedlichen Lärmrichtwerte.[1]

Befristete Gaststättenerlaubnis

Wird eine Gaststättenerlaubnis aus besonderem Anlass wie dem einer dörflichen Kirchweih nach § 12 Abs. 1 GastG unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend erteilt, so gelten die erleichterten Voraussetzungen nach der Rechtsprechung auch für den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG. Die "erleichterten Voraussetzungen" bedeuten insoweit, dass bei der Bestimmung der Erheblichkeits- bzw. Zumutbarkeitsschwelle die Seltenheit des Anlasses und seine Besonderheit unter dem Gesichtspunkt der Tradition zu berücksichtigen sind. Dies führt dazu, dass sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch mit Blick auf die Lärmrichtwerte Abweichungen zulasten der Wohnnachbarschaft gerechtfertigt sein können.[2] Das kann im Einzelfall sowohl höhere Lärmrichtwerte als nach der TA Lärm für das betroffene Baugebiet allgemein vorgesehen, als auch Lärmeinwirkungen auf die Wohnnachbarschaft über den Beginn der Nachtzeit um 22 Uhr hinaus rechtfertigen.

Berücksichtigung bereits vorhandener Fremdgeräusche

Bei der Beurteilung der Lärmeinwirkungen werden von der Rechtsprechung auch die bereits vorhandenen Frem...

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