Leitsatz

Die Festsetzung von Nachzahlungszinsen für zu Unrecht in Rechnung gestellte Vorsteuerbeträge ist zumindest nach Auffassung des Finanzgerichts zulässig. Dies gilt auch dann, wenn die dem Vorsteuerabzug entsprechenden Beträge zuvor an den Rechnungsaussteller als Umsatzsteuer entrichtet worden sind. Generell ist zu beachten, dass durch Vorsteuererstattung erlangte Liquiditätsvorteile grundsätzlich nicht mit Liquiditätsnachteilen aufgrund der rechtsgrundlosen gezahlten Umsatzsteuer saldiert werden können.

 

Sachverhalt

Die Klägerin hatte von der A-AG Rechnungen zuzüglich Umsatzsteuerausweis in Zusammenhang mit PKW-Transporten aus der Bundesrepublik nach Nordamerika erhalten. Sie beglich die Rechnungen, machte die ausgewiesene Umsatzsteuer fälschlich als Vorsteuer geltend und bekam sie auch vom Finanzamt erstattet. Die Finanzbehörde erließ entsprechende Änderungsbescheide und setzte darüber hinaus Nachzahlungszinsen im Sinne von § 233a AO gegen die Klägerin fest. Diese war der Auffassung, dass die Festsetzung von Zinsen unbillig sei, da sie keinen Liquiditätsvorteil erlangt habe, der abgeschöpft werden müsse.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage als unbegründet zurück. Die von der Klägerin geltend gemachten Umstände widersprechen nicht den der Verzinsungsregelung des § 233a AO zu Grunde liegenden Wertungen. Nachzahlungszinsen sind wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Steuerpflichtige durch die verspätete Steuerfestsetzung keinen Vorteil erlangt hat. Als Liquiditätsvorteil reicht die reine Möglichkeit der Kapitalnutzung aus. Darüber hinaus sei bei der Feststellung des Liquiditätsvorteils nicht zu berücksichtigen, dass die Umsatzsteuer auf Grund der fehlerhaften Beurteilung auch tatsächlich abgeführt worden ist. Die Zahlung der Umsatzsteuer an den Rechnungsaussteller ist bei der Prüfung eines Liquiditätsvorteils ebenfalls nicht zu berücksichtigen. Auch ist nach Auffassung des Finanzgerichts eine Saldierung des durch eine Vorsteuererstattung erlangten Liquiditätsvorteils mit Liquiditätsnachteilen auf Grund rechtsgrundloser Zahlungen (an den Rechnungsaussteller) nicht möglich. Darüber hinaus sei für eine wirtschaftliche Betrachtungsweise kein Raum. Insbesondere führt das Vorliegen einer sogenannten Null-Situation (Vorsteuerabzug durch den Leistungsempfänger und Umsatzsteuerzahlung durch den Leistenden) nicht dazu, dass die Voraussetzungen für einen Zinserlass aus sachlichen Billigkeitsgründen vorliegen.

 

Hinweis

Dass die so genannte Null-Situation nicht als geeigneter Grund für einen Zinserlass zur Umsatzsteuer angeführt werden kann, dürfte von den Gerichten bereits mehr oder weniger eindeutig geklärt sein. Schließlich kommt es darauf an, ob dem Unternehmer ein Liquiditätsvorteil entstanden ist und nicht etwa darauf, dass dem Finanzamt im Ergebnis kein Liquiditätsnachteil entstanden ist. Die Frage, was genau unter einem Liquiditätsvorteil des Unternehmers zu verstehen ist, dürfte in diesem Zusammenhang aber zumindest strittig sein. Denn der Begriff Liquiditätsvorteil ist meines Erachtens nicht zwingend mit dem Begriff (Vor-)Steuervorteil gleichzusetzen. Stellt man nämlich eine reine Liquiditätsbetrachtung an, so kommt man in Fällen, in denen die Beteiligten irrtümlicher Weise von der Umsatzsteuerpflicht eines Umsatzes ausgegangen sind, zu dem Ergebnis, dass der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer an den Rechnungsaussteller gezahlt und die entsprechende Vorsteuer vom Finanzamt erstattet bekommen hat. Unterm Strich ist er also mit dem Nettobetrag belastet. Das gleiche Ergebnis würde sich einstellen, wenn die Beteiligten einen steuerfreien oder nicht steuerbaren Umsatz von Beginn an ohne Umsatzsteuer abgerechnet hätten (vgl. hierzu ausführlich mit umfangreichen Berechnungen Jacobsen/Tietjen in UR 2003 S. 417). Vor diesem Hintergrund sollten entsprechende Zinsfestsetzungen angefochten werden.

 

Link zur Entscheidung

FG Bremen, Urteil vom 01.10.2003, 2 K 648/02

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