Leitsatz (amtlich)

1. § 15 Abs. 2 InsO ist entsprechend anzuwenden auf das Verhältnis zwischen dem Abwickler nach § 37 Abs. 2 KWG und den Organen des Schuldners.

2. Sonderinsolvenzverfahren analog §§ 315 ff. InsO auch bei Ausscheiden des einzigen Kommanditisten einer GmbH und Co. KG und Gesamtrechtsnachfolge des einzigen Komplementärs.

3. Abwicklungsmaßnahmen nach § 37 Abs. 1 KWG können die örtliche Zuständigkeit nach § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO an den Ort verschieben, an dem der Abwickler schwerpunktmäßig seine Abwicklungstätigkeit durchführt.

 

Tenor

In dem Insolvenzeröffnungsverfahren wird der Eröffnungsantrag des Antragstellers vom 29.04.2005 als unzulässig abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Gegenstandswert (§ 58 GKG): EUR …

 

Gründe

Der Eröffnungsantrag ist unzulässig.

I. Der Schuldnerin, einer zweigliedrigen GmbH & Co. KG, wurde mit Verfügung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht „BaFin”) vom 13.8.2004 das Betreiben unerlaubter Finanzkommissionsgeschäfte untersagt und die Abwicklung der Geschäfte aufgegeben (§ 37 Abs. 1 Satz 2 KWG). Der Antragsteller wurde von der BaFin am selben Tage als Abwickler i.S.v. § 37 Abs. 1 KWG eingesetzt. Die Verfügung ist bisher nicht bestandskräftig; die Herstellung der aufschiebenden Wirkung des dagegen von der durch ihren Geschäftsführer vertretenen Schuldnerin erhobenen Widerspruchs wurde letztinstanzlich durch den Hessischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 23.3.2005 abgelehnt (Az.: 6 TG 3676/04). Der Gesellschaftsvertrag der Schuldnerin nennt in § 2 Abs. 1 als Gegenstand des Unternehmens den „Erwerb, das Halten und die Veräußerung von Fondsanteilen sowie von Beteiligungen im Bereich Private Equity als direkte Investition jeweils im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, ohne dabei Dienstleistungen für Dritte zu erbringen”. Die „Anleger” beteiligten sich über Treuhandverträge, die sie mit der Treuhandkommanditistin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, schlossen. Direkte gesellschaftsrechtliche Beziehungen der Anleger zu der Schuldnerin bestehen nicht. Über das Vermögen der Treuhandkommanditistin wurde am 22.4.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet (AG Hamburg, Az.: 67a IN 190/05).

Gesellschaftsrechtlich ist an der Schuldnerin als einzige Komplementärin eine weitere Gesellschaft mit beschränkter Haftung beteiligt, für die ebenfalls nach § 37 Abs. 2 KWG Insolvenzantrag durch den Antragsteller als Abwickler nach § 37 Abs. 1 KWG gestellt wurde.

Mit Insolvenzantrag vom 29.4.2005 beantragte der Abwickler für die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Aufgrund eines vom Abwickler erstellten Gutachtens wurde die sofortige Eröffnung des Insolvenzverfahrens angeregt. Das Gericht hat dem Geschäftsführer der Schuldnerin rechtliches Gehör gewährt.

II. Der Insolvenzantrag ist unzulässig.

a) Das Amtsgericht Hamburg ist allerdings – entgegen der Rechtsauffassung des Geschäftsführers der Schuldnerin – örtlich zuständig. Der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit der Schuldnerin liegt in Hamburg als einem anderen Ort als demjenigen ihres allgemeinen Gerichtsstandes (§ 3 Abs. 1 Satz 2 InsO). Dies wurde bereits im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Treuhandkommanditistin zutreffend bejaht und stellt sich auch in diesem Fall nicht anders dar. Zwar ist die Schuldnerin aufgrund der vollziehbaren Verfügung der BaFin im Sinne des Gesellschaftsrechts nicht von einem werbenden zu einem abwickelnden Gesellschaftszweck übergegangen. Denn die Abwicklungsverfügung bezieht sich lediglich auf die Abwicklung der unerlaubten Bankgeschäfte, nicht aber auf die gesellschaftsrechtliche Abwicklung der Schuldnerin i.S.v. §§ 161 Abs. 2, 145 ff. HGB. Da jedoch die in § 2 des Gesellschaftsvertrags als Gegenstand des Unternehmens genannten Geschäfte untersagt wurden und diese die wesentliche Tätigkeit der Schuldnerin ausmachten, sind die Überlegungen der ganz überwiegenden und zutreffenden Meinung entsprechend heranzuziehen, nach denen die in § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO genannte wirtschaftliche Tätigkeit auch Maßnahmen im (gesellschaftsrechtlichen) Abwicklungsstadium umfaßt (vgl. LG Hamburg, ZInsO 2000, 118; Gerhardt, in: Jaeger, Insolvenzordnung, Bd. 1, 2004, § 3, Rn. 25).

Da der Abwickler zur Abwicklung der unerlaubten Geschäfte entsprechend der Verfügung 13.8.2004 der BaFin berechtigt ist und seine Abwicklertätigkeit von den Räumen seiner in Hamburg belegenen Rechtsanwaltskanzlei aus durchführt, ist von einem Mittelpunkt der Tätigkeit in Hamburg auszugehen.

Selbst wenn die Geschäftsadresse in Neu-Isenburg noch bestünde, worauf sich die Schuldnerin durch ihren Geschäftsführer beruft, gilt i.E. nichts anderes, da die Abwicklungstätigkeit nunmehr die wesentliche wirtschaftliche Betätigung der Schuldnerin darstellt, da entsprechend der Zielsetzung der Abwicklung nach § 37 Abs. 1 KWG die Erfüllung bestehender vertraglicher Pflichten ausgeschlossen ist (anders bei der Abwicklung nach § 38 Abs. 1 KWG; vgl. Boos...

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