Die Frage, ob eine bauliche Veränderung die Wohnanlage grundlegend umgestaltet, bedarf stets einer Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls.[1]

Bezugspunkt ist zunächst die Wohnanlage in ihrem Gesamtbestand. Maßgeblich ist, dass lediglich optische Beeinträchtigungen nicht ausreichen, um von einer grundlegenden Umgestaltung ausgehen zu können. Zu prüfen ist daher, wie sehr sich die bauliche Veränderung im konkreten Einzelfall angesichts der Größe und Gestaltung der Wohnanlage auf diese auswirkt. So können zwar

  • zusätzliche Stockwerke,
  • größere Anbauten oder
  • der Abriss ganzer Gebäudeteile

als grundlegende Umgestaltung i. S. d. § 20 Abs. 4 Alt. 1 WEG angesehen werden. Allerdings hängt die Beurteilung dieser Frage erheblich von der Größe und Gestaltung der gesamten Wohnanlage ab, da diese der Bezugspunkt nach § 20 Abs. 4 Alt. 1 WEG ist.

Auch eine Veränderung des optischen Gesamteindrucks kann im Einzelfall so erheblich sein, dass eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage zu bejahen ist. Dabei ist aber wiederum der Charakter des § 20 Abs. 4 Alt. 1 WEG als Ausnahmeregelung zu berücksichtigen. Bloße Disharmonien und die optische Veränderung als solche reichen dafür nicht. Entscheidend ist, ob der Eingriff in die äußere Gestalt der Wohnanlage so "krass" ist, dass er das Gesicht bzw. das charakteristische Aussehen der Wohnanlage als Ganzes verändert.[2]

Charakteristisches Aussehen eines Gebäudes

Maßgeblich ist daher, ob durch eine bauliche Veränderung das charakteristische Aussehen einer Wohnungseigentumsanlage maßgeblich umgestaltet wird, das sich von benachbarten Gebäuden abhebt.

 
Praxis-Beispiel

Charakteristisches Aussehen

Das charakteristische Aussehen eines Gebäudes kann darin bestehen, dass das Gebäude z. B. ein Jugendstilhaus oder Haus im Bauhausstil ist oder das Gebäude als Plattenbau errichtet worden ist etc.[3]

Zweifellos zu einer grundlegenden Umgestaltung würde es führen, wenn das im Villenstil errichtete Gebäude zu einem Bauhausobjekt umgestaltet oder der parkähnlich angelegte Außenbereich Kfz-Stellplätzen weichen würde.[4]

Keine grundlegende Umgestaltung

Von einer grundlegenden Umgestaltung ist andererseits dann nicht auszugehen, wenn der optische Gesamteindruck nachteilig verändert wird oder ein uneinheitlicher Gesamteindruck entsteht.

Das ist der Fall, wenn beispielsweise nur einzelne Balkone an der Front eines Hauses, nicht aber alle verglast werden oder beim Bau von Dachgauben in einer vorhandenen Dachgeschosswohnung die Symmetrie des Hauses nicht eingehalten wird. Insbesondere hinsichtlich des Anbaus von Balkonen dürfte nicht entscheidend sein, dass es zu einem uneinheitlichen Erscheinungsbild kommt. Werden also lediglich an einigen Wohnungen Balkone angebaut, liegt noch keine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage vor.

Zweifellos führen etwa Markisen, Klimageräte oder Katzennetze niemals zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage. Unzweifelhaft stellt auch die Beseitigung eines Sichtschutzelements zwischen 2 Balkonabschnitten nach Zusammenlegung zweier Wohnungen keine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage dar.[5]

Entsprechendes gilt unzweifelhaft auch für die Installation eines Rauchabzugs für einen kleinen Holzofen im Wohnzimmer einer Sondereigentumseinheit. Auch eine Aufstockung um eine Etage führt nicht zu einer grundlegenden Umgestaltung, wenn das Gebäude bereits über mehrere Geschosse verfügt. Entsprechendes gilt für untergeordnete Anbauten wie Wintergärten oder Garagen.[6]

Auch eine Terrassenüberdachung und ein Sichtschutzzaun führen nicht zu einer "Umgestaltung" der Wohnanlage.[7]

Grundlegende Umgestaltung bei privilegierten Maßnahmen

Eine grundlegende Umgestaltung wird also nur ausnahmsweise und bei Vorliegen einer der in § 20 Abs. 2 WEG aufgeführten privilegierten Maßnahmen typischerweise gar nicht anzunehmen sein.[8] Hat die beschlossene Maßnahme der baulichen Veränderung also Maßnahmen

  • der Barrierefreiheit,
  • des Ladens von E-Mobilen,
  • des Einbruchsschutzes,
  • der Anbindung an ein Hochgeschwindigkeits-Kommunikationsnetz oder
  • der Energieversorgung mittels Balkonkraftwerks[9]

zum Inhalt, dürfte eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage nach Auffassung des Gesetzgebers "zumindest typischerweise gar nicht anzunehmen sein".[10]

Insoweit kann aber im konkreten Einzelfall etwas anderes gelten, was allerdings auch dann nicht angenommen wurde, wenn ein Außenaufzug an ein unter Denkmalschutz stehendes Hinterhaus eines aus 2 Gebäuden bestehenden Ensembles angebaut wird.[11]

Eine grundlegende Umgestaltung wurde auch nicht in der Aufschüttung einer Terrasse um 65 cm gesehen, um dort unter Errichtung einer Rollstuhlrampe und Auswechseln eines Fensters gegen ein Türelement im Bereich der Loggia einer Hochparterre-Wohnung einen barrierefreien Zugang zu schaffen.[12]

[2] AG München, Urteil v. 10.2.2022, 1294 C 13970/21, ZMR 2022, 510.
[3] AG München, a. a. O.; Elzer in BeckOK-WEG, § 22 Rn....

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