Entscheidungsstichwort (Thema)

Richtlinie 2004/83/EG. Mindestnormen für die Anerkennung als Flüchtling oder als Person mit subsidiärem Schutzstatus. Flüchtlingseigenschaft. Art. 2 Buchst. c. Erlöschen des Flüchtlingsstatus. Art. 11. Änderung der Umstände. Art. 11 Abs. 1 Buchst. e. Flüchtling. Unbegründete Furcht vor Verfolgung. Beurteilung. Art. 11 Abs. 2. Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft. Nachweis. Art. 14 Abs. 2

 

Beteiligte

Salahadin Abdulla

Aydin Salahadin Abdulla

Kamil Hasan

Ahmed Adem

Hamrin Mosa Rashi

Dler Jamal

Bundesrepublik Deutschland

 

Tenor

1. Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes ist wie folgt auszulegen:

  • Die Flüchtlingseigenschaft erlischt, wenn in Anbetracht einer erheblichen und nicht nur vorübergehenden Veränderung der Umstände in dem fraglichen Drittland diejenigen Umstände, aufgrund deren der Betreffende begründete Furcht vor Verfolgung aus einem der in Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 genannten Gründe hatte und als Flüchtling anerkannt worden war, weggefallen sind und er auch nicht aus anderen Gründen Furcht vor „Verfolgung” im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 haben muss.
  • Für die Beurteilung einer Veränderung der Umstände müssen sich die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats im Hinblick auf die individuelle Lage des Flüchtlings vergewissern, dass der oder die nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83 in Betracht kommenden Akteure, die Schutz bieten können, geeignete Schritte eingeleitet haben, um die Verfolgung zu verhindern, dass diese Akteure demgemäß insbesondere über wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, verfügen und dass der betreffende Staatsangehörige im Fall des Erlöschens seiner Flüchtlingseigenschaft Zugang zu diesem Schutz haben wird.
  • Zu den in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83 genannten Akteuren, die Schutz bieten können, können internationale Organisationen gehören, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, und zwar auch mittels der Präsenz multinationaler Truppen in diesem Gebiet.

2. Wenn die Umstände, aufgrund deren die Anerkennung als Flüchtling erfolgt ist, weggefallen sind und die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats nachprüfen, ob nicht andere Umstände vorliegen, aufgrund deren die betreffende Person die begründete Furcht haben muss, entweder aus dem gleichen Grund wie dem ursprünglichen oder aus einem anderen der in Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 genannten Gründe verfolgt zu werden, ist der Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der der Beurteilung der aus diesen anderen Umständen resultierenden Gefahr zugrunde zu legen ist, der gleiche wie der bei der Anerkennung als Flüchtling angewandte.

3. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83 kann, soweit ihm Anhaltspunkte hinsichtlich der Beweiskraft früherer Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen mit Verfolgung zu entnehmen sind, anwendbar sein, wenn die zuständigen Behörden die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83 in Betracht ziehen und der Betreffende, um das Fortbestehen einer begründeten Furcht vor Verfolgung darzutun, andere Umstände als die geltend macht, aufgrund deren er als Flüchtling anerkannt wurde. Dies wird jedoch normalerweise nur der Fall sein können, wenn der Verfolgungsgrund ein anderer ist als der zum Zeitpunkt der Anerkennung als Flüchtling festgestellte und wenn frühere Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen mit Verfolgung vorliegen, die eine Verknüpfung mit dem in diesem Stadium geprüften Verfolgungsgrund aufweisen.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach den Art. 68 EG und 234 EG, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) mit Beschlüssen vom 7. Februar und 31. März 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 29. April 2008, in den Verfahren

Aydin Salahadin Abdulla (C-175/08),

Kamil Hasan (C-176/08),

Ahmed Adem,

Hamrin Mosa Rashi (C-178/08),

Dler Jamal (C-179/08)

gegen

Bundesrepublik Deutschland

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten K. Lenaerts und J.-C. Bonichot, der Kammerpräsidentinnen R. Silva de Lapuerta und P. Lindh sowie der Richter C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Schiemann, P. Kuris, A. Ó Caoimh, L. Bay Larsen (Berichterstatter), T. von Danwitz und A. Arabadjiev,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juni 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von A. Salahadin Abdulla, vertreten durch Rechtsanwältin A. Lex,
  • von K. Hasan und D. Jamal, vertreten durch Rechtsanwalt T. Grüner,
  • von A. Adem und H. Mosa Rashi, vertreten d...

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