Rz. 170b

Bei den Telekommunikationsdienstleistungen i. S. v. § 13b Abs. 2 Nr. 12 S. 1 UStG schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist, dessen Haupttätigkeit in Bezug auf den Erwerb dieser Leistungen in deren Erbringung besteht und dessen eigener Verbrauch dieser Leistungen von untergeordneter Bedeutung ist (§ 13b Abs. 5 S. 6 1. Halbs. UStG). Damit wollte der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des Reverse-Charge-Verfahrens auf sog. Wiederverkäufer beschränken.

 

Rz. 170c

Nach Verwaltungsauffassung muss der Unternehmer mehr als die Hälfte der von ihm erworbenen Leistungen weiterveräußern. Der eigene Verbrauch dieser Leistungen ist dann von untergeordneter Bedeutung, wenn nicht mehr als 5 % davon zu eigenen (unternehmerischen sowie nichtunternehmerischen) Zwecken verwendet werden. Maßgeblich sollen die Verhältnisse im vorangegangenen Kalenderjahr sein. Werden zwar mehr als 5 %, aber nicht mehr als 10 %, der erworbenen Leistungen zu eigenen Zwecken verwendet, geht die Verwaltung weiterhin von einer untergeordneten Bedeutung aus, wenn die im Mittel der vergangenen drei Jahre zu eigenen Zwecken verbrauchten Leistungen 5 % der in diesem Zeitraum erworbenen Leistungen nicht überschritten haben. Im Unternehmen selbst erzeugte Leistungen bleiben bei dieser Beurteilung unberücksichtigt.[1]

 

Rz. 170d

Die Verwaltung geht davon aus, dass ein Unternehmer Wiederverkäufer ist, wenn er eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige Bescheinigung nach dem Vordruckmuster USt 1 TQ[2] im Original oder in Kopie vorlegt. In diesem Fall ist er als Leistungsempfänger Steuerschuldner, auch wenn er im Zeitpunkt der Leistung tatsächlich kein Wiederverkäufer ist. Dies soll auch dann gelten, wenn die Bescheinigung gefälscht ist, es sei denn, dem leistenden Unternehmer war die Fälschung bekannt.[3]

 

Rz. 170e

Nach Auffassung der Verwaltung spielt es für die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers keine Rolle, ob er die Bescheinigung gegenüber dem Leistenden verwendet. Wurde die Bescheinigung mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen und ist der Leistungsempfänger kein Wiederverkäufer (Rz. 170c), so schuldet der leistende Unternehmer nach Ansicht der Verwaltung die Steuer nur dann, wenn er davon Kenntnis hatte oder hätte haben können. Hatte er keine Kenntnis oder hätte er keine Kenntnis haben können, so wird von der Verwaltung aus Billigkeitsgründen nicht beanstandet, wenn beide Parteien einvernehmlich von der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers ausgehen und der Umsatz in zutreffender Höhe vom Leistungsempfänger versteuert wird.[4]

 

Rz. 170f

Im Falle einer Organschaft ist für die Anwendung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf die Eigenschaft als Wiederverkäufer (Rz. 170e) der einzelnen Organgesellschaft bzw. des Organkreises abzustellen. Nicht steuerbare Innenumsätze werden also nicht berücksichtigt. Die Bescheinigung nach Vordruckmuster USt 1 TG stellt das für den Organkreis für Umsatzsteuerzwecke zuständige FA für alle im Inland gelegene Unternehmensteile auf Antrag aus. Der Antrag ist vom Organträger zu stellen. Zum Inhalt des Antrags vgl. Abschn. 13b.3 Abs. 7 S. 6 UStAE.[5]

 

Rz. 170g

Die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft tritt auch dann ein, wenn die empfangenen Leistungen für den nichtunternehmerischen Bereich des Leistungsempfängers bestimmt sind.[6] Ausgenommen hiervon sind Leistungen, die ausschließlich an den nichtunternehmerischen Bereich von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden, auch wenn diese im Rahmen von Betrieben gewerblicher Art als Wiederverkäufer von Telekommunikationsdienstleistungen unternehmerisch tätig sind.[7]

 

Rz. 170h

Wohnungseigentümergemeinschaften sind für Telekommunikationsdienstleistungen als Leistungsempfänger nicht Steuerschuldner, wenn diese Leistungen als nach § 4 Nr. 13 UStG stfreie Leistungen an die einzelnen Wohnungseigentümer weitergegeben werden. Dies gilt auch, wenn die Eigentümergemeinschaft diese Umsätze nach § 9 Abs. 1 UStG als stpflichtig behandelt. Entsprechendes gilt auch für Vermieter, wenn sie Kommunikationsdienstleistungen (wozu auch die Bereitstellung von Internet- bzw. TV-Anschluss gehört[8]) als nach § 4 Nr. 12 UStG stfreie Nebenleistungen an die einzelnen Mieter weitergeben.[9] Diese Verwaltungsanweisung ignoriert, dass der EuGH[10] für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 13 UStG keine unionsrechtliche Grundlage sieht und dass nach der Rechtsprechung des EuGH[11] der Begriff der Nebenleistungen bei Vermietungsleistungen einschränkend auszulegen ist, sodass bei verbrauchsabhängiger Abrechnung der Nebenkosten keine unselbstständigen Nebenleistungen vorliegen.[12] Da die Verwaltung die Ausnahme von der Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens in den o. g. Fällen jedoch auch bei durch Option nach § 9 UStG stpflichtigen Leistungen zulässt, dürfte die Ausnahme auch dann greifen, wenn die o. g. Leistungen als stpflichtig anzusehen sind.

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