Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Luftverkehr. Haftung von Luftfrachtführern für aufgegebenes Reisegepäck. Nachweislicher Verlust eines aufgegebenen Gepäckstücks. Anspruch auf Entschädigung. Haftungshöchstbeträge bei Zerstörung, Verlust, Beschädigung oder Verspätung des Reisegepäcks. Keine Informationen über das verlorene Gepäckstück. Beweislast. Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität

 

Normenkette

Übereinkommen von Montreal Art. 17 Abs. 2, Art. 22 Abs. 2

 

Beteiligte

Vueling Airlines

SL

Vueling Airlines SA

 

Tenor

1. Art. 17 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 2 des am 28. Mai 1999 in Montreal geschlossenen Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, das von der Europäischen Gemeinschaft am 9. Dezember 1999 unterzeichnet und mit dem Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. April 2001 in ihrem Namen genehmigt wurde, ist dahin auszulegen, dass der in Art. 22 Abs. 2 bei Zerstörung, Verlust, Beschädigung oder Verspätung des aufgegebenen Gepäcks, für das keine besondere Erklärung über das Interesse an der Ablieferung am Bestimmungsort abgegeben wurde, als Höchstbetrag für die Haftung des Luftfrachtführers vorgesehene Betrag eine Obergrenze für die Entschädigung darstellt, die dem Reisenden nicht automatisch und pauschal zusteht. Es ist demnach Sache des nationalen Gerichts, innerhalb dieser Grenze den Entschädigungsbetrag zu bestimmen, der diesem unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falles zusteht.

2. Art. 17 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 2 des Übereinkommens von Montreal ist dahin auszulegen, dass der Entschädigungsbetrag, den ein Luftfahrtunternehmen einem Reisenden bei Zerstörung, Verlust, Beschädigung oder Verspätung eines aufgegebenen Gepäckstücks schuldet, für das keine besondere Erklärung über das Interesse an der Ablieferung am Bestimmungsort abgegeben wurde, vom nationalen Gericht nach den geltenden nationalen Rechtsvorschriften, insbesondere den Beweisregeln, zu bestimmen ist. Diese Vorschriften dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als die für vergleichbare innerstaatliche Rechtsbehelfe geltenden und nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der Rechte, die durch das Übereinkommen von Montreal verliehen werden, praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de lo Mercantil n° 9 de Barcelona (Handelsgericht Nr. 9 Barcelona, Spanien) mit Entscheidung vom 3. Dezember 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Februar 2019, in dem Verfahren

SL

gegen

Vueling Airlines SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richter S. Rodin und D. Šváby, der Richterin K. Jürimäe und des Richters N. Piçarra (Berichterstatter),

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2020,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von SL, vertreten durch A. Azcárraga Gonzalo, A. Velázquez Cobos und J. C. Siqueira Viana, abogados,
  • der Vueling Airlines SA, vertreten durch J. Fillat Boneta, abogado,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, M. Hellmann, U. Bartl und A. Berg als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und M.A.M. de Ree als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Rius und N. Yerrell als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. März 2020

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 17 Abs. 2 und Art. 22 Abs. 2 des am 28. Mai 1999 in Montreal geschlossenen, von der Europäischen Gemeinschaft am 9. Dezember 1999 unterzeichneten und mit dem Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. April 2001 (ABl. 2001, L 194, S. 38) in ihrem Namen genehmigten Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (im Folgenden: Übereinkommen von Montreal), das in Bezug auf die Europäische Union am 28. Juni 2004 in Kraft getreten ist.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen SL und der Vueling Airlines SA, einem Luftfahrtunternehmen, wegen Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens, der durch den Verlust des von SL aufgegebenen Reisegepäcks bei einem von ihr durchgeführten Flug entstanden ist.

Rechtlicher Rahmen

Völkerrecht

Rz. 3

Nach dem dritten Absatz der Präambel des Übereinkommens von Montreal erkennen die Vertragsstaaten die „Bedeutung des Schutzes der Verbraucherinteressen bei der Beförderung im internationalen Luftverkehr und eines angemessenen Schadenersatzes nach dem Grundsatz des vollen Ausgleichs” an.

Rz. 4

Im fünften Absatz dieser Präambel heißt es, dass „gemeinsames Handeln der Staaten zur weiteren Harmonisierung und Kodifizierung bestimmter Vor...

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