Rz. 70

Der Teilwert[1] ist in § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG[2] definiert. Die Teilwertermittlung beruht auf einer Fiktionenkette, in die regelmäßig auch Zukunftserwartungen einfließen. Der Teilwert wird deshalb von Größen beeinflusst, welche erst in der Zukunft realisiert werden. Insbesondere Ertragserwartungen haben einen starken Einfluss auf die Höhe des Teilwerts.

 

Rz. 71

Wegen des Einflusses zukünftiger Werte bzw. Werterwartungen ist der Teilwert kein reiner Zeitwert, sondern eine Mischung aus Zeitwert (Substanzwertgedanke) und Zukunftswert (Ertragswertgedanke). Auch ist der Teilwert aufgrund seiner Ermittlung ein subjektiver Wert.[3] Zu beachten ist jedoch, dass häufig – aber fälschlicherweise – der Zeitwert als Synonym für jegliche handelsrechtlichen Zeitwerte und der Teilwert als steuerlicher Zeitwert eingesetzt werden. Es gibt jedoch eine inhaltliche Nähe des Teilwertes zum value-in-use (Nutzungswert) in der internationalen Rechnungslegung.

 

Rz. 71a

Jedenfalls dient der Teilwert zur Abbildung einer Wertminderung bei einem gesunkenen Zeitwert bei Aktivwerten oder einem gestiegenen Zeitwert bei Passivposten. Aus dieser Sicht ist der Anwendungsbereich des Teilwertes weiter als der des Wertes nach AfaA.

 

Rz. 71b

Wird ein Vermögensgegenstand des Umlaufvermögens nach dem Prinzip der verlustfreien Bewertung auf der Basis von Verkaufserlösen bewertet, so ist zu beachten, dass der steuerlich relevante Teilwert einen um den kalkulatorischen Gewinn sowie um noch anfallende Kosten verminderten Verkaufserlös darstellt. Weiterhin ist zu beachten, dass der Regelansatz des Teilwerts (für nach dem Anschaffungstag liegende Bewertungsstichtage) mit den Wiederbeschaffungskosten identisch ist.[4]

 

Rz. 71c

Für den niedrigeren Teilwert besteht steuerrechtlich ein Wahlrecht,[5] sodass dieser Wert in der Steuerbilanz wegen des Maßgeblichkeitsprinzips nur angesetzt werden darf, wenn in der Handelsbilanz kein höherer Wert ausgewiesen wird. Alternativ kann ein Teilwert unter Durchbrechung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes unabhängig von der Handelsbilanz angesetzt werden, wenn das zu bewertende Gut in ein gesondertes Verzeichnis aufgenommen wird.[6]

 
Praxis-Beispiel

Ein Gut wird für 300 EUR gekauft und kann mit einem Gewinn von 90 EUR und noch anfallenden Kosten von 20 EUR für 410 EUR verkauft werden.

Am Bilanzstichtag ist der Anschaffungswert gleich geblieben. Die noch anfallenden Kosten sind aufgrund eines – vorübergehenden und unternehmensindividuellen – technischen Problems jedoch auf 60 EUR gestiegen. Der erzielbare Verkaufserlös ist ebenfalls unverändert.

Handelsrechtlich ist keine Abschreibung notwendig, da das Gut weiterhin mit einem – allerdings auf 50 EUR verringerten – Gewinn verkauft werden kann. In der Steuerbilanz sinkt jedoch der zulässige Wert um 40 EUR wegen der durch die zusätzlichen Kosten verringerten Gewinnerwartung, was durch eine Teilwertabschreibung zu berücksichtigen ist. Dies führt steuerlich dazu, dass bei einem Verkauf weiterhin ein Gewinn von 90 EUR erwartet werden kann. Per Saldo findet allerdings keine Gewinnänderung statt.[7]

 

Rz. 71d

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass auch nach der h. M. in Abhängigkeit von der Art des Vermögensgegenstands entweder ein Bewertungszwang mit Preisen des Beschaffungsmarkts oder ein Bewertungswahlrecht mit einer aus den Verkaufserlösen abgeleiteten Wertobergrenze und einer aus Wiederbeschaffungspreisen abgeleiteten Wertuntergrenze besteht. Nur in dem Fall, dass der erzielbare Verkaufserlös unter den Wiederbeschaffungspreis bzw. die Selbstkosten des Guts sinkt, ist nach dem Prinzip der verlustfreien Bewertung grundsätzlich der Verkaufserlös maßgebend.

 

Rz. 71e

Aus Vereinfachungsgründen kann eine Bewertung von Gegenständen des Umlaufvermögens auch mithilfe sog. Gängigkeitsabschläge vorgenommen werden. Bei schwer veräußerbaren oder schwer sonst verwertbaren Gütern ("Ladenhüter") kann der Zeitwert mit pauschal ermittelten Abschlägen auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten ermittelt werden. Dazu ist es notwendig, für einzelne Artikel oder Artikelgruppen nachzuweisen, dass sie länger als üblich im Lager verbleiben oder aus anderen Gründen einen niedrigeren Wert haben. Eine lange Lagerdauer und damit sinkende Verkaufsmöglichkeit von Waren rechtfertigen eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert nicht, solange die Waren zu den ursprünglichen Preisen oder doch ohne ins Gewicht fallende Preisabschläge angeboten und verkauft werden; ebenso rechtfertigen der Zinsverlust und der Zinsaufwand, der für länger lagernde Waren entsteht, für sich allein keine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert.[8] Betriebswirtschaftlich beruhen Gängigkeitsabschläge jedoch nicht auf gesunkenen Beschaffungs- oder Verkaufspreisen, sondern auf einer wegen der unterdurchschnittlichen Lagerumschlagshäufigkeit gesunkenen Rentabilität des gebundenen Kapitals.

[2] In § 10 BewG findet sich eine identische Definition.
[3] In der Rechtsprechung wird auch der Teilwert oft als objektiver...

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