Innergemeinschaftliches Verbringen in der Buchhaltung

Unter der Rubrik „Aus der Praxis ‒ für die Praxis“ greifen wir Kundenanfragen aus dem Bereich Jahresabschluss, Buchhaltung und Steuern auf, die ein Fachautor für uns beantwortet. Heute geht es um die Frage, wie ein Fall des innergemeinschaftlichen Verbringens, das z.B. in der Zusammenarbeit mit Amazon entsteht, umsatzsteuerlich richtig bewertet und in der Buchhaltung abgebildet wird.

Lieferung in ein Lager im europäischen Ausland (innergemeinschaftliches Verbringen)

Das innergemeinschaftliche Verbringen eines Gegenstands gilt unter der Voraussetzung des § 3a Abs. 1a UStG als Lieferung und unter den Voraussetzungen des § 1a Abs. 2 UStG als innergemeinschaftlicher Erwerb gegen Entgelt. Ein innergemeinschaftliches Verbringen liegt also vor, wenn der Unternehmer

  • einen Gegenstand seines Unternehmens aus dem Gebiet eines EU-Mitgliedstaats (Ausgangsmitgliedstaat) zu seiner Verfügung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats (Bestimmungsmitgliedstaat) befördert oder versendet und

  • den Gegenstand im Bestimmungsstaat nicht nur vorübergehend verwendet.

Wann das Verbringen zu einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung wird

Das Umsatzsteuerrecht enthält also einen Fiktionstatbestand für die Fälle, in denen ein Unternehmer zu seiner Verfügung Gegenstände in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbringt. Werden die Gegenstände im Anschluss unmittelbar zur Ausführung steuerbarer Umsätze genutzt, führt dieses Verbringen im Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung zu einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung. Ein innergemeinschaftliches Verbringen, bei dem der Gegenstand aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland gelangt, gilt nach § 1a Abs. 2 UStG als innergemeinschaftlicher Erwerb.

Was die Übergabe an ein Konsignationslager bewirkt

Wenn ein Unternehmer Waren liefert, diese Waren aber vor der Übergabe an den Leistungsempfänger noch in einem Konsignationslager (Zwischenlager) aufbewahrt werden, kann es sich

  • zum einen um eine sofort vom leistenden Unternehmer ausgeführte Lieferung an den Kunden handeln. Steht der Abnehmer der Ware schon bei Beginn des Warentransports fest und steht auch fest, dass er diese Ware verbindlich abnimmt, liegt schon mit dem Transportbeginn eine Beförderungs- oder Versendungslieferung vor, die zu einem steuerbaren Umsatz im Ausgangsmitgliedstaat führt. Der liefernde Unternehmer führt in diesem Staat eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung aus. Eine umsatzsteuerrechtliche Erfassung im Bestimmungsland erfolgt in diesem Fall nicht. Der Käufer muss korrespondierend dazu im Bestimmungsmitgliedstaat einen innergemeinschaftlichen Erwerb der Besteuerung unterwerfen.

  • zum anderen auch um ein innergemeinschaftliches Verbringen handeln, dass für den liefernden Unternehmer zwingend eine Veranlagung im Bestimmungsmitgliedstaat nach sich zieht. Das ist der Fall, wenn der Abnehmer der Ware bei Beginn des Warentransports noch nicht feststeht (z. B. weil mehrere Kunden auf das Konsignationslager zugreifen können) oder sich ein bestimmter Abnehmer noch nicht verpflichtet hat, die Gegenstände der Lieferung verbindlich abzunehmen. Der liefernde Unternehmer muss dann zunächst ein innergemeinschaftliches Verbringen zu seiner eigenen Verfügung nach § 3 Abs. 1a und § 1a Abs. 2 UStG in den beiden Mitgliedstaaten besteuern. Anschließend – bei Entnahme der Gegenstände durch den Kunden aus dem Konsignationslager – liegt eine steuerbare Lieferung durch den leistenden Unternehmer im Bestimmungsmitgliedstaat vor.

Bemessungsgrundlage: Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb sind nach dem Einkaufswert zuzüglich Nebenkosten für den Gegenstand oder, mangels eines Einkaufspreises, nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes und ohne Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG) zu versteuern.

Was der Unternehmer beim Verkauf über Onlineportale beachten muss

Konsequenz: Verkauft ein Unternehmer seine Ware über Amazon oder ein anderes Onlineportal, gibt es zwei Varianten:

  • Der Unternehmer versendet die Ware an den Kunden, der die Ware zuvor beim Onlineportal (z.B. Amazon) bestellt hat, oder

  • er sendet seine Waren an ein Lager, das von Amazon vorgegeben wird (= Konsignationslager). Die Ware, die sich im Konsignationslager befindet, gehört - bis zur Versendung durch Amazon an den Endkunden - dem Unternehmer.

