Rz. 92a

Nach § 4 Nr. 25 S. 3 Buchst. d UStG sind steuerfrei auch Einrichtungen, die als Verfahrensbeistand nach den §§ 158, 174 oder 191 FamFG[1] bestellt worden sind. Zusätzliche Voraussetzung der Steuerbefreiung ist, dass die Preise, die diese Einrichtungen verlangen, von den zuständigen Behörden genehmigt sind oder die genehmigten Preise nicht übersteigen; bei Umsätzen, für die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen die verlangten Preise unter den Preisen liegen, die der MwSt unterliegende gewerbliche Unternehmen für entsprechende Umsätze fordern. Auffällig ist, das mag ein Gesetzesversehen gewesen sein, dass § 4 Nr. 25 S. 3 Buchst. d UStG an dieser Stelle anders als die Formulierungen in § 4 Nr. 25 S. 3 Buchst. a bis c UStG nicht bestimmte Leistungen begünstigt, sondern bestimmte Einrichtungen als solche. Die Gesetzesformulierung enthält nicht einmal eine auf eine enge Auslegung gerichtete Formulierung wie z. B. "Leistungen aus der Tätigkeit als Verfahrensbeistand...", wie sie in vergleichbarer Form etwa in § 4 Nr. 11 UStG vorkommt. Das hieße, alle Tätigkeiten, die die Einrichtung ausführt, wären steuerfrei, also z. B. auch Warenverkäufe, wenn nur die weiteren Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind (wenn die Preise, die die Einrichtungen verlangen, von den zuständigen Behörden genehmigt sind oder die genehmigten Preise nicht übersteigen; bei Umsätzen, für die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen die verlangten Preise unter den Preisen liegen, die der MwSt unterliegende gewerbliche Unternehmen für entsprechende Umsätze fordern). Nach Sinn und Zweck der Regelung dürfte die Steuerbegünstigung allerdings so umfassend nicht sein. Nach der Gesetzesbegründung[2] sollen ab 1.1.2021 Einrichtungen, die als Verfahrensbeistand nach den §§ 158, 174 oder 191 FamFG zur Wahrnehmung der Interessen minderjähriger Kinder in Kindschaftssachen, in Abstammungssachen oder in Adoptionssachen bestellt wurden, als begünstigte Einrichtungen anerkannt sein. Das bedeutet, die Steuerbefreiung beschränkt sich auf diese Interessenwahrnehmungen.

 

Rz. 92b

Mit der ab 1.1.2021 geltenden Regelung ist der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung[3] den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung[4] gefolgt, wonach an der Tätigkeit eines Verfahrensbeistands in Kindschaftssachen aufgrund der hier vorliegenden besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern ein besonderes Gemeinwohlinteresse besteht. Die Pflege und Erziehung der Kinder und Jugendlichen obliege zwar primär den Eltern.[5] Verfolgten diese jedoch gegensätzliche Interessen, die mit denen ihrer Kinder in Konflikt geraten, müsse den Kindern die Möglichkeit eingeräumt werden, ihr eigenes Interesse in einer den Anforderungen des rechtlichen Gehörs[6] entsprechenden Eigenständigkeit im Verfahren geltend zu machen. Die Steuerbefreiung erfasst somit grundsätzlich die nach den §§ 158, 174 oder 191 FamFG erbrachten Beistandsleistungen sowohl von freiberuflich tätigen Rechtsanwälten, Pädagogen sowie Kinder- und Jugendpsychologen als auch von Mitarbeitern von Betreuungsvereinen, die vom Familiengericht zum Verfahrensbeistand bestellt wurden.

 

Rz. 92c

Der BFH[7] hatte entschieden, dass ein nach § 158 FamFG gerichtlich bestellter Verfahrensbeistand sich auf die unionsrechtliche Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen kann. Der Verfahrensbeistand sei als soziale Einrichtung i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL anerkannt. § 158 Abs. 1 FamFG sei als "spezifische Vorschrift" i. S. d.EuGH-Rechtsprechung zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL anzusehen. Hinsichtlich des Verfahrensbeistands liege weder ein rechtsanwaltliches Mandatsverhältnis vor, noch handele es sich um eine anwaltsspezifische Tätigkeit. Für Verfahrensbeistände lägen behördlich genehmigte Preise i. S. d. Art. 133 MwStSystRL vor. Soweit sich aus Abschn. 4.25.2 UStAE (alt) ergeben sollte, dass für gerichtlich bestellte Verfahrensbeistände auch die Berufung auf die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ausgeschlossen werde, folgte der BFH dem nicht. In dem Revisionsverfahren V R 34/19 muss der BFH auch noch entscheiden, ob Umsätze aus der Tätigkeit als Verfahrensbeistand nach § 158 FamFG nach nationalem Recht oder nach dem Unionsrecht von der USt befreit sind und ob es sich bei der Tätigkeit als Verfahrensbeistand nach §§ 158, 276, 317 FamFG um eine eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistung handelt.

 

Rz. 92d

Im Einzelnen sind die nach den §§ 158, 174 oder 191 FamFG erbrachten Beistandsleistungen steuerfrei. Nach § 158 Abs. 1 und 2 FamFG hat das Gericht dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Die Bestellung ist i. d. R. erforderlich, wenn das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht, in Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a BGB, wenn die t...

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