Entscheidungsstichwort (Thema)

Inanspruchnahme des Bürgen nach Insolvenz des Bauträgers. Zeitliche Erweiterung der Bürgenhaftung. MaBV-Bürgschaft. Verzicht auf fristgerechte Fertigstellung eines Bauvorhabens

 

Leitsatz (redaktionell)

Besteht zu Sicherung der Erfüllung eines Bauträgervertrags eine MaBV-Bürgschaft und verzichtet der Auftraggeber auf die fristgerechte Fertigstellung des Bauvorhabens bringt dies eine zeitliche Ausdehnung der Bürgenhaftung und damit eine Erhöhung des Risikos des Bürgen mit sich. Wurde der Bürge über den Verzicht nicht informiert, widerspricht eine Inanspruchnahme des Bürgen nach dem ursprünglichen Fertigstellungszeitpunkt dem Grundsatz von Treu und Glauben.

 

Normenkette

BGB § 242; MaBV § 7

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 14.02.2003)

 

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 25. Zivilsenats des KG in Berlin v. 14.2.2003 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Kläger nehmen die beklagte Bank aus einer Bürgschaft gem. § 7 Makler- und Bauträgerverordnung (im Folgenden: MaBV) in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Mit notariellem Vertrag v. 16.12.1996 erwarben die Kläger von der Y. GmbH (im Folgenden: Y.) in einem größeren Wohn/Geschäftsräume-Komplex zum Preis von jeweils 576.585 DM zwei noch zu erstellende Gewerbeeinheiten, in denen später Arztpraxen betrieben werden sollten. Der Kaufpreis sollte entsprechend dem Baufortschritt in sechs Raten gezahlt werden. Der Y. war das Recht eingeräumt, die sofortige Zahlung des Kaufpreises gegen Vorlage einer beim beurkundenden Notar zu hinterlegenden Bankbürgschaft gem. § 7 MaBV zu verlangen. Weiter waren die schlüsselfertige Herstellung der Arztpraxen bis zum 31.3.1997 sowie eine Mietgarantie durch die Y. für einen Zeitraum von fünf Jahren ab Übergabe vereinbart.

Die Y. übergab dem Notar am 27.12.1996 eine selbstschuldnerische unbefristete Bürgschaft auf erstes Anfordern der Beklagten über 1.148.326,68 DM zur Sicherung aller etwaigen Ansprüche der Kläger auf Rückgewähr oder Auszahlung des von diesen gezahlten Kaufpreises. Der Bürgschaftstext enthält, bezugnehmend auf den notariellen Bauträgervertrag, u. a. folgende Klauseln:

"Die Bürgschaft erlischt, ... wenn nach Erfüllung der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 MaBV das Vertragsobjekt vollständig fertig gestellt ist.

Nach Erlöschen ist uns diese Bürgschaft unaufgefordert zurückzugeben."

Die Kläger zahlten daraufhin den vollen Kaufpreis.

Im Juni 1997 übersandte der Notar den Klägern ein Schreiben des mit der Bauleitung beauftragten Architektenbüros, dass Bezugsfertigkeit und vollständige Fertigstellung des Gebäudekomplexes zum 13.6.1997 erreicht worden sei. Die Kläger bestreiten den Zugang. Mit Schreiben v. 3.7.1997 überreichte der Notar der Beklagten die Bürgschaftsurkunde "zur weiteren Verwendung". Am 28.8./1.9.1997 schlossen die Kläger - was der Beklagten bekannt war - einen auf fünf Jahre befristeten und auf den 1.4.1997 rückdatierten Mietvertrag für beide Gewerbeeinheiten mit der von der Y. beauftragten A. GmbH, die die Räume an Ärzte untervermieten sollte. Mietzinszahlungen erfolgten nur bis April 1998. Im Oktober 2000 wurde die inzwischen in Vermögensverfall geratene Y. im Handelsregister gelöscht.

