Leitsatz (amtlich)

Für die Zuteilungsfähigkeit kommt es auf die Frage nicht an, ob ein Antrag auf Aufnahme in eine LPG gestellt worden ist, wenn der Antrag nicht vor dem 6.3.1990 gestellt werden konnte.

 

Normenkette

EGBGB i.d.F. v. 1986 Art. 233 § 12 Abs. 3

 

Verfahrensgang

Brandenburgisches OLG (Urteil vom 12.12.2002)

LG Potsdam

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Beklagten wird unter Zurückweisung im Übrigen das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen OLG v. 12.12.2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung, dem Kläger die Grundstücke der Gemarkung Haage,

Flur 2, Flurstück 83 (Größe: 827 m2),

Flur 3, Flurstück 21 (Größe: 5.416 m2),

Flur 3, Flurstück 121 (Größe: 16.298 m2),

Flur 3, Flurstück 122 (Größe: 8.818 m2),

Flur 3, Flurstück 124 (Größe: 2.092 m2),

Flur 3, Flurstück 191 (Größe: 23.052 m2),

Flur 3, Flurstück 236 (Größe: 48.127 m2),

Flur 1, Flurstück 36/1 (Größe: 47.330 m2)

aufzulassen und die Eintragung des Klägers in das Grundbuch zu bewilligen, zurückgewiesen worden ist.

In diesem Umfang wird das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Potsdam v. 25.10.2001 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Grundstücke aus der Bodenreform.

Die Grundstücke waren zunächst dem Vater der Beklagten, E. T. , aus dem Bodenfonds zugewiesen worden. E. T. und die Mutter der Beklagten, C. T. (Erblasserin), wurden Mitglieder der örtlichen LPG. Nach dem Tod von E. T. wurden die Grundstücke auf die Erblasserin übertragen. 1983 wurde sie in das Grundbuch eingetragen. Als Grundlage der Eintragung wurde der Erwerb durch Nachtragsprotokoll vermerkt.

Die Erblasserin verstarb am 24.2.1990. In ihrem am 6.3.1990 eröffneten Testament hatte sie die Beklagte zu ihrer alleinigen Erbin bestimmt. Eine Berichtigung des Grundbuchs erfolgte bis zum Ablauf des 15.3.1990 nicht.

Die Beklagte war von 1969 bis 1975 für eine andere LPG und fortan für eine KAP arbeitstätig. Auf Grund Kündigung der KAP endete ihr Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.6.1985. Sie erkrankte im Dezember 1985 und ist seitdem nicht mehr arbeitsfähig. Bis zum Beginn ihres Rentenbezugs im November 1990 lebte sie von dem Einkommen ihres Ehemannes, der als LPG-Mitglied in der Landwirtschaft tätig war. Auch ein Sohn der Beklagten war 1990 in der Landwirtschaft tätig.

Das klagende Land (Kläger) verlangt die Auflassung der Grundstücke. Die Beklagte hat ihre Zuteilungsfähigkeit eingewandt und geltend gemacht, sie habe mehrfach ihre Aufnahme in die LPG beantragt. Ihre Anträge seien abgelehnt worden, weil sie im Hinblick auf die Einbringung der Grundstücke in die LPG durch ihren Vater bzw. ihre Mutter über kein Land verfügt habe. Zusammen mit ihrem Mann und ihrem Sohn habe sie nach dem Tod der Erblasserin als Wiedereinrichterin einen landwirtschaftlichen Betrieb führen wollen.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht bejaht einen Auflassungsanspruch des Klägers. Es meint, die Beklagte sei nicht zuteilungsfähig. Beim Tod ihrer Mutter sei sie nicht mehr in der Landwirtschaft tätig gewesen. Dass sie bis zur Beendigung ihrer Berufstätigkeit mehr als zehn Jahre in der Landwirtschaft gearbeitet habe und danach keinen anderen Tätigkeiten mehr nachgegangen sei, führe nicht zur Zuteilungsfähigkeit der Beklagten. Zuteilungsfähig i. S. v. Art. 233 § 12 Abs. 3 2. Alt. EGBGB sei nämlich nur, wer wegen Alters oder Krankheit nach mehr als zehnjähriger Tätigkeit in der Landwirtschaft aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sei. So verhalte es sich bei der Beklagten nicht. Ihr sei vielmehr im Zuge der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zu der KAP ein Arbeitsplatz außerhalb der Landwirtschaft angeboten worden. Dass sie die Aufnahme dieser Tätigkeit abgelehnt habe, könne nicht zu einem rechtlichen Vorteil führen. Dass sie zusammen mit ihrem Mann und ihrem Sohn einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb habe führen wollen, sei rechtlich ohne Bedeutung.

