Obwohl die beiden Rechtsinstitute das gleiche Ziel des vorläufigen Rechtsschutzes verfolgen, schließen sie einander gegenseitig aus.[1] Das bedeutet: Wenn Aussetzung der Vollziehung angeordnet werden kann, darf eine einstweilige Anordnung nicht getroffen werden und umgekehrt. Es ist deshalb vor der Antragstellung zu klären, welches der beiden Rechtsinstitute gewählt werden muss.[2]

4.1 Aussetzung der Vollziehung

Die Aussetzung der Vollziehung setzt einen vollziehbaren Verwaltungsakt voraus. Soweit von einer Maßnahme der Finanzbehörde keine unmittelbare rechtliche Wirkung nach § 118 AO ausgeht, fehlt es an einem Verwaltungsakt (wie z. B. bei einer Mahnung oder Rückstandsanzeige). Vollziehbar sind sämtliche Verwaltungsakte, die eine Pflicht zur Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung auferlegen (wie z. B. Steuerbescheide oder Rückforderungsbescheide bezüglich Kindergeld) oder Grundlage für eine solche Pflicht sind (wie z. B. Feststellungsbescheide). Ihr Wesensmerkmal ist, dass vom Steuerpflichtigen etwas gefordert wird, was die Finanzbehörde mit hoheitlicher Gewalt nach §§ 249ff. AO zwangsweise durchsetzen kann, wenn er der Verpflichtung nicht von sich aus nachkommt.

Entscheidend ist, dass der Verwaltungsakt noch vollzogen werden kann. Daran fehlt es z. B. bei einem Vorauszahlungsbescheid, nachdem der Jahressteuerbescheid ergangen ist.[1]

Weitere Beispiele für vollziehbare Verwaltungsakte:

  • Anordnung einer Betriebsprüfung,[2]
  • Antrag auf Zwangsversteigerung[3] oder Eintragung einer Sicherungshypothek,[4]
  • Arrestanordnung,[5]
  • Aufforderung zur Einrichtung einer Buchführung,[6]
  • Pfändungs- und Einziehungsverfügung.[7]

Verwaltungsakte, deren Inhalt sich auf die Ablehnung einer Regelung beschränkt, sind hingegen grundsätzlich nicht vollziehbar (z. B. Ablehnung einer Billigkeitsmaßnahme oder Fristverlängerung).

4.2 Einstweilige Anordnung

Die einstweilige Anordnung ist nur zulässig, wenn das Begehren nicht durch Aussetzung der Vollziehung erfüllt werden kann.[1] Grundsätzlich kommt eine einstweilige Anordnung in Betracht, wenn kein Verwaltungsakt angegriffen wird. Dies ist der Fall bei Verpflichtungsklagen, Klagen auf sonstige Leistung und bei Feststellungsklagen. In diesen Fällen wird gegebenenfalls der Erlass eines Verwaltungsaktes begehrt; bis zur gerichtlichen Entscheidung ist also ein Verwaltungsakt noch nicht existent. Einstweiliger Rechtsschutz kann deshalb nur durch einstweilige Anordnung erlangt werden.[2] Daneben und unabhängig davon gibt es jedoch ein weiteres "Recht" i. S. des § 114 Abs. 1 FGO, dessen Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Steuerschuldner im Wege der einstweiligen Anordnung rügen kann: die ungestörte Durchführung des Verfahrens auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO. Hiernach darf die Finanzverwaltung in der Regel während eines solchen Verfahrens nur vollstrecken, wenn ansonsten die Vollstreckung vereitelt würde.[3]

Eine einstweilige Anordnung kann aber trotz Vorliegens eines Verwaltungsakts ergehen, wenn dessen Aussetzung der Vollziehung nicht zu dem erstrebten Ziel einer einstweiligen Regelung führen kann. Dies ist der Fall, wenn ein negativer Verwaltungsakt vorliegt, d. h. ein Verwaltungsakt, der ein begehrtes Handeln verweigert. Eine einstweilige Anordnung kann dagegen nicht ergehen, wenn ein positiver Verwaltungsakt vorliegt, der einen Verlust ausweist. Begehrt der Kläger die Feststellung eines Verlustes statt eines (festgestellten) Gewinns oder die Feststellung eines höheren als des festgestellten Verlustes, dann ist Anfechtungsklage (und nicht Verpflichtungsklage) zu erheben. Entsprechend ist vorläufiger Rechtsschutz auch durch Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) und nicht durch einstweilige Anordnung (§ 114 FGO) zu gewähren.

Dies hat seinen Grund darin, dass in solchen Fällen immer ein Bescheid der Finanzbehörde angefochten wird mit dem Ziel, ihn betragsmäßig zu ändern. In der durch das Finanzgericht zu erlassenden Beschlussformel ist in einem solchen Fall auszusprechen, dass die Vollziehung des angefochtenen Bescheids mit der Maßgabe ausgesetzt wird, das...

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