Im Januar 2001 nahmen die Kläger die Beklagte aus der Bürgschaft in Anspruch mit der Behauptung, eine der beiden Arztpraxen sei noch nicht fertig gestellt. Noch vor Abschluss des notariellen Vertrages und vor Begebung der Bürgschaft hätten sie mit der Y. mündlich vereinbart, dass der Innenausbau der zweiten Praxis erst erfolgen solle, nachdem - was noch nicht geschehen sei - ein Mieter für das Objekt gefunden worden sei. Der bisherige Baufortschritt rechtfertige nicht die Zahlung der vierten bis sechsten Rate i. H. v. insgesamt 282.526,65 DM. Im Wege der Teilklage verlangen die Kläger Zahlung von 150.000 DM zzgl. Zinsen und begehren die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihnen einen eventuell darüber hinausgehenden Fertigstellungsaufwand zu ersetzen.

Die Beklagte hält ihre Inanspruchnahme nach Ablauf von 3 1/2 Jahren für rechtsmissbräuchlich. Auf Grund der gesamten Umstände habe sie von einer Fertigstellung des Objekts und einem Erlöschen der Bürgschaft ausgehen dürfen. Bei rechtzeitiger Unterrichtung durch die Kläger hätte sie die ihr von der Y. gestellten Sicherheiten nicht freigegeben.

Die Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht hat eine Bürgenhaftung der Beklagten verneint und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch sei zwar grundsätzlich von der streitgegenständlichen Bürgschaft umfasst und durch deren Rückgabe durch den Notar nicht erloschen. Der Bürgschaftsforderung stehe jedoch der Einwand des § 767 Abs. 1 S. 3 BGB entgegen, da die Hauptschuld durch ein Rechtsgeschäft zwischen den Klägern und der Hauptschuldnerin erweitert worden sei. Eine Haftungserweiterung liege nicht nur vor, wenn die Hauptschuld summenmäßig erhöht werde, sondern auch dann, wenn sich das Haftungsrisiko des Bürgen wegen einer inhaltlichen Änderung der Hauptschuld vergrößere. Hier habe der zu sichernde Anspruch der Kläger durch die mündliche Zusatzabrede zum Bauträgervertrag, den Innenausbau erst nach Vermietung der Praxis fertig zu stellen, eine Erweiterung erfahren. Durch diese die Fertigstellung des Ausbaus auf unbestimmte Zeit nach dem ursprünglich vereinbarten Fertigstellungstermin hinausschiebende Abrede sei das Haftungsrisiko für die Beklagte unzulässig vergrößert worden; denn für sie habe bei einer späteren Inanspruchnahme aus der Bürgschaft die Gefahr bestanden, ihren Regressanspruch gegen die Hauptschuldnerin nicht mehr realisieren zu können.

Im Übrigen stelle sich die nunmehr erhobene Forderung der Kläger auch als treuwidrig dar, weil diese das Bauvorhaben über mehr als drei Jahre hinweg nicht ernstlich betrieben und die Beklagte von der angeblich getroffenen Zusatzabrede pflichtwidrig nicht informiert hätten. Der Beklagten stehe deshalb ein Schadensersatzanspruch in Höhe des von den Klägern geltend gemachten Betrages zu mit der Folge, dass die Kläger die begehrte Leistung wieder an die Beklagte zurückzugewähren hätten.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis, nicht aber in allen Teilen der Begründung stand. Die Inanspruchnahme der Beklagten aus der Bürgschaft verstößt gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).

