Leitsatz (amtlich)

a) Die Errichtung einer Datsche genügt nach § 12 Abs. 1 SachenRBerG als Bebauung. Ob sie zu einer bereinigungsfähigen Nutzung führt, bestimmt sich nicht nach § 12 SachenRBerG, sondern nach den §§ 5 bis 7 SachenRBerG.

b) Die Anspruchsberechtigung nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz besteht auch dann, wenn nicht der ursprüngliche Nutzer, der das Gebäude errichtet hat, sondern sein Rechtsnachfolger die neben der Bebauung erforderlichen Voraussetzungen für eine bereinigungsfähige Nutzung geschaffen hat. Wann und durch den Beitrag welchen Nutzers die Nutzung bereinigungsfähig geworden ist, ist unerheblich.

 

Normenkette

SachenRBerG § 12 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 Buchst. e

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 25.07.2008; Aktenzeichen 11 U 9/08)

LG Berlin (Entscheidung vom 28.01.2008; Aktenzeichen 1 O 54/07)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Zivilsenats des KG in Berlin vom 25.7.2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

[1] Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz von dem beklagten Land (fortan: Beklagter) den Verkauf der diesem gehörenden 400 m2 großen Kleingartenparzelle Nr. 262 (fortan: Grundstück) in einer Kleingartenanlage im früheren Ostteil von Berlin verlangen kann. Auf dem Grundstück befindet sich ein Holzhaus, das 1953 errichtet wurde. Dieses Haus kaufte die Großmutter des Klägers mit Vertrag vom 14.5.1963 für 6.900 Mark von M. D. Zu einem von dem KG offen gelassenen Zeitpunkt schlossen sie und ihr später verstorbener Ehemann mit dem örtlichen Kleingärtnerverband einen Kleingarten-Pachtvertrag über das Grundstück. 1997 zog die Großmutter des Klägers in eine Einrichtung für betreutes Wohnen. Mit privatschriftlichem Vertrag vom 20.8.1997 veräußerte sie das Haus dem Kläger, der das Grundstück am 10.12.1997 von dem örtlichen Kleingärtnerverband pachtete. Der Kläger selbst ist seit dem 1.11.2004 mit erstem Wohnsitz auf dem Grundstück gemeldet. Am 24.3.2005 schloss er mit seiner Großmutter einen notariell beurkundeten Vertrag über den Erwerb der Aufbauten auf dem Grundstück. Der Kläger behauptet, seine Großmutter sei zwar andernorts in Berlin polizeilich gemeldet gewesen, habe aber seit etwa 1982/83 bis zu ihrem Umzug auf dem Grundstück gelebt. Das Haus sei aufgrund von baulichen Maßnahmen seiner Großmutter zum Dauerwohnen geeignet.

[2] Das LG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das KG die Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision möchte der Kläger weiterhin die Feststellung des geltend gemachten Ankaufsanspruchs erreichen. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

[3] Das Berufungsgericht hält die Klage für unbegründet. Dafür könnten Zweifel zurückgestellt werden, ob das Sachenrechtsbereinigungsgesetz seinem Sinn und Zweck nach auf sog. unechte Datschengrundstücke anzuwenden sei. Offen bleiben könne auch, ob das Haus ein Eigenheim im Sinne des Gesetzes sei und die Großmutter des Klägers dort ihren Lebensmittelpunkt gehabt habe. Weder der Kläger noch seine Großmutter hätten das Haus errichtet. Es habe bei Beginn der Pacht, auf dessen genauen Zeitpunkt es nicht ankomme, schon bestanden. Deshalb hänge der Anspruch entscheidend davon ab, ob der Kläger oder seine Großmutter auf dem Grundstück bauliche Maßnahmen durchgeführt hätten, die der Neuerrichtung gleichkämen. Daran fehle es. Erhaltungsmaßnahmen genügten hierfür nicht. Auch die übrigen Maßnahmen reichten nicht aus, weil es sich hierbei nicht um punktuelle, sondern um Maßnahmen gehandelt habe, die sich über 14 Jahre hingezogen hätten. Auch die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 SachenRBerG seien nicht erfüllt.

II.

[4] Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung lässt sich der geltend gemachte Anspruch nicht verneinen.

