Entscheidungsstichwort (Thema)

Selbstständiges Beweisverfahren. Mängelansprüche mehrerer Vertragspartner aus einem Bauvertrag. Klageerhebung eines Vertragspartners. Entscheidung über die gesamten Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens. Unzulässige Teilkostenentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Beschluss gem. § 494a Abs. 2 ZPO kann nicht ergehen, wenn mehrere Antragsteller wegen ihnen zustehender Mängelansprüche aus einem Bauvertrag ein selbständiges Beweisverfahren durchgeführt haben und der Antragsgegner daraufhin von einem der Antragsteller, der zugleich Rechtsnachfolger des anderen Antragstellers hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Ansprüche geworden ist, im Klagewege in Anspruch genommen wird.

 

Normenkette

ZPO § 494a Abs. 2

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OLG (Beschluss vom 17.07.2006; Aktenzeichen 16 W 57/06)

LG Itzehoe (Entscheidung vom 22.03.2006; Aktenzeichen 3 OH 28/02)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des 16. Zivilsenats des OLG Schleswig in Schleswig vom 17.7.2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es im Tenor des angefochtenen Beschlusses statt "Antragsgegner zu 2.)" richtig "Antragsteller zu 2)" heißt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I.

[1] Die Antragsgegnerin errichtete für die Antragsteller in deren Auftrag ein Wohnhaus. Die Antragsteller haben wegen Mängeln gegen die Antragsgegnerin ein selbständiges Beweisverfahren vor dem LG durchgeführt. Der Sachverständige hat Mängel festgestellt, für deren Beseitigung er Kosten i.H.v. etwa 200.000 EUR ermittelt hat. Die Antragsgegnerin hat ihrer Subunternehmerin den Streit verkündet. Diese ist dem Verfahren auf Seiten der Antragsgegnerin beigetreten.

[2] Nach Abschluss dieses Verfahrens hat das LG auf Antrag der Streithelferin den Antragstellern gem. § 494a ZPO aufgegeben, binnen drei Monaten Klage zu erheben. Nachdem innerhalb der Frist keine Klage erhoben worden war, haben die Antragsgegnerin und ihre Streithelferin beantragt, den Antragstellern die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen. Daraufhin hat die Antragstellerin zu 1) Klage gegen die Antragsgegnerin eingereicht, mit der sie auch Ansprüche des Antragstellers zu 2) aus abgetretenem Recht geltend macht.

[3] Das LG hat den Kostenantrag gegen die Antragstellerin zu 1) zurückgewiesen, dem Antragsteller zu 2) hingegen die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens, die der Antragsgegnerin sowie ihrer Streithelferin entstanden sind, auferlegt. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers zu 2) hat das Beschwerdegericht auch die gegen ihn gerichteten Kostenanträge zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde möchte die Antragsgegnerin die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Antragstellers zu 2) erreichen.

II.

[4] Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

[5] 1. Das Beschwerdegericht (OLG Schleswig v. 17.7.2006 - 16 W 57/06, OLGReport Schleswig 2006, 768 = IBR 2007, 167; Volltext unter ibr-online.de) führt aus, das LG habe eine unzulässige Teilkostenentscheidung getroffen, indem es dem Antragsteller zu 2) die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auferlegt habe. Eine solche Teilkostenentscheidung widerspreche sowohl dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung als auch dem Sinn und Zweck des § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO. Der Antragsteller zu 2) habe nicht auf die Hauptsacheklage verzichtet; entscheidend sei, dass es überhaupt zur Klage in der Hauptsache gekommen sei, in der über die gesamten Kosten des selbständigen Beweisverfahrens entschieden werden könne. Bei einer Teilkostenentscheidung bestehe die Gefahr einander widersprechender gerichtlicher Entscheidungen. Die Antragsgegnerin habe kein berechtigtes Interesse an einer Teilkostenentscheidung zu Lasten des Antragstellers zu 2).

[6] 2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Beschwerdegericht angenommen, dass die Klage der Antragstellerin zu 1) gegen die Antragsgegnerin einer Kostenentscheidung gem. § 494a Abs. 2 ZPO auch gegen den Antragsteller zu 2) entgegensteht.

[7] a) Dass die Antragstellerin zu 1) die Klage erst nach Ablauf der gem. § 494a Abs. 1 ZPO gesetzten Frist erhoben hat, ist unerheblich; es genügt, dass sie die Klage erhoben hat, bevor das LG über den Kostenantrag gem. § 494a Abs. 2 ZPO entschieden hat (vgl. BGH, Beschl. v. 28.6.2007 - VII ZB 118/06, in juris dokumentiert).

[8] b) Ein Beschluss gem. § 494a Abs. 2 ZPO kann nicht ergehen, wenn mehrere Antragsteller wegen ihnen zustehender Mängelansprüche aus einem Bauvertrag ein selbständiges Beweisverfahren durchgeführt haben und der Antragsgegner daraufhin von einem der Antragsteller, der zugleich Rechtsnachfolger des anderen Antragstellers hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Ansprüche geworden ist, im Klagewege in Anspruch genommen wird.

[9] § 494a ZPO soll die Lücke schließen, die entsteht, wenn der Antragsteller nach der Beweisaufnahme auf eine Hauptsacheklage verzichtet (BGH, Beschl. v. 24.6.2004 - VII ZB 11/03, MDR 2004, 1373 = BGHReport 2004, 1528 = BauR 2004, 1485, 1486 = NZBau 2004, 507 =). Kommt es nicht zu einer Hauptsacheentscheidung, soll der Antragsgegner kostenrechtlich durch § 494a ZPO so gestellt werden, als habe er obsiegt (BGH, Beschl. v. 24.6.2007 - VII ZB 118/06, a.a.O.). Diesem Zweck des § 494a ZPO, der als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 24.6.2004 - VII ZB 11/03, MDR 2004, 1373 = BGHReport 2004, 1528 = a.a.O.), ist Genüge getan, wenn von mehreren Vertragspartnern, die wegen ihnen zustehender Mängelansprüche aus einem Bauvertrag ein selbständiges Beweisverfahren durchgeführt haben, einer Klage wegen dieser Ansprüche erhebt. In diesem Rechtsstreit wird grundsätzlich über die gesamten Kosten des selbständigen Beweisverfahrens entschieden. Damit ist der Antragsgegner in dem von § 494a ZPO bezweckten Umfang geschützt.

[10] Ob etwas anderes gilt, wenn ein Antragsteller in dieser Fallgestaltung lediglich deshalb allein Klage erhebt, weil er mittellos ist und daher eine Kostenerstattung von ihm faktisch nicht erlangt werden kann, kann dahinstehen. Das Beschwerdegericht hat für ein solches rechtsmissbräuchliches Verhalten nichts festgestellt. Es hat ausgeführt, dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Antragstellerin zu 1) lediglich vorgeschoben worden sei, weil sie selbst mittellos sei. Hiergegen hat die Rechtsbeschwerde nichts Durchgreifendes erinnert. Mit dem bloßen Hinweis auf den Prozesskostenhilfeantrag der Antragstellerin zu 1) hat die Antragsgegnerin jedenfalls ihrer Darlegungslast für einen Rechtsmissbrauch durch die Antragsteller nicht genügt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1806221

BGHR 2008, 35

BauR 2007, 1933

EBE/BGH 2007

NJW-RR 2008, 330

IBR 2008, 245

ZAP 2007, 1326

MDR 2007, 1445

ZfBR 2007, 786

AGS 2008, 141

NJW-Spezial 2007, 476

NZBau 2007, 780

RENOpraxis 2007, 155

RVGreport 2007, 440

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