Seit 2005 war die steuerbilanzielle Behandlung von ERP-Software durch das BMF-Schreiben vom 18.11.2005 (Bilanzsteuerrechtliche Beurteilung von Aufwendungen zur Einführung eines betriebswirtschaftlichen Softwaresystems (ERP-Software)) geregelt.[1] Das BMF-Schreiben vom 18.11.2005 wurde durch das BMF-Schreiben vom 22.2.2022 (ersatzlos) außer Kraft gesetzt, da durch das BMF-Schreiben vom 22.2.2022 die Möglichkeit zur Annahme einer einjährigen Nutzungsdauer zur Bemessung der AfA nach § 7 Abs. 1 EStG auch für ERP-Software geschaffen wurde (siehe die Ausführungen oben Kapitel 4.2).

Infolge der Aufhebung des BMF-Schreibens vom 18.11.2005, das umfangreiche Regelungen zur steuerbilanziellen Abbildung von ERP-Software enthielt, ist die steuerbilanzielle Behandlung von ERP-Software zukünftig (d. h. für Gewinnermittlungen für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2020 enden) im Einzelfall anhand der – oben dargestellten – allgemeinen handelsrechtlichen Grundsätze unter Beachtung entgegenstehender steuergesetzlicher Regelungen abzuleiten. Unterschiede zwischen der bilanziellen Abbildung von selbstgenutzter ERP-Software des Anlagevermögens in der Handels- und Steuerbilanz können sich weiterhin insbesondere aus dem Verbot zur Aktivierung selbst erstellter immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens gemäß § 5 Abs. 2 EStG ergeben.

4.4.1 Bilanzierung dem Grunde nach

Auch steuerlich ist ein ERP System als einheitliches immaterielles Wirtschaftsgut anzusehen. Dies gilt auch bei stufenweiser Einführung der Module.

Analog zum Handelsrecht sind Ausgaben für eine ERP-Software bei entgeltlichem Erwerb zu aktivieren.

Stellt ein Unternehmer eine ERP-Software des Anlagevermögens indes selbst her, greift steuerlich das Verbot zur Aktivierung selbst erstellter immaterieller Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gem. § 5 Abs. 2 EStG. Die auf die Herstellung einer selbst genutzten Software des Anlagevermögens entfallenden Aufwendungen sind als Betriebsausgaben zu erfassen. Zur Abgrenzung zwischen einem Anschaffungsvorgang (Erwerb) und einem Herstellungsvorgang wird auf das obige Kapitel 3.3.6[1] verwiesen.

Im Fall der Anschaffung sind die Aufwendungen der Implementierungsphase als Anschaffungsnebenkosten (bzw. Betriebsbereitschaftskosten) zu aktivieren, soweit sie der Herstellung der Betriebsbereitschaft dienen. Die Arbeiten können sowohl von eigenen Mitarbeitern als auch durch fremde Dritte durchgeführt werden. Die Aktivierung beginnt nach der Kaufentscheidung und endet mit der Herstellung der Betriebsbereitschaft. Beispiele für aktivierungspflichtige Ausgaben und deren Abgrenzung zu nicht aktivierungspflichtigen Ausgaben sind im Kapitel 3.3.5[2] dargestellt.

4.4.2 Planmäßige Abschreibung

Eine ERP-Software ist ein immaterielles Wirtschaftsgut und kann gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG nur linear abgeschrieben werden. Im BMF-Schreiben vom 18.11.2005 war für ERP-Systeme eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 5 Jahren vorgegeben. Das BMF-Schreiben vom 18.11.2005 ist letztmalig für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die vor dem 1.1.2021 enden.[1]

Für Wirtschaftsjahre, die danach enden, kann nach dem BMF-Schreiben vom 22.2.2022, Rz. 5 auch für ERP-Systeme für die nach § 7 Abs. 1 EStG anzusetzende Nutzungsdauer ein Zeitraum von einem Jahr unterstellt werden (anstatt der ggf. längeren betriebsindividuellen Nutzungsdauer). Wie oben dargestellt, eröffnet dies die Möglichkeit zur vollständigen Abschreibung im Jahr der Anschaffung. In Rz. 5 des BMF-Schreibens vom 22.2.2022 wird klargestellt, dass unter den Begriff der Betriebs- und Anwendersoftware zur Dateneingabe und -verarbeitung i. S. d. BMF-Schreibens auch ERP-Systeme zu fassen sind. Auch wenn handelsrechtlich für ERP-Programme – wie oben dargestellt – Nutzungsdauern von bis zu 10 Jahre für vertretbar gehalten werden,[2] dürfen diese in der Steuerbilanz im Jahr der Anschaffung vollständig abgeschrieben werden. Es besteht weiterhin die Möglichkeit, eine ERP-Software stattdessen über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abzuschreiben.

Die über die abweichende handelsrechtliche Nutzungsdauer entstehenden Unterschiede zwischen handelsbilanziellem und steuerlichem Wertansatz führen ggf. zum Ausweis latenter Steuern in der Handelsbilanz.

[2] Vgl. Abschreibung aktivierter Software

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