1. Ein Anspruch der Kläger auf Rückgewähr eines Teils der von ihnen erbrachten Vorauszahlung wegen teilweiser Nichterfüllung des Bauträgervertrages durch die Hauptschuldnerin wird durch die von der Beklagten übernommene selbstschuldnerische Bürgschaft gem. § 7 MaBV gesichert (vgl. BGH, Urt. v. 18.6.2002 - XI ZR 359/01, BGHZ 151, 147 [151] = BGHReport 2002, 830 = MDR 2002, 1299; v. 21.1.2003 - XI ZR 145/02, MDR 2003, 465 = BGHReport 2003, 387 = WM 2003, 485 [486]; v. 11.3.2003 - XI ZR 196/02, BGHReport 2003, 679 = BKR 2003, 427 [428], jeweils m. w. N.). Nicht zu beanstanden ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte sei nicht durch die Rückgabe der Bürgschaftsurkunde durch den Notar aus ihrer Bürgenhaftung entlassen worden. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung, dem Begleitschreiben des Notars, einer Individualerklärung, sei eine Willenserklärung, für die Kläger werde auf die Bürgschaft verzichtet, nicht zu entnehmen, lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Revisionserwiderung beschränkt sich darauf, ihre Auslegung in unzulässiger Weise an die Stelle derer des Berufungsgerichts zu setzen.

2. Nicht gefolgt werden kann aber der Ansicht des Berufungsgerichts, der Bürgschaftsforderung stehe der Einwand des § 767 Abs. 1 S. 3 BGB entgegen, da die Hauptschuld durch ein Rechtsgeschäft zwischen den Klägern und der Hauptschuldnerin erweitert worden sei. Dieser Einwand greift nach dem eindeutigen Wortlaut des § 767 Abs. 1 S. 3 BGB nur bei rechtsgeschäftlichen Erweiterungen der Hauptschuld, die nach Übernahme der Bürgschaft zwischen Gläubiger und Hauptschuldner vereinbart werden. Vor Annahme der Bürgschaftserklärung durch den Gläubiger getroffene haftungserweiternde Vereinbarungen werden von § 767 Abs. 1 S. 3 BGB nicht erfasst (BGH, Urt. v. 30.11.1977 - VIII ZR 69/76, WM 1978, 266 [267]; Habersack in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 767 Rz. 10, 17).

Nach dem im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegebenen Vorbringen der Kläger haben sie die mündliche Nebenabrede über die Verpflichtung der Hauptschuldnerin zur Fertigstellung des Innenausbaus einer der Gewerbeeinheiten erst nach deren Vermietung bereits bei Abschluss des Bauträgervertrages am 16.12.1996 und damit vor dem Bürgschaftsvertrag v. 27.12.1996 getroffen. Dies hat das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, unberücksichtigt gelassen. Auf § 767 Abs. 1 S. 3 BGB kann sich die Beklagte daher nicht mit Erfolg berufen.

3. Als durchgreifend erweist sich dagegen ihr Einwand, die Geltendmachung der Bürgschaftsforderung durch die Kläger verstoße gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Die Kläger und die Y. haben bei der Begründung der Hauptschuld ohne Wissen der Beklagten eine Vereinbarung getroffen, die ein höheres Bürgenrisiko zur Folge hatte, als es zwischen den Beteiligten des Bürgschaftsvertrages vereinbart war. Zwar sind beide Vertragspartner zunächst bei Abschluss des Bauträgervertrages davon ausgegangen, dass bis zum vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermin, dem 31.3.1997, ein Mieter gefunden und die Gewerbeeinheit fertig ausgebaut sein würde. Spätestens im Sommer 1997, als die Kläger - weil noch immer kein solventer Mieter gefunden war - in Anbetracht der getroffenen Zusatzabrede auf die zu diesem Zeitpunkt ohne weiteres mögliche Fertigstellung der Arztpraxis tatsächlich auf unbestimmte Zeit verzichteten, hat sich das Haftungsrisiko der Beklagten erhöht und schließlich auch realisiert.

Allerdings war die Bürgschaft ihrem Wortlaut nach unbefristet. Gleichwohl enthielt sie ein Zeitmoment, weil sie spätestens mit Fertigstellung des Vertragsobjektes erlöschen sollte. Als Fertigstellungstermin war in dem notariellen Vertrag, auf den sich die Bürgschaftsurkunde ausdrücklich bezieht, der 31.3.1997 vorgesehen. Auch wenn - in erster Linie vom Bauträger verursachte - Verzögerungen der Fertigstellung eines Bauvorhabens die Verpflichtung des Bürgen aus einer gem. § 7 MaBV übernommenen, unbefristeten Bürgschaft nicht entfallen lassen, kann sich die Inanspruchnahme des Bürgen im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich erweisen. So liegt es hier.