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im Wesentlichen nicht stand.

II.

1. Die Klage ist nicht begründet, soweit der Kläger von der Beklagten die Auflassung der der Erblasserin übertragenen landwirtschaftlichen Nutzflächen verlangt. Insoweit fehlt es an einer besseren Berechtigung des Klägers i. S. v. Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EGBGB.

Art. 233 §§ 11, 12 EGBGB zeichnen die Zuteilungs- und Übertragungsgrundsätze der BesitzwechselVO nach (st. Rspr., vgl. BGH v. 16.2.1996 - V ZR 208/94, BGHZ 132, 71 [77] = MDR 1996, 606; BGHZ 146, 223 [234], Anmerkung der Redaktion offensichtliches Fehlzitat; Urt. v. 7.2.1997 - V ZR 107/96, MDR 1997, 540 = WM 1997, 785 [786]; v. 17.7.1998 - V ZR 117/97, WM 1998, 2205 [2206]). Soweit ein Grundstück hiernach in den Bodenfonds zurückzuführen war und die Rückführung unterlassen worden ist, hat seine Übertragung auf den Fiskus zu erfolgen. Im Auflassungsanspruch des Fiskus setzt sich die unterlassene Rückführung in den Bodenfonds fort (BGH v. 16.2.1996 - V ZR 208/94, BGHZ 132, 71 [78] = MDR 1996, 606; v. 18.7.1997 - V ZR 121/96, BGHZ 136, 283 [289] = MDR 1997, 1112; Urt. v. 21.11.1997 - V ZR 137/96, WM 1998, 405 [407]; v. 17.7.1998 - V ZR 117/97, WM 1998, 2205 [2206]). War ein Grundstück bei der Aufhebung der Besitzwechselverordnung mit Ablauf des 15.3.1990 nicht in den Bodenfonds zurückzuführen, ist für einen Auflassungsanspruch des Fiskus kein Raum (BGH, Urt. v. 7.2.1997 - V ZR 107/96, MDR 1997, 540 = WM 1997, 785 [786]; v. 4.5.2001 - V ZR 21/00, MDR 2001, 1048 = BGHReport 2001, 582 = WM 2001, 1902; v. 3.5.2002 - V ZR 217/01, BGHReport 2002, 767 = MDR 2002, 1054 = NJW 2002, 2241; v. 13.12.2002 - V ZR 358/01, MDR 2003, 499 = BGHReport 2003, 371 = ZfIR 2003, 340). So verhält es sich mit den von der Beklagten geerbten landwirtschaftlichen Nutzflächen.

Der Übertragung der Grundstücke auf die Beklagte gem. § 4 Abs. 1 BesitzwechselVO stand nach dem Tod der Erblasserin allerdings entgegen, dass die Beklagte zu ihrer Bewirtschaftung nicht mehr in der Lage war. Auch eine mittelbare Bewirtschaftung der Grundstücke durch die Beklagte als Mitglied einer LPG (vgl. BGH, Urt. v. 11.4.2003 - V ZR 366/02, MDR 2003, 924 = BGHReport 2003, 927 = VIZ 2003, 441 [442]) schied aus, weil mit dem Tod der Erblasserin zwar die Landlosigkeit der Beklagten als Hindernis für ihre Aufnahme in die LPG entfallen war, ihre Aufnahme jedoch wegen ihrer Erkrankung nicht in Betracht kam. Trotzdem waren die landwirtschaftlichen Nutzflächen nicht aus dem Nachlass in den Bodenfonds zurückzuführen, weil die Beklagte als Erbin von C. T. gem. § 4 Abs. 1, 3 BesitzwechselVO die Übertragung der Grundstücke auf einen Verwandten der Erblasserin verlangen konnte, der die Voraussetzungen der zweckentsprechenden Nutzung der Grundstücke erfüllte. Ob der Ehemann der Beklagten als Verwandter der Erblasserin i. S. v. § 4 Abs. 1 BesitzwechselVO anzusehen ist, kann dahingestellt bleiben. Der Sohn der Beklagten ist es ohne weiteres. Dass er seine Tätigkeit in der Landwirtschaft auch am 15.3.1990 ausübte, hat der Kläger nicht in Abrede gestellt. Dass er bis zum Ablauf des 15.3.1990 keinen Antrag auf Aufnahme in die LPG gestellt hat, ist ohne Bedeutung. Einen solchen Antrag hätte er frühestens nach der Eröffnung des Testaments der Erblasserin am 6.3.1990 stellen können. An diesem Tag hatte die Volkskammer das Landwirtschaftsanpassungsgesetz beschlossen und damit die Beendigung der kollektiven Landwirtschaft in der DDR eingeleitet. Seit diesem Zeitpunkt kann ein Antrag auf Aufnahme in eine LPG als Voraussetzung der Übertragung landwirtschaftlicher Nutzflächen gem. § 3 Abs. 1 BesitzwechselVO nicht mehr verlangt werden (vgl. BGH, Urt. v. 4.5.2001 - V ZR 21/00, MDR 2001, 1048 = BGHReport 2001, 582 = WM 2001, 1902 [1903]).

