Coronavirus: Auswirkungen auf den Lagebericht nach HGB

Mit der Corona-Pandemie und den offensichtlichen Auswirkungen auf die Wirtschaft, stellt sich für Unternehmen die Frage, inwiefern dieses Ereignis in der Prognose- und Risikoberichterstattung im Lagebericht nach HGB zu berücksichtigen ist.

Darstellung der Corona-Pandemie im Nachtragsbericht oder im Lagebericht der Rechnungslegung des Geschäftsjahres 2019?

An anderer Stelle wurde schon die (mögliche) Berücksichtigung von Auswirkungen des sich ausbreitenden Coronavirus nach HGB aufgezeigt. Eine Berücksichtigung als wertaufhellende Information im Jahresabschluss zum Stichtag 31.12.2019 scheidet aus. Wahrscheinlich ist, dass die Auswirkungen als wertbegründende Ereignisse nach dem Bilanzstichtag von so besonderer Bedeutung waren, dass sie, da sie zwischen dem Stichtag und der Aufstellung (in besonderen Fällen sogar bis zur Feststellung) des Jahresabschlusses 2019 eingetreten sind, als Angabepflicht für mindestens mittelgroße Kapitalgesellschaften nach § 285 Nr. 33 HGB bzw. in Konzernabschlüssen nach § 314 Abs. 1 Nr. 25 HGB zu behandeln und in einem Nachtragsbericht darzustellen waren. Allerdings führt die Forderung zu einer Darstellung der finanziellen Folgen der Corona-Pandemie häufig dazu, dass dies bis zur Aufstellung Ende März 2020 bzw. bis zur Feststellung noch gar nicht einschätzbar war. ist. Daraus resultierten große Herausforderungen für die Risiko- und Prognoseberichterstattung in den Lageberichten des Geschäftsjahrs 2019.

Darstellung der Corona-Pandemie im Lagebericht der Rechnungslegung des Geschäftsjahres 2019/2020 und 2020

Geschäftsjahre spätestens mit dem Stichtag 29.2.2020 haben die Folgen der Corona-Pandemie als wertbegründendes Ereignis im Jahresabschluss zu berücksichtigen und Ansatz und Bewertung anzupassen (siehe Außerplanmäßige Abschreibungen im Jahresabschluss 2019/2020 und 2020 nach HGB,  Coronavirus und Rückstellungen: Ansatz und Bewertung im Jahresabschluss 2019/2020 und 2020 nach HGB, Coronavirus und Ertrags-/DCF-Bewertung: Anpassungen im Rahmen der Bewertung nach HGB/IFRS). Daher sind im Lagebericht dann über die Risiko- und Prognoseberichterstattung hinaus auch in anderen Pflichtbestandteilen des Lageberichts über Auswirkungen von Corona zu berichten (siehe Coronavirus im Lagebericht 2019/2020 und 2020 nach HGB). 

Coronavirus erweist sich als große Herausforderung bei Prognosen gemäß § 289 HGB

Für viele Unternehmen stellt die Unsicherheit der weiteren Entwicklung der Corona-Pandemie eine große Herausforderung für die Prognoseberichterstattung dar– unabhängig davon, ob es um das Geschäftsjahr 2019, nicht kalenderjahrgleiche Geschäftsjahre 2019/2020 oder das Geschäftsjahr 2020 geht. Die Pflicht zur Berichterstattung gilt für mittelgroße und große Kapitalgesellschaften und denen gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften nach § 264a HGB. Nach § 289 Abs. 1 Satz 4 HGB sind im Prognosebericht stets die voraussichtliche Entwicklung der Unternehmung zu beurteilen und zu erläutern sowie die zugrunde liegenden Annahmen der Entwicklungsprognose anzugeben. Insbesondere ist über bestandsgefährdende Risiken zu berichten (DRS 20.148), ggf. durch Bezugnahme auf die entsprechenden Angaben im Anhang des Jahresabschlusses.

In diesem Zusammenhang ist zunächst auf die voraussichtliche Entwicklung der Unternehmung einzugehen, wobei nach DRS 20.126 die bedeutsamsten nichtfinanziellen (nur große Kapitalgesellschaften) und finanziellen Leistungsindikatoren, die auch im Rahmen der Analyse des Geschäftsverlaufs und der Lage des Unternehmens angegeben wurden, zu prognostizieren sind. Der Detaillierungsgrad der in diesem Zusammenhang zu verwendenden Prognosen ist gesetzlich nicht festgelegt. In der Literatur wird grundsätzlich den quantitativen Prognosen der Vorzug gegenüber den qualitativen Prognosen gegeben, da diese im Gegensatz zu rein verbalen Prognosen genauer, aussagekräftiger und ex post überprüfbar sind. DRS 20.129 schreibt hinsichtlich der Prognosegenauigkeit eine Aussage über den Trend (steigend/gleichbleibend/fallend) und die Intensität (etwa stark/erheblich/geringfügig/leicht) vor.

Ein Mindestprognosezeitraum von einem Jahr ab dem Abschlussstichtag wird in DRS 20 als ausreichend betrachtet. Unabhängig vom Detaillierungsgrad der Prognosen sind nach § 289 Abs. 1 Satz 4 HGB die Prämissen der getätigten Prognosen anzugeben, um die Plausibilität der Prognosen durch den Lageberichtsadressaten überprüfbar zu machen. So wären etwa der Stand der Berichterstattung sowie die Erwartungen der weiteren Pandemieentwicklung der WHO oder der Bundesregierung anzugeben. Final sind die Prognosen zum Geschäftsverlauf und zur Lage des Unternehmens in einer Gesamtaussage zu verdichten.

