Leitsatz

1. Wird eine Kapitalgesellschaft aus dem betrügerischen Handel mit wertlosen Aktien berechtigt und verpflichtet, so sind die daraus resultierenden gewerblichen Einkünfte grundsätzlich ihr selbst steuer­rechtlich zuzurechnen.

2. Ein Durchgriff durch die Kapitalgesellschaft ist grundsätzlich unzulässig und kommt nur unter den Voraussetzungen einer gesetzlichen Ausnahmevorschrift, insbesondere bei Vorliegen eines Scheingeschäfts (§ 41 AO) oder eines Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO), bzw. der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung diesbezüglich herausgearbeiteten Fallgruppen in Betracht.

3. Eine hiervon abweichende Einkünftezurechnung an den strafrechtlich verantwortlichen (Allein‐)Gesellschafter unter dem Gesichtspunkt der Dispositionsbefugnis im Innenverhältnis ist nicht möglich.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG, § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG

 

Sachverhalt

Der Kläger war geschäftsführender Gesellschafter der im Inland ansässigen G-Inc. Diese schloss mit dem US-Unternehmen N-Inc. einen Beratungsvertrag ab, nach dem die G die N-Inc. bei deren Börsenzulassung an der Frankfurter Börse unterstützen sollte. Im Gegenzug erhielt die G u.a. das Recht, Aktien der N-Inc. zu verkaufen. Hiervon machte sie umfänglich Gebrauch. Nach dem Börsengang der N-Inc. stürzte der Kurs so stark ab, dass der Handel ausgesetzt wurde. Es hatte sich nämlich um eine Briefkastenfirma gehandelt. Die aus den Aktienverkäufen erzielten Gelder flossen später zu einem großen Teil dem Kläger zu. Das FA meinte, nicht die G, sondern der Kläger habe durch den Verkauf der N-Aktien gewerbliche Einkünfte erzielt. Dem schloss sich das FG an. Für die Frage der persönlichen Zurechnung von Einkünften komme es auf die Dispositionsbefugnis für die Leistungserstellung an. Diese habe beim Kläger gelegen (FG Düsseldorf, Urteil vom 9.10.2018, 13 K 1792/17 G, Haufe-Index 12977907, EFG 2019, 437).

 

Entscheidung

Der BFH hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Die Vorinstanz habe die unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Rechtsgrundsätze zum nur im Ausnahmefall möglichen Durchgriff durch eine Kapitalgesellschaft auf deren Gesellschafter nicht beachtet.

 

Hinweis

1. Eine Kapitalgesellschaft ist nicht nur zivilrechtlich, sondern auch steuerrechtlich ein selbstständiges Steuersubjekt, das die von ihr aus der Beteiligung erzielten Einkünfte unabhängig vom Gesellschafter zu versteuern hat (sog. Trennungsprinzip). Ein Durchgriff durch die Kapitalgesellschaft ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung daher nur zulässig, soweit das Steuerrecht ausdrückliche Ausnahmeregelungen zur Verfügung stellt, u.a. in den Fällen des Scheingeschäfts (§ 41 AO) und des Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO). Zudem hat die Rechtsprechung folgende Fallgruppen entwickelt, in denen ein Durchgriff möglich erscheint:

2. Die Zurechnung von Einkünften auf die hinter einer Domizil- oder Basisgesellschaft stehenden Personen betrifft zum einen Sachverhalte, in denen ausländische, nicht nach deutschem Recht körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaften genutzt werden, zum anderen rechtsmissbräuchlich eingeschaltete, insbesondere funktionslose deutsche Kapitalgesellschaften.

3. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat zudem bei einer Zwischenschaltung Dritter in Grundstücksaktivitäten eines Steuerpflichtigen Fallgruppen aufgezeigt, in denen ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten naheliegt. Sämtliche Fallgruppen sind dadurch gekennzeichnet, dass durch eine Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft steuerpflichtige Einkünfte aus einem gewerblichen Grundstückshandel vermieden werden.

Sind für die Gestaltung keine außersteuerlichen Gründe erkennbar, können Grundstücksveräußerungen durch eine nahestehende (auch juristische) Person dem Steuerpflichtigen zugerechnet werden, wenn aufgrund einer Würdigung des Gesamtbilds der Verhältnisse der Steuerpflichtige "das Geschehen beherrscht und steuert" bzw. die Zwischenschaltung wirtschaftlich sinnlos ist. Anderes gilt, wenn die zwischengeschaltete Gesellschaft nicht funktionslos ist, sondern selbst eine wertschöpfende Tätigkeit ausübt.

Ähnlich ist die Fallgruppe, in der bei einer Grundstückstransaktion eine nahestehenden Person tätig wird, die keinen eigenen unternehmerischen Erfolgsbeitrag beisteuert, sondern der lediglich eine bereits ausgehandelte Geschäftschance übertragen worden war. Hier können dem Übertragenden auch ohne Rückgriff auf § 42 AO die Einkünfte zugerechnet werden, da der Steuerpflichtige kraft "mittelbarer Tatherrschaft" wesentliche Teile des steuerbaren Handlungstatbestands selbst verwirklicht und ihm deshalb auch der steuerliche Handlungserfolg zuzurechnen ist.

4. Es reicht für einen Durchgriff durch die Kapitalgesellschaft allerdings nicht aus, wenn die Gesellschaft im Außenverhältnis wirksam in die Leistungsbeziehung des Steuerpflichtigen einbezogen wird, während dieser lediglich im Innenverhältnis die Dispositionsmög...

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