Solange sich die Waren in einem Lager in Deutschland befinden, ergeben sich keine umsatzsteuerlichen Konsequenzen. Anders sieht es allerdings aus, wenn die Ware aus einem inländischen Lager in ein Lager in einem anderen EU-Land zu seiner eigenen Verfügung transportiert wird. Der liefernde Unternehmer führt dann zunächst ein innergemeinschaftliches Verbringen zu seiner eigenen Verfügung nach § 3 Abs. 1a UStG durch, das in beiden Mitgliedstaaten zu erfassen ist (vgl. Abschn. 1a.2 UStAE). Anschließend – bei Entnahme der Gegenstände durch den Kunden aus dem Konsignationslager (= Verkauf durch Amazon) – liegt eine steuerbare Lieferung durch den leistenden Unternehmer im Bestimmungsmitgliedstaat vor. Transportiert ein deutscher Unternehmer (ggf. über Amazon) Gegenstände in ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet unterhaltenes Konsignationslager (sog. Outboundfälle), richten sich die umsatzsteuerrechtlichen Rechtsfolgen nach den Regelungen und Verwaltungsanweisungen, die in diesem Staat gelten.

Der Unternehmer bewirkt in dem Mitgliedstaat, in den die Gegenstände körperlich gelangen, einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb. Dies erfordert, dass der Unternehmer in beiden Mitgliedstaaten umsatzsteuerlich registriert ist und die entsprechenden Deklarationspflichten erfüllt. Bedeutung hat die Lieferung "an sich selbst" im anderen EU-Mitgliedstaat insbesondere für das Betreiben von Auslieferungslagern

Was aus den Buchführungsunterlagen ersichtlich sein muss und wie richtig gebucht wird

Aufzeichnungspflichten: Gemäß § 22 Abs. 4a UStG sollen auch die nicht steuerbaren unternehmensinternen Verbringungsfälle für Kontrollzwecke gesondert aufgezeichnet werden. Dabei reicht es aus, wenn sich die Angaben aus Buchführungsunterlagen, Versandpapieren, Karteien, Dateien oder anderen im Unternehmen befindlichen Unterlagen entnehmen lassen.

Vorgang innerhalb der Buchführung: Das Verbringen von Gegenständen in das Bestimmungsmitgliedsland ist zwar einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellt. Sie ist in Deutschland regelmäßig umsatzsteuerfrei. Das Konto "steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung“ ist ein Erlöskonto. Dieses Konto kann somit nicht verwendet werden, da ertragsteuerlich noch kein Erlös vorliegt. Die Buchung muss allerdings klarmachen, dass sich der Lagerort der Ware geändert hat.

Der ursprüngliche Einkauf der Waren wurde in der Buchführung auf das Konto „Wareneingang“ gebucht. Bei der Herstellung von eigenen Produkten wird der „Materialeinkauf“ gebucht. Wird ein Teil der Ware in ein Lager verbracht, das sich in einem anderen EU-Land befindet, müssen die hierauf entfallenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf ein (ggf. neu einzurichtendes) Konto „Waren im Konsignationslager“ umgebucht werden. Der Vorgang sollte durch Buchungstexte entsprechend erläutert werden. Belege zu dem Vorgang sind – wie andere Belege – zumindest in Kopie zu den Buchführungsunterlagen zu nehmen.

Rückführung in ein deutsches Warenlager: Werden Gegenstände (Waren), die sich in einem Konsignationslager im EU-Ausland befinden, wieder in ein deutsches Lager zurücktransportiert, handelt es sich insoweit um einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb. Das heißt, dass ein innergemeinschaftlicher Erwerb für Gegenstände zu erfassen ist, die von einem Lager im EU-Ausland in ein inländisches Lager transportiert werden und sich sowohl zu Beginn als auch am Ende der Beförderung in der Verfügungsmacht desselben Unternehmers befinden.

Praxis-Beispiel: Transport in ein polnisches Amazon-Lager

Amazon hat Ware eines Unternehmers in das Amazon-Lager in Polen transportiert (= innergemeinschaftliches Verbringen). Einige Zeit später transportiert Amazon einen Teil dieser Ware wieder zurück in sein inländisches Lager. Der Unternehmer, dem die Ware gehört, führt einen innergemeinschaftlichen Erwerb aus, den er wie folgt bucht: „Innergemeinschaftlicher Erwerb an Waren im Konsignationslager“.

Außerdem muss er die Umsatzsteuer und den Vorsteuerabzug zutreffend erfassen. Der Buchungssatz lautet: „Abziehbare Vorsteuer aus innergemeinschaftlichem Erwerb“ an „Umsatzsteuer aus innergemeinschaftlichem Erwerb".

Hinweis: Es kann durchaus sinnvoll sein, neue Konten einzurichten, die exakt der jeweiligen Situation angepasst sind.

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