Entscheidungsstichwort (Thema)

NZB; Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs

 

Leitsatz (NV)

  1. Wird Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf einzelne Feststellungen gerügt, bedarf es einer schlüssigen substantiierten Darlegung, wozu der Beschwerdeführer sich nicht hat äußern können und was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte.
  2. Macht der Beschwerdeführer geltend, das FG habe ihm bestimmte Unterlagen, die das FA dem FG vorgelegt habe, nicht zur Kenntnis übersandt, muss er sich durch Akteneinsicht Kenntnis von deren Inhalt verschaffen und darlegen, was er hierzu bei rechtzeitiger Kenntnis vorgetragen hätte.
 

Normenkette

FGO §§ 78, 115 Abs. 2 Nr. 3

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 05.09.2001; Aktenzeichen 1 BvR 536/01)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betreibt ein Unternehmen für Modernisierung und Sanierung von Wohnungen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) änderte die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide für die Monate August bis Dezember 1993, nachdem bei einer Umsatzsteuersonderprüfung festgestellt wurde, dass geltend gemachte Vorsteuern in Höhe von insgesamt 53 579 DM nicht mit Rechnungen belegt waren. Im Einspruchsverfahren legte die Klägerin Rechnungen zweier Firmen (M-GmbH und S-GmbH) mit Vorsteuerbeträgen über insgesamt 49 635 DM vor. Das FA berücksichtigte diese Rechnungen nicht mit der Begründung, die Firma M-GmbH habe lediglich bis April 1993 unter der angegebenen Geschäftsadresse ihren Sitz gehabt und danach seien weder die Firma noch der Geschäftsführer ermittelbar gewesen; bei der S-GmbH hätten die gesetzlichen Vertreter nicht ermittelt werden können, außerdem sei mit Blankorechnungsformularen dieses Unternehmens in der Baubranche gehandelt worden.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, weil die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass Aussteller der sog. Subunternehmerrechnungen tatsächlich die leistenden Unternehmer gewesen seien. Die Klägerin trage die Beweislast für das Vorliegen der den Rechtsanspruch auf Vorsteuerabzug begründenden Tatsachen; ihr obliege es, sich über die Richtigkeit der Geschäftsdaten des Rechnungsausstellers zu vergewissern. Der Unternehmer könne den Vorsteuerabzug nicht beanspruchen, wenn am eingetragenen Firmensitz keinerlei Geschäftsleitungsfunktion, Behördenkontakt und Zahlungsverkehr stattfinde und wenn die behaupteten Geschäfte nicht über die angegebenen Firmenkonten, sondern mit anderswo tätigen Personen in bar oder mit Akonto-Zahlungen abgewickelt würden. Die Klägerin habe die Identität von Rechnungsaussteller und Leistendem nicht nachweisen können.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin Verletzung rechtlichen Gehörs.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Zulassung wegen eines Verfahrensmangels erfordert den substantiierten Vortrag von Tatsachen, die den Mangel ergeben sollen, sowie die Darlegung, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Mangel beruhen kann (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 29. Oktober 1998 X B 132/98, BFH/NV 1999, 510). Bezieht sich die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs ―wie hier― auf einzelne Feststellungen, so setzt die schlüssige Rüge dieses Verfahrensverstoßes voraus, dass der Rechtsmittelführer substantiiert darlegt, wozu er sich nicht habe äußern können und was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte (BFH-Beschluss vom 8. April 1998 VIII R 32/95, BFHE 186, 102). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin trägt hierzu lediglich vor, nach der― im Übrigen nicht weiter belegten― Versicherung des vorangegangenen Prozessbevollmächtigten seien Unterlagen, die das FA dem Gericht vorgelegt habe, nicht an diesen oder die Klägerin weitergeleitet worden. Diese Schreiben befassten sich mit der streitigen Unternehmereigenschaft der M- und S-GmbH. Die Klägerin könne, da ihr die Unterlagen nicht vorgelegen hätten, nicht darlegen, was sie bei deren Kenntnis hätte vortragen können.

Die Klägerin hat außer der Bemerkung, der Verfahrensfehler habe sie daran gehindert, den Vortrag des FA auf seine innere Schlüssigkeit hin zu überprüfen und es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei einer entsprechenden Kenntnis und einem entsprechenden Vortrag die Entscheidung anders ausgefallen wäre, nicht vorgetragen, zu welchem konkreten Inhalt der bezeichneten Schreiben und Anlagen sie sich nicht habe äußern können und was sie bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch zusätzlich vorgetragen hätte und inwiefern bei Berücksichtigung dieses Vorbringens eine andere Entscheidung des FG in der Sache möglich gewesen wäre. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin keine Möglichkeit hatte, sich zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Akteneinsicht Kenntnis vom Inhalt der Schriftsätze und Anlagen zu verschaffen und darzulegen, was sie bei rechtzeitiger Kenntnis Entscheidungserhebliches dazu vorgetragen hätte, sind nicht ersichtlich.

Im Übrigen befassen sich ―wie die Klägerin vorträgt― die erwähnten, ihr angeblich nicht übermittelten Schreiben und Anlagen mit der Frage der Unternehmereigenschaft der M- und S-GmbH. Diese Frage war ―wie die Klägerin selbst einräumt― für das angefochtene Urteil jedoch nicht entscheidungserheblich, denn das FG hat die Klage allein deshalb abgewiesen, weil die Klägerin Zweifel an der Identität von Rechnungsaussteller und leistendem Unternehmer nicht ausgeräumt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 579106

BFH/NV 2001, 918

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