Kommentar

Durch das Jahressteuergesetz 2020 ist mit Wirkung zum 1.1.2021 die Möglichkeit der dezentralen Umsatzbesteuerung von Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften von Bund und Ländern eingeführt worden[1] und durch Sondervorschriften für eine von den Vorschriften der AO abweichende Festlegung der örtlichen Zuständigkeit[2] in diesen Fällen flankiert worden.

In einem insgesamt 21 Seiten umfassenden Schreiben nimmt die Finanzverwaltung jetzt zu dieser neuen Möglichkeit Stellung, dass nicht die gesamte juristische Person des öffentlichen Rechts, sondern einzelne Organisationseinheiten ein eigenständiges Besteuerungsverfahren durchführen können.

Hinweis

Die allgemeinen Hinweise aus dem BMF-Schreiben werden nicht in den UStAE aufgenommen. Es wird im UStAE[3] nur auf das BMF-Schreiben verwiesen.

In dem ersten Teil des Schreibens werden ausführlich die Möglichkeiten der Bildung von Organisationseinheiten und der Bildung von untergeordneten Organisationseinheiten beschrieben. In dem zweiten Teil des Schreibens werden diverse Ergänzungen des UStAE vorgenommen. Diese beziehen sich im Wesentlichen auf die sich aus der dezentralen Besteuerung ergebenden Auswirkungen auf Wahlrechte und Vereinfachungsregelungen (Bagatellregelungen).

Insbesondere ist in diesem Fall für die einzelnen Organisationseinheiten zu beachten, dass die folgenden Bagatellgrenzen (Schwellenwerte) stets als überschritten gelten:

  • Schwellenwert für innergemeinschaftliche Erwerbe[4] für besondere Unternehmer nach § 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG,
  • Umsatzschwelle für gleichartige Tätigkeiten, die keine größeren Wettbewerbsverzerrungen für juristische Personen des öffentlichen Rechts nach § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG auslösen,
  • Umsatzschwelle bei Rundfunk- oder Fernsehdienstleistungen, Telekommunikationsdienstleitungen oder auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen[5] sowie bei den innergemeinschaftlichen Fernverkäufen[6],
  • Grenzwert für die monatliche Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen[7] nach § 18 Abs. 2 Satz 2 UStG; Dauerfristverlängerungen können Organisationseinheiten aber jeweils auf Antrag gewährt bekommen,
  • Grenzwert für die monatliche Abgabe der Zusammenfassenden Meldungen[8] nach § 18a Abs. 1 Satz 2 UStG,
  • Umsatzgrenze für Kleinunternehmer[9] nach § 19 Abs. 1 UStG,
  • Umsatzgrenze für die Gestattung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten[10] nach § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG (unter den weiteren Voraussetzungen kann die Organisationseinheit aber die Istversteuerung nach § 20 Satz 1 Nr. 4 UStG beantragen) sowie
  • Umsatzgrenze für die Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung für land- und forstwirtschaftliche Betriebe nach § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG.

Hinweis

Ein Beweis des Gegenteils (dass die Bagatellgrenzen nicht überschritten sind) soll grundsätzlich nicht möglich sein.

Darüber hinaus hat die Finanzverwaltung in diesem Zusammenhang weitere Klarstellungen im UStAE vorgenommen:

  • Zur Anwendung der Ortsbestimmung bei der Lieferung von Gas über das Erdgasnetz wie auch bei der Lieferung von Elektrizität nach § 3g UStG gelten die Gebietskörperschaften Bund und Länder nicht als Wiederverkäufer.
  • Zur Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens[11] wird klargestellt, dass bei der Ausführung von steuerpflichtigen Leistungen an Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften Bund und Länder die Verhältnisse der jeweiligen Gebietskörperschaften maßgeblich sind.
Wichtig

Bei den Sachverhalten, die dem Grunde nach unter § 13b UStG fallen geht die Finanzverwaltung davon aus, dass die Voraussetzungen des § 13b Abs. 1[12] und Abs. 2 Nr. 1[13], Nr. 2[14], Nr. 3[15], Nr. 5 Buchst. a[16], Nr. 6[17], Nr. 7[18], Nr. 9[19], Nr. 10[20], Nr. 11[21] i. V. m. Abs. 5 Satz 1 UStG stets als erfüllt anzusehen sind. Dagegen gelten die Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 Nr. 4[22], Nr. 5 Buchst. b[23], Nr. 8[24] und Nr. 12[25] i. V. m. Abs. 5 Sätze 2 – 6 UStG stets als nicht gegeben.

  • Umsätze zwischen Organisationseinheiten derselben juristischen Person des öffentlichen Rechts sind nicht steuerbare Innenumsätze. Sollten für sie Abrechnungen mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer ausgestellt werden, handelt es sich um unternehmensinterne Abrechnungen, aus denen Umsatzsteuer nicht nach § 14c Abs. 2 UStG geschuldet wird.

Konsequenzen für die Praxis

Die Möglichkeit, dass Organisationseinheiten von Bund und Ländern als eigenständiges Unternehmen angesehen werden können und das Besteuerungsverfahren individuell umsetzen können, ist sicher eine sinnvolle Änderung gewesen, damit das Besteuerungsverfahren in diesen Fällen vereinfacht werden kann. Die Finanzverwaltung hat jetzt umfassende Hinweise für diese Organisationseinheiten umgesetzt. Die davon betroffenen Organisationseinheiten müssen sich mit diesem BMF-Schreiben intensiv auseinander setzen. Dritte Unternehmer sind davon nicht betroffen.

Hinweis

Zu Fragen des Vorsteuerabzugs und der Vorsteuerberichtigung wird sich die Finanzverwaltung für die Organisationseinheiten noch separat äußern.

Die Grundsätze aus diesem Schreiben können erstmals für Besteueru...

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