Incoterms – Keine Relevanz für Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs

Für den Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs und damit auch den zum Vorsteuerabzug Berechtigten wurden immer wieder die Incoterms herangezogen. Das BMF hat nun klargestellt, dass die Incoterms keine Relevanz für den Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs haben.

Einfuhrumsatzsteuer: Vorsteuerabzug

Zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer können die ihnen auf der Eingangsseite berechnete Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen. Hierzu müssen sie die bezogene Leistung oder Lieferung direkt und unmittelbar für eigene umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze verwenden. Entsprechendes gilt für die Einfuhrumsatzsteuer, die entsteht, wenn Waren aus dem Drittland – also Ländern außerhalb der EU – nach Deutschland eingeführt werden. Entsprechend kann der Unternehmer nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände abziehen, die für sein Unternehmen eingeführt worden sind. Das Umsatzsteuerrecht regelt jedoch nicht, welcher Zeitpunkt für den Vorsteuerabzug in Bezug auf die Einfuhrumsatzsteuer maßgeblich ist und woraus sich dieser ergibt. Dieser Zeitpunkt ist auch deshalb relevant, weil er darüber bestimmt, wer der zum Vorsteuerabzug Berechtigte ist. Das kann nur derjenige sein, der im maßgebenden Zeitpunkt die Verfügungsmacht inne hat. Die Finanzverwaltung hatte bislang auch schon in ihren Verwaltungsanweisungen der Rechtsprechung folgend vertreten, dass die Vorschriften über die Bestimmung des Leistungsorts ebenfalls für den Zeitpunkt der Lieferung relevant sind (Abschn. 3.12 Abs. 7 UStAE).

Bewegte und ruhende Lieferung

Umsatzsteuerlich kommen zwei Arten von Lieferungen von Waren in Betracht, wobei der Begriff der Lieferung die Verschaffung der Verfügungsmacht an der zu liefernden Ware bedeutet (§ 3 Abs. 1 UStG): Eine sog. bewegte Lieferung ist eine Lieferung, in welcher die Waren transportiert bzw. von einem zu einem anderen Ort bewegt werden. Die Lieferung gilt dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Zeitpunkt der Lieferung ist gleichfalls der Beginn des Transports, mit dem zugleich die Verfügungsmacht verschafft wird. Der Beginn der Beförderung wird nicht näher bestimmt, die Versendung durch einen Dritten (Beauftragten) beginnt mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten.

Von der bewegten Lieferung zu unterscheiden ist die ruhende Lieferung, die ohne eine Warenbewegung vonstattengeht. Hierunter fallen insbesondere solche Fälle, in denen die Verfügungsmacht durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts, durch Abtretung des Herausgabeanspruchs oder durch Übergabe von Ladescheinen usw. erfolgt. Diese Lieferung wird dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet (§ 3 Abs. 7 UStG). Entsprechend bestimmt sich der Zeitpunkt der Lieferung hiernach. Für das sog. Reihengeschäft gelten seit dem 1.1.2020 leicht geänderte Regelungen.

Maßgeblichkeit für den Vorsteuerabzug der Einfuhrumsatzsteuer

Übertragen auf die Einfuhrumsatzsteuer bedeutet das, dass bei einer Versendungs- oder Beförderungslieferung die Verschaffung der Verfügungsmacht bereits im Drittland mit dem Beginn der Versendung oder Beförderung erfolgt, somit der Beauftragte oder der Abnehmer im Zeitpunkt der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer mit der Einfuhr über die Verfügungsmacht verfügt. Mithin ist der Abnehmer zum Vorsteuerabzug der Einfuhrumsatzsteuer berechtigt.

Einzig im gesetzlich gesondert geregelten Fall des § 3 Abs. 8 UStG, in welchem der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist, steht dem Lieferer oder seinem Beauftragten der Vorsteuerabzug zu. In der Praxis stellte die Finanzverwaltung regelmäßig nicht auf § 3 Abs. 6 und 7 UStG ab, sondern auf die vereinbarten Lieferklauseln (Incoterms). Hieraus ergab sich etwa bei Verwendung der D-Klauseln (DAP, DPU, DDP), dass die Verschaffung der Verfügungsmacht erst am benannten Ort im Inland angenommen wurde. Mithin wurde dem Abnehmer, der hiernach bei Einfuhr nicht über die Verfügungsmacht verfügte, der Vorsteuerabzug versagt. Im Schrifttum war gleichfalls umstritten, worauf abzustellen war.

Incoterms 2020: BMF-Schreiben vom 16.7.2020 stellt Einfluss auf den Leistungszeitpunkt klar

Die Finanzverwaltung hat nunmehr mit Schreiben vom 16.7.2020 Verwaltungsanweisungen um eine Klarstellung ergänzt, aus der sich ergibt, dass die Incoterms für die Bestimmung des Leistungszeitpunkts und damit die Bestimmung der Verschaffung der Verfügungsmacht in Einfuhrsachverhalten irrelevant sind. Vielmehr hat die Bestimmung beider ausschließlich nach den Vorschriften von § 3 Abs. 6 und 7 UStG zu erfolgen. Auf die Incoterms ist mithin nicht (mehr) abzustellen. Entsprechendes soll in Fällen des Reihengeschäfts gelten. Für die Praxis ergibt sich hieraus eine deutliche Vereinfachung, da sich die Frage des Leistungszeitpunkts sowie die für die Bestimmung des zum Vorsteuerabzug Berechtigten relevante Frage der Verschaffung der Verfügungsmacht unmittelbar aus dem Gesetz beantworten lässt.

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