[5] 1. Der Ankaufsanspruch setzt, wovon das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend ausgeht, nach §§ 5, 61 SachenRBerG voraus, dass das Grundstück in einer nach § 5 SachenRBerG bereinigungsfähigen Weise genutzt wird, die Großmutter des Klägers Nutzerin des Grundstücks i.S.v. § 9 SachenRBerG war und der Kläger selbst ihr Rechtsnachfolger ist. Die bereinigungsfähige Nutzung nach § 5 SachenRBerG wiederum erfordert eine den Anforderungen des § 12 SachenRBerG entsprechende Bebauung des Grundstücks.

[6] 2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch seine Zweifel daran zurückgestellt, ob das Sachenrechtsbereinigungsgesetz auf sog. unechte Datschengrundstücke anzuwenden sei. Das nämlich ist der - von dem Gesetzgeber auch angestrebte (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 12/5992, 103 f.) - Regelungsgehalt von § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. e SachenRBerG. Diese Norm kommt, worauf der Senat vorsorglich hinweist, nach der Rechtsprechung des BGH auch zur Anwendung, wenn es sich, wie hier, um ein Grundstück in einer Kleingartenanlage handelt (BGHZ 139, 235, 238, Senat, Urt. v. 3.5.2002 - V ZR 246/01, VIZ 2002, 642, 643; Urt. v. 30.4.2003 - V ZR 361/02, VIZ 2003, 445).

[7] 3. Eine Rechtsnachfolge des Klägers in etwaige Ansprüche seiner Großmutter setzt nach dem 1.10.1994 (dazu Senat, Urt. v. 3.5.2002 - V ZR 246/01, VIZ 2002, 642, 645) gem. § 14 Abs. 2 und 3 SachenRBerG voraus, dass ihm seine Großmutter neben dem Eigentum an dem Holzhaus, dessen Übertragung sich gem. Art. 231 § 5 Abs. 1 und Art. 233 § 2 Abs. 1 EGBGB nach Mobiliarsachenrecht (hier § 929 Satz 2 BGB) richtet, auch den Ankaufsanspruch in notariell beurkundeter Form abgetreten hat. Beides hat das LG dem dieser Form genügenden Vertrag des Klägers mit seiner Großmutter vom 24.3.2005 entnommen. Dagegen haben die Parteien keine Einwände erhoben. Dieses Verständnis des Vertrags liegt angesichts der bereits erfolgten, aber formunwirksamen Übertragung des Hauses an den Kläger durch Vertrag vom 20.8.1997 auch nahe.

[8] 4. Die weiter erforderliche bereinigungsfähige Nutzung scheitert entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht an einer fehlenden Bebauung des Grundstücks durch den Kläger oder seine Großmutter.

[9] a) Eine Bebauung liegt nach § 12 Abs. 1 SachenRBerG entweder bei der Neuerrichtung eines Bauwerks auf dem Grundstück oder bei Baumaßnahmen an einem bestehenden Bauwerk vor, die den Umfang einer Neuerrichtung angenommen (§ 12 Abs. 1 Halbs. 2 Nr. 1 SachenRBerG) oder zu einer Veränderung der Nutzungsart (§ 12 Abs. 1 Halbs. 2 Nr. 2 SachenRBerG) geführt haben. Eine solche bauliche Investition lässt sich mit den von dem Berufungsgericht angestellten Überlegungen nicht verneinen; sie ist nach den von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen im Gegenteil gegeben.

[10] b) Angreifbar ist schon die Erwägung des Berufungsgerichts, weder die Großmutter des Klägers noch dieser selbst hätten die Nutzungsart des Grundstücks verändert. Ob die Nutzungsart verändert worden ist, hängt entscheidend von den von dem Berufungsgericht offen gelassenen Fragen ab, ob das Haus am 2.10.1990 zum Dauerwohnen geeignet war und ob die Großmutter des Klägers seinerzeit dort ihren Lebensmittelpunkt hatte. War das der Fall, wurde das Grundstück nämlich nicht mehr zu Erholungszwecken genutzt, sondern zu Wohnzwecken. Darin könnte eine nach § 12 Abs. 1 Halbs. 2 Nr. 2 SachenRBerG relevante Änderung der Nutzungsart liegen. Das bedarf hier keiner Entscheidung.

