Leitsatz

Eine bereits bekannte Krankheit schließt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich aus.

 

Sachverhalt

Umstritten war die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung ab September 2007. Die Klägerin erhielt in der Zeit von August 2000 bis Juni 2010 Kindergeld für ihren 1989 geborenen Sohn. Da die letzte Schulbescheinigung des Sohnes von 2007 datierte und als voraussichtliches Ausbildungsende der Juli 2010 ausgewiesen war, forderte die Beklagte die Klägerin auf, den Schulbesuch zwischen 2007 und 2010 nachzuweisen, das Ende der Schuldausbildung nachzuweisen und die Einkünfte des Sohnes darzulegen. Die Klägerin reagiert nicht. Die Beklagte forderte deshalb mit Bescheid vom Juni 2011 das ab September 2007 gezahlte Kindergeld in Höhe von EUR 6.556,00 zurück. Im September 2011 ging bei der Beklagten ein Kindergeldantrag ein, in dem die Klägerin anführte der Sohn suche seit April 2011 einen Studienplatz. Auch wurde eine Schuldbescheinigung eingereicht sowie ein Nachweis über die Ableistung des Zivildienstes. Die Beklagte erließ nunmehr einen Kindergeldbescheid ab April 2012, da der Sohn zu diesem Zeitpunkt sein Studium aufgenommen habe. Für die Monate ab 2007 lehnte die Beklagte den Antrag unter Hinweis auf die Bestandkraft des Rückforderungsbescheides ab. Die Klägerin legte nunmehr gegen den Rückforderungsbescheid Einspruch ein. Dieser wurde als unzulässig verworfen. In der Klage machte die Klägerin geltend, ihr sei Wiedereinsetzung zu gewähren. Die Versäumnis der Frist sei schuldlos erfolgt, da sie erkrankt sei. Sie wies nach, dass sie an einer Krankheit leide, die sie in der Bewältigung des Alltags überfordere. Zudem sei die nachträgliche Einreichung der Unterlagen als neue Tatsache im Sinne des § 173 AO zu werten.

 

Entscheidung

Die Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen. Der Einspruch gegen den Rückforderungsbescheid vom Juni 2011 sei nicht rechtzeitig erhoben worden, da dieser erst im November 2012 bei der Beklagten eingegangen sei. Ein von der Klägerin behaupteter mündlicher Einspruch sei in jedem Fall nicht formgerecht gewesen. Eine Wiedereinsetzung komme nicht in Betracht, da die Klägerin ein Verschulden an der Versäumnis der Einspruchsfrist treffe. Zwar könne im Einzelfall eine Krankheit das Verschulden ausschließen. Hier sei es aber so, dass die Krankheit der Klägerin lange bekannt gewesen sei, so dass es ihr zumutbar gewesen wäre, einen Vertreter zu bestellen. Mit derselben Begründung sei ein Verschulden der Klägerin an dem etwaigen Bekanntwerden einer neuen Tatsache zu bejahen.

 

Hinweis

Die Entscheidung ist für die Klägerin sicherlich als misslich anzusehen, war aber so wohl zu erwarten. Zwar ist die Frage, wann bei einer Krankheit ein Verschulden im Sinne des § 110 AO zu verneinen ist, von einer recht unübersichtlichen Kasuistik gekennzeichnet (vgl. Schwarz, AO, § 110 AO Rz. 32). Festhalten lässt sich aber, dass die Rechtsprechung regelmäßig dann ein Verschulden des Steuerpflichtigen an einer Fristversäumnis annimmt, wenn die Krankheit bereits vor dem Fristablauf bekannt war. Die Krankheit muss also plötzlich und schwer gewesen sein, da - vorbehaltlich der Umstände des Einzelfalles - eine Wiedereinsetzung gewährt werden kann (BFH v. 23.3.1966, II R 67/64, BStBl III 1966, 437; BFH v. 27.12.2000, V B 186/00, BFH/NV 2001, 918; BFH v. 16.10.2000, VI S 19/99, BFH/NV 2001, 1571). Dies war hier offensichtlich nicht der Fall, weswegen es der Klägerin zumutbar gewesen wäre, einen Vertreter zu bestellen, der dann rechtzeitig Einspruch hätte einlegen können. Auch die Behauptung, sie habe dies gemacht und die Unterlagen ihrem Sohn als Vertreter übergeben, hilft dann nicht, da dieser nicht tätig geworden ist, und das Verschulden eines Vertreters im Rahmen des § 110 AO zurechenbar ist. Ebenso war die Frage eines groben Verschuldens im Rahmen eines nachträglichen Bekanntwerdens von Tatsachen, hier des Schulsuches, zu werten.

 

Link zur Entscheidung

FG Münster, Urteil vom 28.04.2014, 6 K 1015/13 Kg

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