BMF, 22.5.2023, III C 2 - S 7107/19/10002 :004

§ 18 Abs. 4f UStG enthält Regelungen für die dezentrale Umsatzbesteuerung von Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften Bund bzw. Länder.

§ 18 Abs. 4g UStG enthält Sondervorschriften für eine von den Vorschriften der AO abweichende Festlegung der örtlichen Zuständigkeit für die Besteuerung dieser Organisationseinheiten.

Nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt Folgendes:

 

A. Dezentrale Besteuerung (§ 18 Abs. 4f UStG)

 

I. Organisationseinheiten (§ 18 Abs. 4f Sätze 1 bis 3 UStG)

 

1. Allgemeines

1

Begründen Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften Bund und Länder durch ihr Handeln eine umsatzsteuerliche Erklärungspflicht (z. B. § 18 UStG i. V. m. §§ 149 und 150 AO), obliegen diesen Organisationseinheiten insoweit alle steuerlichen Rechte und Pflichten der jeweiligen Gebietskörperschaft für die Umsatzbesteuerung (§ 18 Abs. 4f Satz 1 UStG). Hierzu zählen nicht nur Rechte und Pflichten nach dem UStG, sondern auch nach der AO (z. B. Mitwirkungspflichten), soweit diese mit der Umsatzbesteuerung zusammenhängen.

2

Die Organisationseinheit tritt insoweit in

  • Verwaltungsverfahren, Rechnungsprüfungsverfahren oder gerichtlichen Verfahren in Steuersachen sowie in
  • Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder einem Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit

an die Stelle der Gebietskörperschaft (§ 18 Abs. 4f Satz 2 UStG).

 

2. Einheit des umsatzsteuerlichen Unternehmens

3

Ungeachtet der dezentralen Besteuerung (Erfassung und gesonderten Veranlagung) auf Ebene der einzelnen Organisationseinheiten besteht nur ein einheitliches Unternehmen der jeweiligen Gebietskörperschaft Bund bzw. Land als juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPöR). Das Unternehmen der Gebietskörperschaft umfasst dabei alle unternehmerischen Betätigungen ihrer Organisationseinheiten (§ 2 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 18 Abs. 4f Satz 3 UStG). Innerhalb dieses Unternehmens, d. h. zwischen den Organisationseinheiten der Gebietskörperschaft, sind steuerbare Umsätze nicht möglich (vgl. Rn. 63 ff.).

 

3. Definition der Organisationseinheit

4

Organisationseinheiten im Sinne des § 18 Abs. 4f Satz 1 UStG sind in den Gebietskörperschaften Bund und Länder jeweils einzeln

  • die Verfassungsorgane (z. B. Landtage, Verfassungsgerichtshöfe),
  • die obersten Behörden (z. B. Ministerien, Rechnungshöfe),
  • die Behörden der nachgeordneten Bereiche (z. B. Oberfinanzdirektionen, Finanzämter, Verwaltungsbehörden der Länder),
  • Gerichte,
  • die Beauftragten, die mit Eigenständigkeit außerhalb eines Ressorts ausgestattet sind (z. B. Landesbeauftragte), sowie
  • vergleichbare Einrichtungen (z. B. Bundes- oder Landesbetriebe, vgl. § 26 BHO, § 26 LHO).

5

Diese bilden den „Grundrahmen” der Organisationseinheiten, ohne dass es dazu weiterer normativer Regelungen oder (konstitutiver) Organisationsentscheidungen der jeweiligen Gebietskörperschaften bedarf. Zur abweichenden Bildung und Zusammenfassung von Organisationseinheiten vgl. Rn. 10 ff.

 

4. Sonderfall: Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung, die zu verschiedenen jPöR gehören (janusköpfige Einrichtungen)

6

Als „janusköpfige Einrichtungen” werden Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung bezeichnet, die zu verschiedenen jPöR gehören (z. B. einerseits zur Gebietskörperschaft Land und andererseits zu einer anderen jPöR) bzw. auch selbst jPöR sind. Der Begriff „gehören” ist dabei in dem Sinne zu verstehen, dass die Einrichtungen als unmittelbarer (nicht nur mittelbarer) Teil der betreffenden jPöR tätig sind.

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Betroffen sind hiervon u.a. Landratsämter, sofern diese sowohl in ihrer Eigenschaft als Kreisverwaltungsbehörde für den Landkreis als auch als untere staatliche Verwaltungsbehörde für das betreffende Land tätig werden. Weitere Einrichtungen können im Einzelfall und je nach Ausgestaltung der jeweiligen (landes-)gesetzlichen Regelung betroffen sein, z. B. öffentliche Hochschulen, wenn sie nach den Hochschulgesetzen der Länder selbständige Körperschaften des öffentlichen Rechts und zugleich als staatliche Einrichtungen unmittelbarer Teil der Landesverwaltung sind.

8

Werden diese Einrichtungen in umsatzsteuerlich relevanter Weise tätig, muss geprüft werden, welchem umsatzsteuerlichen Unternehmen die jeweilige Tätigkeit zuzurechnen ist und welches Unternehmen die daraus resultierenden steuerlichen Verpflichtungen zu erfüllen hat. Eine janusköpfige Einrichtung, die mehrere steuerlich relevante Tätigkeiten ausführt, kann demnach für unterschiedliche (getrennte) Unternehmen tätig werden.

9

Handelt die Einrichtung für das Unternehmen einer der Gebietskörperschaften Bund oder Länder, wird die Einrichtung als Organisationseinheit im Sinne des § 18 Abs. 4f Satz 1 UStG der jeweiligen Gebietskörperschaft tätig (vgl. Rn. 4). In diesem Fall hat sie grundsätzlich ihre aus der Tätigkeit für eine der genannten Gebietskörperschaften resultierenden steuerlichen Verpflichtungen im Rahmen der dezentralen Besteuerung selbst zu erfüllen. Tätigkeiten, die einem anderen Unternehmen zu...

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