[11] c) Offen bleiben kann auch, ob den weiteren Erwägungen des Berufungsgerichts gefolgt werden kann, die von dem Kläger behaupteten baulichen Maßnahmen seiner Großmutter an dem Holzhaus könnten schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil es sich um "bloße Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten" handele. Außerdem seien es keine "punktuellen", sondern langfristige und sich teilweise auch wiederholende Maßnahmen gewesen, die auch aus diesem Grund nicht berücksichtigt werden könnten.

[12] aa) Für diese Überlegung ließen sich zwar die Regelungen in § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 5 SachenRBerG anführen. Nach der zuerst genannten Regelung gelten bauliche Investitionen, die in einem Zeitraum von drei Jahren vorgenommen werden, als einheitliche Investition. Notwendige Verwendungen aus der Zeit nach dem 2.10.1990 sind nach § 12 Abs. 2 Satz 5 SachenRBerG den baulichen Investitionen hinzuzurechnen. Zweifelhaft ist aber, ob diese Regelungen überhaupt Rückschlüsse auf die Auslegung von § 12 Abs. 1 Halbs. 2 Nr. 1 SachenRBerG erlauben. § 12 Abs. 2 SachenRBerG sieht nämlich für den hier ersichtlich nicht gegebenen Fall einer Nutzung aufgrund eines Überlassungsvertrags i.S.v. Art. 232 § 1a EGBGB eine besondere Erleichterung vor. Bei dieser Form der Nutzung muss der Nutzer als bauliche Investition weder ein Gebäude neu errichtet noch einer Neuerrichtung gleichkommende Maßnahmen vorgenommen haben. Es genügt vielmehr, dass er die Wohn- oder Nutzfläche um 50 Prozent vergrößert oder bauliche Investitionen vorgenommen hat, die die Hälfte des jeweiligen Gebäudesachwerts übersteigen. Ob die für eine so weitgehende (dazu J. Schmidt-Räntsch, ZIP 1996, 728, 730) Erleichterung geltenden Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 SachenRBerG auch auf den gesetzlichen Normalfall einer der Neuerrichtung gleichkommenden Maßnahme angewendet werden können, erscheint schon im Ansatz fraglich.

[13] bb) Welche Anforderungen an eine der Neuerrichtung gleichkommende Maßnahme im Einzelnen zu stellen sind, hat der Senat bislang nicht entschieden. Entschieden ist nur, dass bloße Reparaturmaßnahmen einer Neuerrichtung nicht gleichkommen (Senat, Urt. v. 16.4.1999 - V ZR 57/98, VIZ 1999, 488), dies aber möglich ist, wenn etwa Dacheindeckung, Außenputz und Sanitäranlagen erneuert wurden (Urt. v. 27.9.2002 - V ZR 262/01, VIZ 2003, 90, 92). Weitergehende Festlegungen in dieser Frage hat der Senat auch in den von der Revision in diesem Zusammenhang zitierten Urteilen (Urt. v. 6.4.2001 - V ZR 438/99, VIZ 2001, 503, 504; Urt. v. 3.5.2002 - V ZR 246/01, VIZ 2002, 642, 643; Urt. v. 13.5.2005 - V ZR 191/04, NJW-RR 2005, 1256, 1257) nicht vorgenommen. Er hat sich darin mit dem Vorliegen eines sog. unbenannten Falls im Sinne der Auffangklausel des § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 SachenRBerG befasst und geprüft, ob einer Neuerrichtung entsprechende Maßnahmen vorlagen. Das war in den entschiedenen Fällen unstreitig der Fall und bedurfte keiner weiteren Klärung. Diese ist auch hier entbehrlich.

[14] d) Das Berufungsgericht hat nämlich festgestellt, dass das Holzhaus 1953 und damit in den zeitlichen Grenzen des § 8 SachenRBerG errichtet worden ist. Damit liegt eine bauliche Investition in der Form der Neuerrichtung eines Gebäudes nach § 12 Abs. 1 Halbs. 1 SachenRBerG vor. Weitere Anforderungen an eine Bebauung des Grundstücks stellt § 12 SachenRBerG nicht. Ob die vorgenommene Bebauung zu einer bereinigungsfähigen Nutzung führt, bestimmt sich nicht nach § 12 SachenRBerG, sondern nach den §§ 5 bis 7 SachenRBerG, hier nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. e SachenRBerG.

