Rz. 44

Der Unternehmer kann den Antrag auf Besteuerung nach den Durchschnittssätzen nur mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahrs an widerrufen. Der Widerruf ist ebenso wie der Antrag nicht formgebunden. Der Widerruf muss nicht ausdrücklich gegenüber dem FA erklärt werden. Er kann auch stillschweigend durch schlüssiges Handeln erklärt werden, indem z. B. die Durchschnittssätze nicht mehr angewendet und stattdessen die Vorsteuer nach den allgemeinen Regeln des § 15 UStG abgezogen werden. Der Widerruf kann bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Jahrs, für das er erstmals gelten soll, erklärt werden. Zur Frage der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung vgl. Rz. 40.

 

Rz. 45

Nach dem Widerruf des Antrags auf Besteuerung nach Durchschnittssätzen ist ein erneuter Antrag nach § 23 UStG frühestens nach Ablauf von fünf Jahren möglich. Sollte der Unternehmer die Besteuerung nach Durchschnittssätzen in mehreren Berufs- oder Gewerbezweigen i. S. d. Anlage zur UStDV gewählt haben, kann er den Widerruf auf einzelne Bereiche beschränken. Die fünfjährige Sperrfrist wirkt dann nur für den Bereich, in dem der Widerruf wirksam geworden ist.

 

Rz. 46

Von dem Widerruf ist die Rücknahme des Antrags abzugrenzen. Nimmt der Unternehmer den Antrag auf Besteuerung nach Durchschnittssätzen zurück, bevor die Steuerfestsetzung zumindest eines Kalenderjahrs, für das sein Antrag gegolten hat, unanfechtbar geworden ist, liegt kein Widerruf mit der Wirkung der fünfjährigen Sperrfrist vor.[1]

 
Praxis-Beispiel

Rücknahme des Antrags vor formeller Bestandskraft

Unternehmer U hat im Januar 2020 bei seinem zuständigen FA den Antrag auf Besteuerung nach § 23 UStG für seine Buchbinderei gestellt. Der Antrag ist von seinem FA genehmigt worden, da alle Voraussetzungen vorlagen. Im März 2021 gibt U seine Jahreserklärung für 2020 ab, in der er die Vorsteuerbeträge nach den Durchschnittssätzen berechnet. Drei Wochen nach Abgabe der Erklärung stellt er fest, dass die tatsächliche Ermittlung der Vorsteuerbeträge nach § 15 UStG für ihn zu einem günstigeren Ergebnis führen würde. Er nimmt daraufhin seinen Antrag auf Besteuerung nach § 23 UStG zurück und gibt innerhalb der Rechtsbehelfsfrist eine geänderte Jahressteuererklärung für 2020 ab. Für U gilt keine fünfjährige Sperrfrist, da die Rücknahme nicht als Widerruf gilt, er kann somit auch schon wieder für 2021 die Besteuerung nach § 23 UStG beantragen.

 

Rz. 47

Wenn für einen Unternehmer, der seine Vorsteuerbeträge nach Durchschnittssätzen ermittelt, die Voraussetzungen zur Anwendung des § 23 UStG nicht mehr vorliegen, da er entweder buchführungspflichtig wird oder die Umsatzgrenzen des § 69 Abs. 3 UStDV im vorangegangenen Kj. überschritten worden sind, ist darin ebenfalls kein Widerruf des Antrags zu sehen, der eine fünfjährige Sperrfrist nach sich ziehen würde. Ein solcher Widerruf ist nach Auffassung der Finanzverwaltung entsprechend Abschn. 23.4 Abs. 4 UStAE aber darin zu sehen, wenn der Unternehmer bei Wiedereintritt der Voraussetzungen des § 23 UStG die Vorsteuerbeträge weiter nach den allgemeinen Grundsätzen des § 15 UStG ermittelt. Ein solcher Widerruf wirkt dann auf das Jahr zurück, in dem die Durchschnittssätze erstmals nicht angewendet werden durften, und begründet ab diesem Jahr den Lauf der Fünfjahresfrist zur Wiederbeantragung der Besteuerung nach Durchschnittssätzen.

 
Praxis-Beispiel

Folgen des Überschreitens der Umsatzgrenze

Unternehmer U hat für das Kj. 2018 erstmals die Besteuerung nach § 23 UStG für seinen Frisiersalon beantragt und durchgeführt. Im Kj. 2019 überschreitet er mit seinen Umsätzen die Umsatzgrenze von 61.356 EUR, sodass er im Kj. 2020 die Vorsteuerbeträge nicht nach den allgemeinen Durchschnittssätzen ermitteln kann. Die Überschreitung der Umsatzgrenze wirkt nicht als Widerruf des Antrags. Im Kj. 2020 erzielt er Umsätze i. H. v. 57.000 EUR, sodass er für das Kj. 2021 wieder die Vorsteuerbeträge nach § 23 UStG ermitteln könnte. Wenn er für 2021 die Vorsteuerbeträge weiterhin (wie in 2020) nach den allgemeinen Grundsätzen des § 15 UStG ermittelt, sieht die Finanzverwaltung darin einen Widerruf des Antrags mit der Folge, dass U erst nach Ablauf von fünf Jahren – gerechnet ab dem Kj. 2020 –, hier also frühestens zum Kj. 2025, die Besteuerung nach § 23 UStG wieder beantragen kann.

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