Nachgehend

BGH (Urteil vom 01.08.2023; Aktenzeichen VI ZR 82/22)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 29.04.2016 - 4 O 109/12 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der Kosten der Streithelferinnen der Beklagten, hat die Klägerin zu tragen.

Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte bzw. deren Streithelferinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Schmerzensgeld, Feststellung der Verpflichtung zur Erstattung zukünftiger materieller und immaterieller Schäden, Ersatz ihres Verdienstausfallschadens in Höhe von 18.364,68 EUR und eines monatlichen Betrages von 2.040,52 EUR im Zeitraum vom 01.05.2013 bis Dezember 2014 sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch. Sie macht geltend, dabei handele es sich um Schäden, die ihr aus dem - als solchem unstreitigen - Bruch des Keramikinlays einer von der Beklagten hergestellten, der Klägerin in der Klinik der Streithelferin zu 1. implantierten, Hüfttotalendoprothese entstanden seien.

Die Pfanne dieser Prothese bestand aus einem Keramikinlay aus dem Material (X1) mit einem Durchmesser von 36 mm, das bei der Streithelferin zu 2. produziert worden war, und das bei der Beklagten bzw. in einem bei deren Zulieferbetrieb B... errichteten Reinraum durch eigene Mitarbeiter der Beklagten in eine Metallummantelung (sog. Hütchen) eingepresst worden ist.

Der Einsatz der streitgegenständlichen Hüfttotalendoprothese bei der Klägerin erfolgte am 10.08.2007 in der Klinik der Streithelferin zu 1. der Beklagten.

Nachdem die Klägerin - nach ihrem von der Beklagten mit Nichtwissen bestrittenen Vortrag - am 20.06.2011 eine Fehlfunktion der Prothese festgestellt hatte, wurde diese am 25.07.2011, ebenfalls in der Klinik der Streithelferin zu 1., reimplantiert.

Die Klägerin hat, gestützt auf ein Gutachten des Sachverständigen Dr. H..., behauptet, der Bruch des Inlays sei auf eine Fehlpositionierung des Keramikinlays in der Metallummantelung zurückzuführen. Insbesondere sei das Inlay um 0,65 mm und damit zu tief in die Metallummantelung eingepresst gewesen. Dabei handele es sich um einen Fertigungsfehler, für den die Beklagte einzustehen habe. Diese Fehlpositionierung habe sich mindestens bruchbegünstigend ausgewirkt. Im Übrigen handele es sich um einen sogenannten Serienschaden.

Die Beklagte hat sowohl die Fehlerhaftigkeit des von ihr hergestellten Produkts als auch die Kausalität einer etwaigen Fehlerhaftigkeit für den Bruch des Inlays bestritten. Sie hat darüber hinaus unter verschiedenen Gesichtspunkten die der Klägerin aufgrund des Bruchs des Inlays entstandenen Schäden und Beeinträchtigungen in Abrede gestellt.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Dr. H... und G... sowie durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. B..., das dieser am 23.07.2014 erstattet und im Rahmen der Verhandlung vom 20.01.2016 mündlich erläutert hat.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 ZPO), hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin sei nicht der Nachweis gelungen, dass die Beklagte ein fehlerhaftes Produkt in den Verkehr gebracht habe und deshalb nach § 1 Abs. 1 ProdHaftG verpflichtet sei, die der Klägerin aufgrund eines Produktfehlers entstandenen Schäden zu ersetzen. Zwar habe die Klägerin durch die Aussage des Zeugen Dr. H... bewiesen, dass das Keramikinlay in dem sog. "Hütchen" einen Abstand zu dessen oberem Metallrand von 0,65 mm aufgewiesen habe. Der Sachverständige Dr. B... habe jedoch überzeugend ausgeführt, dass das Keramikinlay auch bei dem Abstand von 0,65 mm zum oberen Rand des metallenen Hütchens nicht versagt hätte, wenn Kugel und Inlay nur der üblichen Belastung für ein Hüftgelenk ausgesetzt gewesen wären.

Der Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 04.02.2016 bleibe gemäß § 296a ZPO unberücksichtigt; die Voraussetzungen für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung lägen nicht vor.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr Klageziel in vollem Umfang weiter verfolgt.

Sie macht geltend, das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass es sich um einen Serienschaden im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 05.03.2015, Az: C-503/13, C 504/13) handele. Diese Rechtsprechung sei auf Hüftendoprothesen bzw. Teilprodukte dieser Prothesen übertragbar. Der vorliegende Serienschaden beziehe sich auf das Produkt der Größe 36 mm. Nach den Feststellungen des Sachverständigen sei die Versagensrate bei Inlays dieser Größe in 0,5 % aller ...

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