Verfahrensgang

LG Neuruppin (Entscheidung vom 18.03.2019; Aktenzeichen 14 Ns 11/19)

AG Zehdenick (Aktenzeichen 41 Ds 11/18)

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 18. März 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Neuruppin zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Zehdenick hatte mit Urteil vom 4. Dezember 2018 den zahlreich und einschlägig vorbestraften Angeklagten wegen Betruges in drei Fällen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr zwei Monaten verurteilt und die Einziehung von 256,00 € angeordnet.

Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat die 4. kleine Strafkammer des Landgerichts Neuruppin wegen unentschuldigten Ausbleibens des Angeklagten im ersten Hauptverhandlungstermin verworfen. Der Kammervorsitzende hatte zuvor den Angeklagten förmlich geladen, dabei das persönliche Erscheinen des Angeklagten zur Hauptverhandlung angeordnet und ihn darüber belehrt, dass die Kammer im Falle des unentschuldigten Ausbleibens schon im (ersten) Hauptverhandlungstermin das Rechtsmittel auch im Falle der Vertretung durch einen Verteidiger verwerfen werde. Zur Berufungshauptverhandlung war nur der mit Vollmacht versehene Verteidiger des Angeklagten erschienen, nicht jedoch der Angeklagte. Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, dass eine Verwerfung nach § 329 Abs. 4 Satz 2 StPO auch dann möglich sei, wenn der Angeklagte bereits im ersten Termin zur Berufungshauptverhandlung unentschuldigt fernbleibe, die Anberaumung eines Fortsetzungstermins mit entsprechender Belehrung würde "auf eine bloße Förmelei" hinauslaufen.

Gegen dieses Verwerfungsurteil richtet sich die Revision des Angeklagten, der die Rechtsansicht vertritt, dass § 329 Abs. 4 Satz 2 StPO einer Erweiterung nicht zugänglich sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 28. Juni 2019 beantragt, das Urteil der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 18. März 2019 aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Neuruppin zurückverwiesen.

II.

1. Die Revision ist nach § 333 StPO statthaft und gemäß §§ 341, 344, 345 StPO frist- und formgerecht bei Gericht angebracht worden.

2. Das Rechtsmittel hat mit der Verfahrensrüge (vorläufigen) Erfolg. Die Revision greift mit der erhobenen Verfahrensrüge der Verletzung von § 329 Abs. 4 StPO, die den Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt, durch und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Berufungskammer des Landgerichts Neuruppin.

Die Verwerfung der Berufung gemäß § 329 Abs. 4 Satz 2 StPO erfolgte rechtsfehlerhaft, da die Voraussetzungen der Norm nicht gegeben waren.

Nach § 329 Abs. 4 Satz 2 StPO hat das Gericht die Berufung des Angeklagten zu verwerfen, wenn der Angeklagte, dessen Anwesenheit trotz Vertretung durch einen Verteidiger erforderlich ist, zur Fortsetzung der Hauptverhandlung unter Anordnung seines persönlichen Erscheinens und Belehrung über die Möglichkeit der Verwerfung geladen wurde, aber auch zum Fortsetzungstermin ohne genügende Entschuldigung nicht erscheint und seine Anwesenheit weiterhin erforderlich bleibt. Diese Voraussetzungen für eine Verwerfung ohne Sachentscheidung lagen hier nicht vor, weil der Angeklagte nicht zu einem Fortsetzungstermin, sondern bereits im ersten Hauptverhandlungstermin vor dem Berufungsgericht unentschuldigt ferngeblieben war.

Wird der abwesende Angeklagte durch einen vertretungsbefugten Verteidiger vertreten und darf deshalb seine Berufung nicht verworfen werden, ergibt sich für das Berufungsgericht nach § 329 Abs. 2, Abs. 4 StPO eine Prüfungspflicht. Das Berufungsgericht muss nach § 329 Abs. 2 Satz 1 StPO bei Beginn der Hauptverhandlung, zu der der Angeklagte nicht erschienen ist, prüfen, ob seine Anwesenheit erforderlich ist (siehe auch Senatsbeschluss vom 4. April 2019, (1) 53 Ss 14/19 (17/19), zit. nach juris, dort Rn. 9 ff.).

Soweit dies bejaht wird, muss das Berufungsgericht nach § 329 Abs. 4 StPO den Angeklagten zu einer Fortsetzung der Hauptverhandlung laden und sein persönliches Erscheinen anordnen. Erst wenn der Angeklagte im Fortsetzungstermin der Hauptverhandlung unentschuldigt bei weiterbestehender Erforderlichkeit seiner Anwesenheit nicht erscheint, muss seine Berufung verworfen werden. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut muss es sich bei dem neuen Termin um eine Fortsetzung der Hauptverhandlung handeln, die innerhalb der Fristen des § 229 StPO zu terminieren ist.

Eine über den Wortlaut hinausreichende erweiternde Auslegung scheidet im Hinblick auf den Ausnahmecharakter des § 329 Abs. 4 StPO innerhalb der Systematik der Verwerfungsvorschriften des § 329 StPO aus. Eine Berufungsverwerfung trotz Anwesenheit eines bevollmächtigten Verteidigers erfolgt n...

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