2. Anders verhält es sich hinsichtlich des Flurstücks 36/2 der Flur 1. Bei diesem Grundstück handelt es sich nicht um ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück, sondern um eine Straßenverkehrsfläche. Nach Art. 233 § 11 Abs. 3 S. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EGBGB schuldet die Beklagte dem Kläger die Auflassung dieses Grundstücks und die Bewilligung zu seiner Eintragung in das Grundbuch. Art. 233 § 12 Nr. 2 Buchst. c EGBGB bildet einen Auffangtatbestand, nach dem alle Grundstücke an den Fiskus des Landes aufzulassen sind, in dem sie belegen sind, die nicht zu landwirtschaftlichen oder zu Wohnzwecken genutzt worden sind (BGH v. 4.5.2001 - V ZR 21/00, BGHZ 132, 71 [78] = MDR 2001, 1048 = BGHReport 2001, 582).

Das 294 m2 große Flurstück 36/2 ist nach den vorgelegten Grundbuchauszügen aus dem früher als Flurstück 8/20 bezeichneten Waldgrundstück durch Teilung hervorgegangen. Das kann der Senat selbst feststellen, weil weiteres Vorbringen der Parteien hierzu nicht zu erwarten ist. Das Grundstück hätte vor seiner Inanspruchnahme für die Fernstraße 188 in den Bodenfonds zurückgeführt und aus diesem in Volkseigentum im allgemeinen Sinne überführt werden müssen. Das ist unterlassen worden. Die unterlassene Rückführung führt zu einem Auflassungsanspruch des Klägers.

Die von der Beklagten gegen die Verfassungsmäßigkeit von Art. 233 §§ 11 ff. EGBGB und ihre Vereinbarkeit mit der Europäischen Menschenrechtskonvention erhobenen Bedenken greifen insoweit schon deshalb nicht durch, weil es sich bei dem Grundstück nicht um ein Grundstück handelt, das durch die Aufhebung der Beschränkungen, die für die Grundstücke aus der Bodenreform bis zum In-Kraft-Treten des Gesetzes über die Rechtsstellung der Eigentümer an Grundstücken aus der Bodenreform v. 6.3.1990 galten, in freies Eigentum überführt werden sollte. Zweck dieses Gesetzes war es, die einer freien landwirtschaftlichen Nutzung entgegenstehenden Beschränkungen der Bodenreformverordnungen zu beseitigen. Damit hat die Nachzeichnung der wegen seiner Inanspruchnahme als Straßenverkehrsfläche gebotenen Rückführung eines Grundstücks in den Bodenfonds durch den geltend gemachten Auflassungsanspruch nichts zu tun (BGH, Urt. v. 22.3.2002 - V ZR 192/01, VIZ 2002, 483).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO. Das Unterliegen der Beklagten ist verhältnismäßig geringfügig und veranlasste keine besonderen Kosten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1111920

BGHR 2004, 645

EBE/BGH 2004, 1

FamRZ 2004, 701

VIZ 2004, 233

NJ 2004, 217

AuUR 2004, 186

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