Entscheidungsstichwort (Thema)

Energiesteuerentlastung: Energieerzeugnisse mit zweierlei Verwendungszweck – Verwendung von Erdgas zur Herstellung eines Inertgases – Erforderlichkeit für Produktionsprozess – Fehlende Substituierbarkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Bei dem für die Herstellung eines Inertgases verwendeten Erdgas handelt es sich um ein der Steuerentlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG unterliegendes Energieerzeugnis mit zweierlei Verwendungszweck, wenn das im Produktionsprozess eingesetzte Inertgas zur Vermeidung einer Explosion für dessen Abschluss erforderlich ist.
  2. Die Energiesteuerentlastung setzt weder eine stoffliche Verbindung zwischen dem Energieerzeugnis und dem hergestellten Endprodukt noch die fehlende Substituierbarkeit des verwendeten Energieerzeugnisses voraus.
 

Normenkette

EnergieStG § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. D; RL 2003/96/EG Art. 2 Abs. 4 Buchst. b

 

Tatbestand

Die Klägerin stellt an ihrem Standort in A-Stadt Kunststoffadditive und Plastisole her. Hierzu wird eine Dispersion aus Emulsionspolymerisaten hergestellt, die in einem Sprühturm getrocknet wird. Zur Vermeidung einer Explosion bei dem Trocknungsprozess stellt die Klägerin heißes Inertgas her. Hierzu verbrennt sie versteuertes Erdgas in einer Brennkammer. In der Brennkammer werden das Erdgas und Frischluft im Verhältnis von 153 Nm³ zu 306 Nm³ pro Stunde verbrannt. Dadurch wird der Sauerstoffanteil der Luft reduziert, so dass ein Inertgas mit einem Sauerstoffanteil von etwa 4 % entsteht. Der Sauerstoffanteil des Inertgases muss unter 8,5 % liegen, damit es im Sprühturm nicht zu einer Explosion kommt. Das etwa 230° bis 260° heiße Inertgas wird alsdann über einen Zentrifugalzerstäuber in den Sprühturm geleitet. Die Dispersion aus den Emulsionspolymerisaten wird gleichfalls in den Sprühturm geleitet. Durch den Einsatz des Inertgases findet in dem Sprühturm eine Dehydratisierung statt, bei der etwa 50 % des Wassers aus der Dispersion von dem Inertgas aufgenommen wird. Ferner trägt die Wärme des Inertgases zu der Trocknung der Dispersion bei. Das durch die Trocknung entstehende staubförmig anfallende Produkt wird am Boden des Sprühturms entnommen und in Silos verbracht.

Die Klägerin beantragte am 19. Juni 2012 beim beklagten Hauptzollamt, ihr für die Verwendung von 3.974,214 MWh Erdgas für die Trocknung der Dispersionen aus Emulsionspolymerisaten in dem Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. März 2012 eine Steuerentlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) zu gewähren. Das beklagte Hauptzollamt entsprach der Anmeldung der Klägerin, indem es ihr eine Steuerentlastung von…€ auszahlte.

Im Anschluss an eine Außenprüfung gelangte das beklagte Hauptzollamt zu der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerentlastung nicht vorgelegen hätten. Es forderte deshalb die Steuerentlastung von…€ mit Bescheid vom 20. Dezember 2013 zurück.

Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch trug die Klägerin vor: Bei der Herstellung des sauerstoffarmen Inertgases handele es sich um einen anderen Verwendungszweck im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG. Die Erzeugung der Wärme und die Erzeugung des Inertgases seien unverzichtbar für den Trocknungsprozess. Für die Herstellung des Inertgases sei es erforderlich, dass das Erdgas mit Sauerstoff reagiere und dadurch das erforderliche Kohlendioxid erzeugt werde. Der Kohlenstoff als Bestandteil des Erdgases gehe in das hergestellte Inertgas ein.

Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 12. August 2020 zurück und führte aus: Eine Steuerentlastung setze voraus, dass zumindest die Verbrennungsprodukte des Energieerzeugnisses stofflich in das Endprodukt eingingen, um dadurch die Eigenschaften des Endprodukts entscheidend zu prägen. Im Streitfall gehe das Inertgas keine stoffliche Verbindung mit der durch Wärmeeinwirkung zu trocknenden Dispersion ein. Mit dem Erdgas werde kein für die Produktion erforderlicher Stoff zur Verfügung gestellt. Es werde nicht gestaltverändernd auf das Endprodukt eingewirkt. Es liege auch keine gleichzeitige Verwendung vor, weil zunächst das Erdgas zur Erzeugung von Wärme verbrannt und erst im Anschluss hieran die heiße Abluft verwendet werde, um der Lösung im Sprühturm Wasser zu entziehen.

Die Klägerin trägt mit ihrer Klage vor: Das Trocknungsverfahren und damit das gesamte Produktionsverfahren könne nicht ohne das Inertgas durchgeführt werden, weil der Sauerstoffgehalt im Sprühturm ohne den Einsatz des Inertgases die Explosionsgrenze überschreiten würde. Erst wenn die Atmosphäre im Sprühturm inertisiert sei, könne der Produktionsprozess der Klägerin zu Ende geführt werden. Das Inertgas falle nicht unweigerlich an, sondern werde gezielt für das Produktionsverfahren hergestellt. Auf eine Substituierbarkeit des verwendeten Energieerzeugnisses komme es nicht an. Es sei für einen Antragsteller auch unmöglich nachweisen, dass eine Substitution des verwendeten Energieerzeugnisses nicht möglich sei. Nä...

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