[15] e) Anders als das Berufungsgericht meint, ist es auch unerheblich, dass weder der Kläger selbst noch seine Großmutter auf dem Grundstück, wie es das Berufungsgericht formuliert, "ein Eigenheim 'gebaut'" haben. Anspruchsberechtigt ist nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SachenRBerG nicht nur der Nutzer, der das Gebäude errichtet hat und damit nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SachenRBerG anspruchsberechtigt ist, sondern auch sein Rechtsnachfolger. Das errichtete Gebäude muss ebenso wenig schon bei seiner Errichtung zum Dauerwohnen geeignet sein; es genügt, wenn es später in diesen Zustand versetzt wird (Senat, Urt. v. 30.4.2003 - V ZR 361/02, VIZ 2003, 445). Das führt dazu, dass eine Anspruchsberechtigung auch dann besteht, wenn nicht der ursprüngliche Nutzer, der das Gebäude errichtet hat, sondern sein Rechtsnachfolger - hier die Großmutter des Klägers - die neben der Bebauung erforderlichen Voraussetzungen für eine bereinigungsfähige Nutzung, hier die Eignung zum Dauerwohnen und die Nutzung als Lebensmittelpunkt, geschaffen hat (Senat, Urt. v. 12.5.2005 - V ZR 191/04, NJW-RR 2005, 1256, 1257). Das Gesetz will die am 2.10.1990 vorhandene Investition des Nutzers schützen (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 12/5992, 61 f.). Dazu stellt es allein auf das an dem maßgeblichen Stichtag, hier dem 2.10.1990, erreichte Ergebnis ab. Wann und durch den Beitrag welchen Nutzers die Nutzung bereinigungsfähig geworden ist, ist danach unerheblich.

III.

[16] Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es deshalb darauf an, ob die weiteren Voraussetzungen für eine bereinigungsfähige Nutzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. e SachenRBerG gegeben sind. Das hat das Berufungsgericht offen gelassen. Der Senat kann diese Frage nicht selbst entscheiden, weil sie zwischen den Parteien streitig ist und die erforderlichen Feststellungen fehlen. Sie werden in der neuen Verhandlung nachzuholen sein. Hierfür weist der Senat auf Folgendes hin.

[17] 1. Zunächst wird zu klären sein, ob das Haus am 2.10.1990 zum Dauerwohnen geeignet war. Dafür ist entscheidend, ob das Bauwerk die bautechnischen Anforderungen für eine Wohnnutzung nach den Maßstäben der DDR erfüllte (Senat, Urt. v. 6.4.2001 - V ZR 438/99, VIZ 2001, 503, 504; Urt. v. 3.5.2002 - V ZR 246/01, VIZ 2002, 642, 643; Urt. v. 30.4.2003 - V ZR 361/02, VIZ 2003, 445). Ob dieser Zustand schon zu einem früheren Zeitpunkt bestanden hat oder nicht, ist unerheblich.

[18] 2. Sodann wird zu klären sein, ob das Gebäude am 2.10.1990 dem Nutzer zum Wohnen diente. Das ist, wie sich im Umkehrschluss aus § 5 Abs. 3 SachenRBerG ergibt, der Fall, wenn der Nutzer auf dem Grundstück seinen Lebensmittelpunkt hatte. Maßgeblich sind die Lebensverhältnisse des seinerzeitigen Nutzers, hier also allein der Großmutter des Klägers. Wo der Nutzer seinen Lebensmittelpunkt hat, ist in wertender Betrachtung aller maßgeblichen Umstände zu entscheiden; dabei ist die polizeiliche Meldung nur ein wenn auch nicht unbedeutender Gesichtspunkt (Senat, Urt. v. 13.5.2005 - V ZR 191/04, NJW-RR 2005, 1256, 1257).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2271549

DWW 2010, 158

EBE/BGH 2010, 1

NJW-RR 2010, 740

NZM 2010, 639

MDR 2010, 501

NJ 2010, 248

NotBZ 2010, 273

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