Derzeit lässt sich das Ausmaß der Pandemie für ein Unternehmen kaum abschätzen, da noch sehr große Unsicherheiten über den weiteren Verlauf bestehen. Die Pandemie hat für einen wirtschaftlichen Einbruch der globalisierten Weltwirtschaft gesorgt, der in Teilen und bezogen auf einige Branchen allerdings bereits wieder ausgeglichen wurde. Es ist auch mit einer laufenden Impfkampagne durch den Auftritt der mutierten Viren immer noch nicht abzusehen, wann die Pandemie überwunden sein wird und dann ggf. Nachholeffekte einsetzen werden. Wobei diese auch höchst unterschiedlich für Branchen, Geschäftsmodelle und Unternehmen ausfallen könnten (Dienstleistungen können etwa nur in einem geringeren Maße nachgeholt werden als andere Konsumgüter). Eine Berichtspflicht im Risikobericht besteht grundsätzlich, wenn die möglichen weiteren Entwicklungen zu negativen Abweichungen von Prognosen oder Zielen des Unternehmens führen können, es sich dabei um ein wesentliches Einzelrisiko handelt und andernfalls kein zutreffendes Bild von der Risikolage des Unternehmens vermittelt wird (vgl. DRS 20.11 und 20.146 ff.).

Die außergewöhnliche Unsicherheit aufgrund der nicht absehbaren Aufhebung der politischen Maßnahmen zur Abflachung der Infektionszahlen stellt ggf. besondere Umstände nach DRS 20.133 dar, die die Prognosefähigkeit der Unternehmen wesentlich beeinträchtigt. In diesem Fall sind komparative Prognosen oder die Darstellung der voraussichtlichen Entwicklung der zur internen Steuerung verwendeten finanziellen und nichtfinanziellen Leistungsindikatoren in verschiedenen Zukunftsszenarien unter Angabe ihrer jeweiligen Annahmen ausreichend. Es sind die besonderen Umstände sowie deren Auswirkungen auf die Prognosefähigkeit, den Geschäftsverlauf und die Lage des Konzerns darzustellen.

Relevanz des Coronavirus für Chancen- und Risikobericht

Im Rahmen der Erläuterung der im Prognosebericht beschriebenen voraussichtlichen Entwicklung des Unternehmens soll im Chancen- und Risikobericht explizit auf wesentliche Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung, zu denen die Auswirkungen des Coronavirus ggf. zählen, eingegangen und es sollen die zugrunde liegenden Annahmen angegeben werden. Gerade in der unsicheren Situation erscheint die Darstellung der Annahmen als besonders relevant, bietet sich hier doch die Gelegenheit, später abweichende Entwicklungen zu begründen. Grundsätzlich wird Risiko als eine negative Abweichung und Chance als eine positive Abweichung von einer erwarteten Entwicklung der Unternehmung verstanden. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit ist es jedoch nicht sinnvoll, auf alle Chancen und Risiken einzugehen, denen ein Unternehmen ausgesetzt ist, sondern vielmehr auf wesentliche für die Adressaten entscheidungserhebliche Chancen und Risiken. Über die Auswirkungen des Coronavirus ist primär zu berichten in den beiden Kategorien von Chancen und Risiken:

  • rechtliche sowie wirtschaftliche Risiken, die den Fortbestand der Unternehmung gefährden, und
  • Chancen und Risiken mit wesentlichem potenziellem Einfluss auf die Entwicklung der Gesellschaft, wobei die Entscheidung über die Wesentlichkeit der Chancen und Risiken im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens der Unternehmensleitung liegt.

Bezüglich der Bewertung soll im Chancen- und Risikobericht auf die Eintrittswahrscheinlichkeiten potenzieller Chancen und Risiken sowie auf ihre möglichen Auswirkungen auf die voraussichtliche Entwicklung eingegangen werden.
Weiterhin sind die Chancen und Risiken entweder brutto, d. h. vor einer Berücksichtigung der Maßnahmen zur Steuerung der Chancen und Risiken, oder netto, d. h. nach einer Berücksichtigung der Maßnahmen zur Steuerung (wie z.B. Einbindung von Ersatzlieferanten) anzugeben. Insbesondere betroffen von dieser Option ist die Risikoberichterstattung, wenngleich die Regelung entsprechend für die Chancenberichterstattung gilt, die jedoch im Zusammenhang mit dem Coronavirus sicher nur ganz ausgewählte Branchen haben können.

Durch die Berichterstattung über die Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung soll der Lageberichtsadressat, wie z. B. der Aufsichtsrat oder aktuelle und potentielle Anteilseigner, sich selbstständig ein Bild über die Chancen und Risiken, ihre Eintrittswahrscheinlichkeit sowie ihre Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung und voraussichtliche Lage der Unternehmung machen können. Daher ist über die (zu erwartenden) Folgen der Corona-Pandemie hier ausführlich, zeitnah vor der Aufstellung mit ggf. nötiger Aktualisierung vor der Feststellung, zu berichten.

Auswirkungen des Coronavirus auf den Konzernlagebericht

Im Konzernabschluss ist nach § 315 Abs. 1 HGB ebenfalls über Chancen und Risiken zu berichten und es sind Prognosen der wesentlichen Leistungsindikatoren des Unternehmens für die nächsten mind. 12 Monate abzugeben. Bezüglich der Chancen und Risiken ist abweichend von den Einzellageberichten auf die Sicht des Konzerns bei der Bewertung der Wesentlichkeit abzustellen, so dass auf Einzelebene notwendige Angaben im Konzern obsolet sein können.

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