Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 28.06.2021, Az. 3 O 196/20, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil des Landgerichts Cottbus sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf bis zu 13.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung wegen einer vermeintlich unzulässigen Abschalteinrichtung in Anspruch.

Die Klägerin erwarb mit Kaufvertrag vom ... 2019 von der Autohaus ... GmbH in ... den streitgegenständlichen gebrauchten BMW 116d mit einer Laufleistung von 42.432 km zu einem Kaufpreis von 12.810 EUR brutto. Die Erstzulassung datiert aus 2015. In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter und entwickelter Dieselmotor des Typs B37 mit der Schadstoffklasse Euro 6 verbaut.

Zur Reduktion der Stickstoffemissionen (und zur Einhaltung der Grenzwerte der Schadstoffklasse) verfügt der Motor über eine Abgasrückführung sowie über einen NOx-Speicherkatalysator. Der Grad der Abgasrückführung ist von einer Reihe verschiedener Parameter abhängig, u.a. auch von der Umgebungstemperatur (sog. "Thermofenster").

Das Fahrzeug der Klägerin ist von einem amtlichen Rückruf nicht betroffen.

Mit Schreiben vom 28.05.2020 forderte die Klägerin eine Nachrüstung des Fahrzeugs und bot die Rückgabe des Fahrzeugs gegen Erstattung des Kaufpreises an.

Die Klägerin meint, bei der temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführung handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Diese führe im Realbetrieb zu einem erhöhten Ausstoß von Stickoxiden.

Zudem verfüge das Fahrzeug über eine Fahrzykluserkennung ("Hard Cycle Beating"), mit der es erkenne, wenn es einen bestimmten Fahrzyklus auf einem Rollenprüfstand für die Abgasmessung (NEFZ) abfahre. Nur unter den Bedingungen auf dem Prüfstand funktioniere die Abgasreinigung optimal. Unter anderen (realen) Bedingungen werde das Abgasrückführungsventil dagegen komplett geschlossen. Dementsprechend sei die elektronische Fehlerdiagnose des Fahrzeugs (OBD) so verändert worden, dass die (gezielte) Abschaltung der Abgasrückführung nicht als Fehler ausgegeben werde.

Diese Abschalteinrichtungen verstießen gegen die relevante Abgasnorm (VO 715/2007 EG), insbesondere sei der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 der VO nicht einschlägig. Der Vorstand der Beklagten habe diesen Verstoß bewusst aus Kostengründen in Kauf genommen, weil die Abgasgrenzwerte andernfalls nur mit höherem technischen und wirtschaftlichen Aufwand einzuhalten gewesen wären. Die Beklagte habe das Vorhandensein dieser Abschalteinrichtungen dem Kraftfahrbundesamt im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens bewusst verschwiegen.

Die Klägerin sei davon ausgegangen, ein wertstabiles und technisch einwandfreies Fahrzeug zu erwerben, welches die gesetzlichen Schadstoffwerte einhalte. Dabei seien ihr Sparsamkeit, Umweltfreundlichkeit und der Wiederverkaufswert des Fahrzeugs besonders wichtig gewesen. Bei Kenntnis der zahlreichen Manipulationen hätte sie vom Kauf dieses Fahrzeugs Abstand genommen.

Die Klägerin hat als Schadenersatz den Kaufpreis in Höhe von 12.810,00 EUR abzüglich Nutzungen von 547,82 EUR (unter Zugrundelegung einer Laufleistung von 500.000 km), d.h. 12.262,18 EUR verlangt. Erstinstanzlich hat sie beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag von 12.262,18 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.06.2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW vom Typ BMW 116d mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ...,

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Antrag 1. genannten Fahrzeuges in Annahmeverzug seit dem 28.05.2020 befindet,

3. die Beklagte zu verurteilen, sie von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.101,94 EUR freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass das "Thermofenster" nicht als unzulässige Abschalteinrichtung anzusehen sei. Jedenfalls sei das Thermofenster weder objektiv sittenwidrig noch liege dem ein Schädigungsvorsatz zugrunde. Das OBD sei nicht manipuliert, weil die Funktionsweise des Thermofensters schon nicht fehlerhaft sei. Dass die Stickoxid-Emissionen im Realbetrieb diejenigen auf dem Prüfstand übersteigen, sei erwartbar und kein Anhaltspunkt für eine unzulässige Abschalteinrichtung. Der Genehmigungsbehörde sei die Funktionsweise des Thermofensters bei der Beantragung der Typengenehmigung mitgeteilt worden. Dass das Fahrzeug der Klägerin auch sonst nicht mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet sei, werde auch dadurch belegt, dass das KBA in Kenntnis der Funktionsweise des streitgegenständlichen Motors diesen nicht zurückgerufen habe.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 28.06.2021, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen ver...

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