Rz. 91

Die gemeinschaftsrechtlichen Grundlagen für die Anzahl der Steuersätze, ihre Höhe und ihren Anwendungsbereich ergaben sich für die Zeit v. 1.1.1979 bis 31.12.2006 insbesondere aus Art. 12 und 28 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie. Ab 1.1.1993 ergeben sich sich aus Art. 93 bis 129 i. V. m. Anhang III MwStSystRL.

Die Steuersatzvorschriften der MwStSystRL haben sich in den letzten Jahren wie folgt geändert:

  1. mWv 1.1.2016 durch die Richtlinie (EU) 2016/856 v. 25.5.2016 – sog. 6. Normalsatz-Verlängerungsrichtlinie.[1] Hierdurch ist die Anwendung des Mindeststeuersatzes von 15 % beim Normalsatz bis 31.12.2017 verlängert worden (Rz. 29, Rz. 97);
  2. mWv 17.7.2018 durch die Richtlinie (EU) 2018/912 v. 22.6.2018 – sog. 7. Normalsatz-Verlängerungsrichtlinie.[2] Hierdurch ist die Anwendung des Mindeststeuersatzes von 15 % erstmals unbefristet verlängert worden (Rz. 29, Rz. 97);
  3. mWv 4.12.2018 durch die Richtlinie (EU) 2018/1713 v. 6.11.2018 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze für Bücher, Zeitungen und Zeitschriften.[3] Hierdurch ist es den EU-Mitgliedstaaten ermöglicht worden, auf Bücher in elektronischer Form (E-Books), auf Zeitungen und Zeitschriften in elektronischer Form (E-Paper) und vergleichbare elektronische Publikationen einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden. Deutschland hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht (§ 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG Rz. 1ff.);
  4. mWv 12.12.2020 durch die Richtlinie (EU) 2020/2020 v. 7.12.2020 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf zeitlich befristete Maßnahmen im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer für COVID-19-Impfstoffe und In-vitro-Diagnostika als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie.[4] Hierdurch wurde es den EU-Mitgliedstaaten durch Einfügung des Art. 129a MwStSystRL zeitlich befristet bis 31.12.2022 gestattet, einen ermäßigten Steuersatz auf die Lieferung von COVID-19-In-vitro-Diagnostika und damit zusammenhängende Dienstleistungen anzuwenden oder eine Steuerbefreiung mit Recht auf Vorsteuerabzug (sog. Nullsatz) auf die Lieferung von COVID-19-Impfstoffen und damit zusammenhängende Dienstleistungen. Soweit ersichtlich, haben wegen der Corona-Krise zahlreiche EU-Mitgliedstaaten hiervon Gebrauch gemacht und die MwSt-Sätze für bestimmte Waren abgesenkt oder auch Nullsteuersätze angewendet. Die Bundesregierung wollte für Deutschland eine entsprechende Maßnahme zwar prüfen[5], hat aber letztlich von der unionsrechtlichen Möglichkeit der Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes oder Nullsteuersatzes auf die entsprechenden Gegenstände keinen Gebrauch gemacht;
  5. mWv 6.4.2022 durch die Richtlinie (EU) 2022/542 des Rates v. 5.4.2022 zur Änderung der Richtlinien 2006/112/EG und (EU) 2020/285 in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze.[6] Hierbei handelt es sich um eine umfassende Überarbeitung der Regeln insbesondere für ermäßigte Steuersätze. Anhang III MwStSystRL mit den Gegenständen und Dienstleistungen, die für die Anwendung ermäßigter Steuersätze infrage kommen, ist grundlegend überarbeitet und ergänzt worden. Die EU-Mitgliedstaaten können weiterhin einen Regelsteuersatz von mindestens 15 % anwenden und dürfen zwei ermäßigte Steuersätze von mindestens 5 % auf die im neu gefassten Anhang III MwStSystRL beschriebenen Gegenstände anwenden. Darüber hinaus kann jeder EU-Mitgliedstaat einen ermäßigten Steuersatz von weniger als 5 % (stark ermäßigter Steuersatz) und eine Steuerbefreiung mit Recht auf Vorsteuerabzug (sog. Nullsteuersatz) auf Gegenstände und Dienstleistungen anwenden, die zur Deckung der Grundbedürfnisse dienen. Auch Sonnenkollektoren wurden neu in Anhang III Nr. 10c MwStSystRL aufgenommen, um dem europäischen Green Deal zu entsprechen und den EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu geben, die Nutzung erneuerbarer Energiequellen durch ermäßigte Steuersätze (einschließlich sog. Nullsteuersätze) zu fördern.[7]

    Die EU-Mitgliedstaaten müssen bis zum 31.12.2024 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen und veröffentlichen, die erforderlich sind, um den neuen Regeln zu entsprechen, die ab dem 1.1.2025 gelten sollen (vgl. im Einzelnen Rz. 106i ff.). Deutschland hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen sog. Nullsteuersatz auf die Lieferungen, innergemeinschaftlichen Erwerbe, Einfuhren und Installationen von Fotovoltaikanlagen und deren Komponenten (inklusive Stromspeicher) anzuwenden (vgl. im Einzelnen § 12 Abs. 3 UStG Rz. 1ff.). Außerdem hat Deutschland entsprechend der Möglichkeit in der neuen Nr. 22 des Anhangs III MwStSystRL in der Zeit vom 1.10.2022 bis 31.3.2024 die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 7 % auf die Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz und von Fernwärme zugebilligt.[8] Im Übrigen hat sich die Bundesregierung noch nicht festgelegt, ob und ggf. welche weiteren Änderungen bei der Anwendung der ermäßigten Steuersätze in Deutschland künftig vorgesehen sind.[9]

[1] ABl EU 2016 Nr. L 142, 12.
[2] ABl EU 2018 Nr. L 162, 1.
[3] ABL EU 2018 Nr. L 286, 20.
[4] ABl EU 2020 Nr. L 419, 1.
[5] Antwort der Bundesregierung auf...

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