Rz. 4

§ 4 Nr. 8 Buchst. a UStG in der seit 1.1.1996 geltenden Fassung beruht im Wesentlichen auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL. Danach befreien die Mitgliedstaaten die Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten durch die Kreditgeber. Auch Art. 135 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL ist als unionsrechtliche Basis zu nennen. Danach befreien die Mitgliedstaaten u. a. die Verwaltung von Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber. Ein Verstoß des nationalen Rechts gegen diese Bestimmungen ist nicht erkennbar. Die Fälle, in denen sich der EuGH zum Anwendungsbereich von Art. 135 MwStSystRL geäußert hat, sind eng mit der Gewährung von Krediten/Finanzierungen/Darlehen im traditionellen Sinn (d. h. mit einer Zinsabrede, einem Darlehen oder einer Finanzierung) verbunden. Der EuGH[1] hat entschieden, dass die Steuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL nicht für einen Umsatz gilt, der für den Unternehmer darin besteht, dass er gegen Entgelt alle Rechte und Pflichten aus seiner Position in einem Verfahren zur Zwangsvollstreckung einer durch gerichtliche Entscheidung anerkannten Forderung, deren Zahlung durch ein Recht an einem beschlagnahmten und dem Steuerpflichtigen zugeschlagenen Grundstück gesichert ist, an einen Dritten abtritt. Es handelt sich bei einem solchen Umsatz nicht um eine Kreditgewährung gegen Zinszahlung. Auch liegt kein Umsatz vor, der als Factoring-Leistung nicht steuerbar wäre. Vorliegend handelt es sich um einen Umsatz, der in der entgeltlichen Abtretung aller Rechte und Pflichten aus der Position, die ein Steuerpflichtiger in einem Verfahren zur Zwangsvollstreckung einer gerichtlich anerkannten Forderung innehat, an einen Dritten besteht. Es handelt sich um eine einheitliche Leistung, die nicht in zwei Leistungen aufgespalten werden darf, die zum einen aus einer Forderungsabtretung und zum anderen aus der Abtretung einer Verfahrensposition betreffend die Zwangsvollstreckung einer Forderung bestehen. Der EuGH hat bestätigt, dass Leistungen der Kreditgewährung typischerweise gegen Zinszahlungen erbracht werden.

Für den Fall des Zusammentreffens von Kreditleistungen mit weiteren Leistungen hat der BFH entschieden, dass diese einen eigenständigen Charakter haben können und dann nicht als bloße Nebenleistung zur Hauptleistung anzusehen seien.[2] Auch der EuGH[3] hat zu Art. 135 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL entschieden, dass eine wie auch immer geartete Kreditgewährung steuerfrei i. S. v. dieser Vorschrift sein kann, solange die Zinszahlung nicht Teil der Gegenleistung für die Lieferung der Gegenstände oder die Dienstleistung, sondern das Entgelt für diesen Kredit ist. Diese Aufteilung eines Ratenkaufgeschäfts ist vereinbar mit der Rechtsprechung des EuGH, wonach die Befreiungen nach Art. 135 MwStSystRL zwar eng auszulegen sind, der Ausdruck "Gewährung und Vermittlung von Krediten" i. S. v. Art. 135 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL aber gleichwohl nicht nur Darlehen und Kredite von Banken und Finanzinstituten betreffen kann, da über die Identität des Kreditgebers bzw. -nehmers nichts näher bestimmt ist.

Ein Umsatz der integrierten landwirtschaftlichen Zusammenarbeit, wonach ein Wirtschaftsteilnehmer einem Landwirt Gegenstände liefert und ihm ein zum Kauf dieser Gegenstände bestimmtes Darlehen gewährt, stellt einen einheitlichen Umsatz dar, bei dem die Lieferung der Gegenstände die Hauptleistung bildet. Die Bemessungsgrundlage für diesen einheitlichen Umsatz besteht sowohl im Preis dieser Gegenstände als auch in den auf die den Landwirten gewährten Darlehen gezahlten Zinsen.[4]

Art. 135 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL gilt auch für einen Umsatz, der darin besteht, dass der Unternehmer gegen Entgelt einem anderen Unternehmer Geldmittel überlässt, die er bei einer Factoringgesellschaft infolge der Übertragung eines vom zweiten Unternehmer ausgestellten Wechsels auf diese erhalten hat, wobei der erste Unternehmer der Factoringgesellschaft die Begleichung dieser Wechselforderung zum Fälligkeitstermin garantiert. Die Gewährung von Krediten i. S. d. Art. 135 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL besteht u. a. in der Überlassung von Kapital gegen Entgelt. Ein solches Entgelt wird zwar insbesondere durch die Zahlung von Zinsen sichergestellt, aber andere Formen der Gegenleistung können nicht ausgeschlossen werden.[5]

[1] EuGH v. 17.10.2019, C-692/17, Paulo Nascimento Consulting, Haufe-Index 13488071, HFR 2019, 1101.
[2] Vgl. z. B. BFH v. 13.11.2013. XI R 24/11, BFH/NV 2014, 471, BStBl II 2017, 1147.
[3] EuGH v. 18.10.2018, C-153/17, Volkswagen Financial Services (UK), BFH/NV 2018, 1358, HFR 2018, 1004.
[4] EuGH v. 8.12.2016, C-208/15, Stock ’94, Haufe-Index 10093248, HFR 2017, 81.
[5] EuGH v. 17.12.2020, C-801/19, FRANCK, Haufe-Index 14276231, HFR 2021, 328.

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