Leitsatz

1. Die Verbrennung von Erdgas kann neben dem Verheizen einen zweiten Verwendungszweck i.S. von § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG haben, wenn dadurch eine Schutzgasatmosphäre erzeugt wird, die für den Produktionsprozess erforderlich ist.

2. Bei der Prüfung dieser Voraussetzung kommt es auf die tatsächliche Verwendung des Energieerzeugnisses und den tatsächlich durchgeführten Produktionsprozess an und nicht auf die theoretische Möglichkeit, das Energieerzeugnis durch ein anderes ersetzen zu können oder das Verfahren auf eine andere Weise durchzuführen.

3. Gleichzeitigkeit i.S. von § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG liegt vor, wenn das Energieerzeugnis im Rahmen eines einheitlichen industriellen Prozesses oder Verfahrens sowohl als Heizstoff als auch für andere Zwecke verwendet wird.

 

Normenkette

§ 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin betrieb Kohlemahlanlagen zur Herstellung von Kohlestaub durch Mahlen und Trocknen von Rohkohle und setzte im Produktionsprozess Erdgas ein. Nachdem ihr ursprünglich die Vergütung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG gewährt worden war, forderte das HZA nach einer Außenprüfung die gewährte Entlastung zurück. Zur Begründung führte das HZA aus, das verbrannte Erdgas sei nur zur Erzeugung von Wärme und nicht gleichzeitig zu Heizzwecken und zu anderen Zwecken verwendet worden.

Nach erfolglosem Einspruch hatte die Klage Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 30.10.2019, 4 K 2686/17 VE, Haufe-Index 14464058).

 

Entscheidung

Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

 

Hinweis

1.§ 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG gewährt eine Steuerentlastung für nachweislich versteuerte Energieerzeugnisse, die von einem Unternehmen des produzierenden Gewerbes "gleichzeitig zu Heizzwecken und zu anderen Zwecken als als Heiz- oder Kraftstoff" verwendet werden. Man spricht von "zweierlei Verwendungszweck" ("dual use"). Die Vorschrift gründet auf Art. 2 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2003/96/EG (EnergieStRL), demzufolge die Richtlinie (u.a.) für Energieerzeugnisse mit zweierlei Verwendungszweck nicht gilt.

2. Die Frage, wann ein Energieerzeugnis gleichzeitig auch zu anderen Zwecken als als Heiz- oder Kraftstoff verwendet wird, war bereits mehrfach Gegenstand der Rechtsprechung des EuGH und des BFH.

In seinem Urteil vom 2.10.2014 (C-426/12, Haufe-Index 7282000) hatte der EuGH keine Bedenken, zweierlei Verwendungszweck i.S.d. EnergieStRL anzunehmen, wenn das Energieerzeugnis vollständig verheizt und lediglich das dabei entstehende Verbrennungsprodukt Kohlendioxid zu einem anderen Zweck verwendet wird, sofern der Produktionsprozess, in dem das Energieerzeugnis verheizt wird, ohne den weiteren Einsatz des Kohlendioxids nicht zu Ende geführt werden kann, d.h. das Kohlendioxid nicht für ein anderes Verfahren weiterverwendet wird.

In seinem Beschluss YARA Brunsbüttel vom 17.12.2015 (C-529/14, ZfZ 2016, 99, Haufe-Index 9520514) stellt der EuGH darauf ab, dass ein bestimmter Stoff, der für die Durchführung des Prozesses erforderlich ist, nur durch die Verbrennung des betreffenden Energieerzeugnisses hergestellt werden kann. Diese Aussage bezieht sich auf den konkreten Prozess. Es kommt deshalb auf die tatsächliche Verwendung des Energieerzeugnisses und das tatsächlich durchgeführte Produktionsverfahren an und nicht auf die theoretische Möglichkeit, das Energieerzeugnis durch ein anderes zu ersetzen oder das Verfahren auf eine andere Weise durchzuführen (sog. Substituierbarkeit).

3. Der BFH stellt klar: Soweit er sich in seinen Beschlüssen vom 31.1.2019 (VII B 115/18, BFH/NV 2019, 560, und VII B 147/18, BFH/NV 2019, 562) zur Substituierbarkeit geäußert hat, ist dies im Hinblick auf die in diesen Entscheidungen gleichfalls wiedergegebene EuGH- und BFH-Rechtsprechung ebenfalls im Sinne einer Substituierbarkeit bezogen auf den konkreten Produktionsprozess zu verstehen.

Denn ob das Energieerzeugnis theoretisch ersetzt werden kann, ist eine hypothetische Frage, deren Beantwortung auch davon abhängt, ob dem HZA bzw. dem FG alternative Herstellungsverfahren überhaupt bekannt sind.

4. In der Sache konnte der BFH nicht abschließend entscheiden, weil Einzelheiten des Produktionsprozesses unklar waren.

5. Hinzuweisen ist schließlich auf zwei aktuelle Entscheidungen des FG Düsseldorf vom 9.3.2022 (4 K 2278/20 VE, Haufe-Index 15217440 und 4 K 2280/20 VE, Rev. eingelegt, Az. beim BFH VII R 4/22 und VII R 5/22).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 1.6.2022 – VII R 37/20

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