Alexander C. Blankenstein
Der Deutsche Bundestag hat im Juli 2024 das "Gesetz zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen, zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten und zur Übertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten für Erneuerbare-Energien-Anlagen" beschlossen. Es wird am Tag nach seiner Verkündung – voraussichtlich im Oktober oder November 2024 – im Bundesgesetzblatt in Kraft treten, zuvor noch den Bundesrat passieren müssen, was allerdings eine reine Formsache bleiben dürfte.
§ 23 Abs. 2a Satz 1 WEG sieht insoweit vor, dass die Wohnungseigentümer mit einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen beschließen können, dass die Versammlungen innerhalb eines Zeitraums von längstens 3 Jahren ab Beschlussfassung ohne physische Präsenz der Wohnungseigentümer und des Verwalters an einem Versammlungsort stattfindet oder stattfinden kann. Die bereits bestehende Kompetenz zur einfachmehrheitlichen Beschlussfassung zur Ermöglichung der Online-Teilnahme an Präsenzversammlungen (Hybrid-Versammlung) soll unverändert bestehen bleiben. Die Wohnungseigentümer würden künftig also die Wahl haben, Eigentümerversammlungen in Präsenz, hybrid oder rein virtuell durchzuführen.
Wird der Beschluss allerdings vor dem 1.1.2028 gefasst, muss nach § 48 Abs. 6 Satz 1 WEG-E mindestens eine Präsenzversammlung im Jahr durchgeführt werden, so die Wohnungseigentümer hierauf nicht durch einstimmigen Beschluss verzichten. Werden ohne entsprechende Beschlussfassung dennoch lediglich virtuelle Eigentümerversammlungen durchgeführt, führt dieser Verstoß jedoch nach § 48 Abs. 6 Satz 2 WEG-E nicht zur Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit der in den virtuellen Versammlungen gefassten Beschlüsse. Die Wohnungseigentümer können aber die Durchführung einer Präsenzversammlung gerichtlich durchsetzen.
Vereinbarte virtuelle Eigentümerversammlung
Sieht eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer (etwa die Gemeinschaftsordnung) die Möglichkeit der Durchführung von Eigentümerversammlungen in virtueller Form vor, ist die Bestimmung des § 48 Abs. 6 WEG-E insgesamt nicht anwendbar. Ihr Anwendungsbereich ist beschränkt auf Beschlüsse, mit denen die Wohnungseigentümer die Möglichkeit der Durchführung von Eigentümerversammlungen in virtueller Form regeln.
Beschlussalternativen
Zunächst können die Wohnungseigentümer für einen bestimmten Zeitraum – maximal 3 Jahre – beschließen, dass Eigentümerversammlungen als reine Online-Versammlungen durchzuführen sind.
- Wird dieser Beschluss vor dem 1.1.2028 gefasst, muss bis einschließlich 2028 jährlich mindestens eine Präsenzversammlung bzw. Hybridversammlung durchgeführt werden, so die Wohnungseigentümer hierauf nicht durch einstimmigen Beschluss verzichten.
- Innerhalb dieses Zeitraums können sie beschließen, dass Wohnungseigentümerversammlungen generell wieder hybrid durchgeführt werden, wenn dies ursprünglich beschlossen worden ist, oder als reine Präsenzversammlungen, wenn ursprünglich nicht beschlossen wurde, dass Eigentümerversammlungen hybrid durchzuführen sind.
Die Wohnungseigentümer können auch beschließen, dass Eigentümerversammlungen als reine Online-Versammlungen durchgeführt werden können. Durch Geschäftsordnungsbeschlüsse können sie die konkreten Details regeln.
- So könnte beispielsweise beschlossen werden, dass die ordentliche jährliche Eigentümerversammlung hybrid durchgeführt wird, während außerordentliche Eigentümerversammlungen virtuell durchgeführt werden.
- Wird dies nicht beschlossen, liegt es nach den Vorstellungen des Gesetzgebers dann im Ermessen des Verwalters, ob die Versammlungen rein online oder als Präsenzversammlung durchgeführt werden. Allerdings ist insoweit wiederum zu beachten, dass nach § 48 Abs. 6 Satz 1 WEG-E bis einschließlich 2028 mindestens eine Präsenzversammlung bzw. Hybridversammlung durchgeführt werden muss, wenn der Beschluss über die Durchführung der Eigentümerversammlungen in virtueller Form vor dem 1.1.2028 gefasst wurde. Auf dieses Erfordernis können die Wohnungseigentümer allerdings durch einstimmigen Beschluss verzichten. Soweit die Wohnungseigentümer bereits einen Beschluss gefasst haben über die Ermöglichung der Teilnahme in elektronischer Form, kann der Verwalter auch bestimmen, dass sie als Hybrid-Versammlung durchgeführt wird.
Vertrauen auf Hybrid-Versammlung
Hatten die Wohnungseigentümer beschlossen, dass Wohnungseigentümern nach § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG die Möglichkeit eingeräumt ist, an Eigentümerversammlungen in elektronischer Form teilzunehmen, wird der Verwalter nicht lediglich eine Präsenzversammlung einberufen können. Entsprechendes könnte wohl auch nicht beschlossen werden, da hier ein Vertrauenstatbestand dahingehend gesehen werden könnte, dass eben die Möglichkeit der Teilnahme auch in elektronischer Form besteht und demgegenüber reine Präsenzversammlungen ein "Minus" darstellen würden.
TOP XX: Einführung einer virtuellen Eigentümerversam...