Durch den tatsächlichen Verzicht auf die ohne weiteres mögliche Fertigstellung der Arztpraxis im Sommer 1997 bis zum Finden eines ihnen genehmen, zahlungskräftigen und zahlungswilligen Mieters haben die Kläger - selbst abgesichert durch einen fünfjährigen Mietvertrag über die unfertige Praxis mit der A. GmbH - im eigenen Interesse den Fertigstellungszeitpunkt von einem völlig außerhalb des Bauvorhabens liegenden Umstand abhängig gemacht. Eine zeitliche Verlängerung der Bürgenhaftung, die es dem Auftraggeber ermöglichen soll, aus einer Vermietung seiner Immobilie optimalen Nutzen zu ziehen, entspricht nicht dem durch eine MaBV-Bürgschaft gesicherten typischen Fertigstellungsrisiko und ist für den Bürgen, der von einer solchen Abrede keine Kenntnis hat, nicht interessengerecht. In der Rechtsprechung wird ein Hinausschieben der Fälligkeit einer verbürgten Forderung, insbesondere eine Verlängerung der Bauausführungsfrist, deshalb als Erweiterung der Verpflichtung des Bürgen i. S. d. § 767 Abs. 1 S. 3 BGB angesehen (vgl. BGH, Urt. v. 6.4.2000 - IX ZR 2/98, MDR 2000, 894 = WM 2000, 1141 [1143]; OLG Hamm NZBau 2000, 471). Eine Verschiebung des Fertigstellungszeitpunkts auf unbestimmte Zeit führt erfahrungsgemäß wegen zwischenzeitlicher Preissteigerungen für Bauleistungen zu einer Erhöhung der Kosten für die Fertigstellung, die für den Umfang des verbürgten Rückgewähranspruchs von Bedeutung sind. Darüber hinaus erhöht sich bei einer Verlängerung der Bürgenhaftung das von dem Bürgen zu tragende Insolvenzrisiko des Schuldners und damit die Gefahr, Regressansprüche aus § 774 Abs. 1 BGB nicht mehr realisieren zu können.

Dass sich durch den tatsächlichen Verzicht auf die fristgerechte Fertigstellung des Bauvorhabens und die damit einhergehende zeitliche Ausdehnung der Bürgenhaftung das Risiko der Beklagten nicht nur abstrakt, sondern hier auch tatsächlich erhöht hat, liegt auf der Hand. Ohne die zwischen den Klägern und der Y. getroffene Zusatzabrede wäre das Bauvorhaben im Sommer 1997 fertig gestellt worden, so dass es zu einer Inanspruchnahme der Beklagten als Bürgin nicht gekommen wäre.

Davon ausgehend widerspräche es dem Grundsatz von Treu und Glauben, die von der Zusatzabrede nicht informierte Beklagte, die im Guten Glauben auf das Erlöschen der Bürgschaft seit Sommer 1997 keine Avalprovisionen mehr vereinnahmt und die ihr von der Y. gestellten Sicherheiten freigegeben hat, nunmehr für die von den Klägern im eigenen Interesse hinausgeschobene Fertigstellung der Arztpraxis haften zu lassen.

III.

Die Revision der Kläger war daher zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BGHR 2004, 890

BauR 2004, 1159

BauR 2004, 882

EWiR 2004, 547

IBR 2004, 254

NZM 2004, 345

WM 2004, 724

WuB 2004, 565

BKR 2004, 192

BrBp 2004, 349

NJW-Spezial 2004, 25

NZBau 2004, 270

ZBB 2004, 248

BauRB 2004, 259

Kreditwesen 2004, 1267

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