Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen. Gerichtsstandsvereinbarung in einem Vertriebsvertrag. Schadensersatzklage des Vertriebshändlers wegen Verstoßes des Lieferanten gegen Art. 102 AEUV

 

Normenkette

EGV Nr. 44/2001 Art. 23; AEUV Art. 102

 

Beteiligte

Apple Sales International u.a

Apple Sales International

Apple Inc

Apple retail France EURL

MJA

 

Tenor

1. Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass die Anwendung einer in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag enthaltenen Gerichtsstandsklausel auf eine auf Art. 102 AEUV gestützte Schadensersatzklage eines Händlers gegen seinen Lieferanten nicht allein aus dem Grund ausgeschlossen ist, dass sie sich nicht ausdrücklich auf Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Haftung wegen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht bezieht.

2. Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass die Anwendung einer Gerichtsstandsklausel im Rahmen einer auf Art. 102 AEUV gestützten Schadensersatzklage eines Händlers gegen seinen Lieferanten nicht von der vorherigen Feststellung eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht durch eine nationale oder europäische Behörde abhängt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Frankreich) mit Entscheidung vom 11. Oktober 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Oktober 2017, in dem Verfahren

Apple Sales International,

Apple Inc.,

Apple retail France EURL

gegen

MJA als Liquidator von eBizcuss.com

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer M. Vilaras in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, sowie der Richter J. Malenovský, L. Bay Larsen, M. Safjan (Berichterstatter) und D. Šváby,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Apple Sales International, der Apple Inc. und der Apple retail France EURL, vertreten durch F. Molinié, J.-C. Jaïs und C. Cavicchioli, avocats,
  • der MJA als Liquidator von eBizcuss.com, vertreten durch J.-M. Thouvenin und L. Vidal, avocats,
  • der französischen Regierung, vertreten durch E. Armoët, E. de Moustier und D. Colas als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin, G. Meeßen und M. Heller als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Juli 2018

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Apple Sales International, der Apple Inc. und der Apple retail France EURL einerseits sowie MJA als Liquidator der Gesellschaft eBizcuss.com (im Folgenden: eBizcuss) andererseits über eine von dieser Gesellschaft wegen einer Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV erhobene Schadensersatzklage.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 2, 11 und 14 der Verordnung Nr. 44/2001 lauten:

„(2) Die Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen erschweren das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Es ist daher unerlässlich, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen.

(11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.

(14) Vorbehaltlich der in dieser Verordnung festgelegten ausschließlichen Zuständigkeiten muss die Vertragsfreiheit der Parteien hinsichtlich der Wahl des Gerichtsstands, außer bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen, wo nur eine begrenztere Vertragsfreiheit zulässig ist, gewahrt werden.”

Rz. 4

In Kapitel II Abschnitt 7 „Vereinbarung über die Zuständigkeit”) der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt Art. 23 Abs. 1:

„Haben die Partei...

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