Rz. 11

Die Aktivierung von Zinsen für Fremdkapital im Rahmen der Ermittlung des Umfangs der Herstellungskosten ist in § 255 Abs. 3 HGB geregelt. Nach dessen Satz 1 gehören Zinsen für Fremdkapital nicht zu den Herstellungskosten. Eine Relativierung offenbart Satz 2, wonach ein Aktivierungswahlrecht für Zinsen besteht, die zur Finanzierung der Herstellung eines Vermögensgegenstands verwendet werden, soweit sie auf den Zeitraum der Herstellung entfallen.[1] Bei Inanspruchnahme dieses Wahlrechts sind bei Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften i. S. v. § 264a HGB mit Ausnahme von Kleinstkapitalgesellschaften i. S. v. § 267a HGB (§ 264 Abs. 1 Satz 5 HGB) diesbezügliche Angaben im Anhang zu treffen. Dabei erscheint es gem. § 284 Abs. 2 Nr. 4 HGB zunächst als ausreichend, wenn auf die Einbeziehung von Zinsen für Fremdkapital in die Herstellungskosten als solche berichtet wird. Allerdings findet in § 284 Abs. 3 Satz 4 HGB eine Präzisierung derart statt, dass der Betrag der im Wirtschaftsjahr aktivierten Fremdkapitalzinsen gesondert für jeden Posten des Anlagevermögens anzugeben ist.[2] Im Umkehrschluss kann dem Gesetzeswortlaut nach eine Angabe der aktivierten Beträge an Fremdkapitalzinsen im Umlaufvermögen unterbleiben.

 

Rz. 12

Aus der Formulierung des § 255 Abs. 3 HGB geht hervor, dass der Gesetzgeber die Nichtaktivierung von Zinsaufwendungen als Normalfall statuiert[3] und jene Aufwandskategorie im Wege einer Fiktion ("gelten") nur im Ausnahmefall als Herstellungskosten deklariert.[4] Dies ruft Missverständnisse hervor: Zinsen für Fremdkapital sind hinsichtlich des Kriteriums der Zurechenbarkeit von Kosten auf betriebliche Leistungen als Gemeinkosten wie alle übrigen in den Herstellungskostenumfang einbezugspflichtigen und -fähigen Gemeinkostenbestandteile zu klassifizieren. Außerdem haftet das Kriterium des zeitlichen Umfangs (Zeitraum der Herstellung) ebenfalls allen anderen Gemeinkostenbestandteilen an, wie § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB belegt.[5]

 

Rz. 13

Allerdings stellt der Gesetzgeber analog zu den Überlegungen im Kontext der Anschaffungskosten zweifellos auf die strikte Trennung von Herstellungs- und Finanzierungsvorgang ab, was durch die fehlende Subsumtion von Zinsen für Fremdkapital unter den Begriff der Herstellungskosten und die damit verbundene Fiktion insofern zum Tragen kommt, da Letztere solche Aufwendungen verkörpern, die durch "… den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands […] entstehen."[6]

Von dieser streng formaljuristischen Sichtweise ist der wirtschaftliche Gehalt zu differenzieren. Es wäre vor dem Hintergrund der Fremdfinanzierung eines Großteils von Produktionsfaktoren nur schwer nachzuvollziehen, warum mit dem Herstellungsvorgang verbundene und selbigen erst ermöglichende Zinsaufwendungen nicht in die Bemessungsgrundlage mit einzubeziehen wären, wohl aber bspw. anteilige Aufwendungen für soziale Einrichtungen oder für freiwillige soziale Leistungen, bei denen eine zweifelsohne weitläufigere kausale Verknüpfung mit dem Hergestellten besteht.

 

Rz. 14

Strittig ist, ob der konkrete Nachweis der Finanzierung des infrage stehenden Vermögensgegenstands aufgrund projektbezogener Finanzierungen zu führen ist. U. E. erweist sich bereits vor dem Hintergrund der als Ausnahmefall angesehenen Aktivierungsmöglichkeit eine entsprechende (restriktive) Nachweisführung als unabdingbar. Insofern ist von dem Aktivierungswahlrecht nur dann Gebrauch zu machen, wenn ein Kreditvertrag unter Bezugnahme auf den herzustellenden Gegenstand abgeschlossen oder prolongiert wird.[7] Dieses Ergebnis läuft mit dem Gesetzeswortlaut konform, da nur dann das Fremdkapital zur Herstellung "verwendet wird". Dem Wortlaut des § 255 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 HGB ist nicht zu entnehmen, dass sich das Unternehmen einer Fiktion bedienen darf, wonach bspw. sämtliche Vermögensgegenstände pauschal mit demjenigen Fremdkapitalanteil finanziert werden, welcher der unternehmensindividuellen Fremdkapitalquote entspricht. Dennoch wird vereinfachend eine Aktivierung von Fremdkapitalzinsen auch außerhalb einer Projektfinanzierung für zulässig erachtet, wobei an das Kriterium der Zurechenbarkeit "strenge Anforderungen" zu stellen sind.[8] In solch einem Fall ist ein durchschnittlicher Fremdkapitalkostensatz zugrunde zu legen, der das Problem unterschiedlich hoher Fremdkapitalzinssätze beseitigt. Gerade diese Annahme liegt der Berechnung kalkulatorischer Zinsen im Rahmen der Kostenrechnung zugrunde.[9] Somit wäre unter Beachtung der gebotenen Eliminierung kalkulatorischer Bestandteile der Erhalt der notwendigen Pagatorik des verbleibenden Betrags unter Verwendung sachgerechter Zurechnungsfiktionen zu sichern. Hier wäre eine quotale Finanzierung der Vermögensgegenstände mit Fremdkapital entsprechend der unternehmerischen Kapitalstruktur oder auch die Zuhilfenahme der sogenannten Goldenen Bilanzregel in ihrer engsten Ausprägung, wonach eine Finanzierung von Anlagevermögen zunächst durch Eige...

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