Rz. 42

Gesetzesänderungen sind – soweit nichts anderes bestimmt ist – auf Umsätze anzuwenden, die ab dem Inkrafttreten der maßgeblichen Änderungsvorschriften ausgeführt werden (§ 27 Abs. 1 S. 1 UStG). Das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz ist weitgehend am Tag nach der Verkündung des Gesetzes, also am 1.7.2020 in Kraft getreten (Rz. 32). Außerdem ist in § 28 Abs. 1 bis 3 UStG ausdrücklich geregelt, dass die abgesenkten Steuersätze für Umsätze in der Zeit vom 1.7. bis 31.12.2020 gelten. Somit sind die neuen Steuersätze von 16 % bzw. 5 % auf Lieferungen, sonstige Leistungen und die innergemeinschaftlichen Erwerbe anzuwenden, die vom 1.7.2020 bis zum 31.12.2020 bewirkt werden. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem der jeweilige Umsatz ausgeführt wird. Nicht maßgebend sind dagegen der Zeitpunkt der Angebotsabgabe, der Bestellung, des Vertragsabschlusses, der Rechnungserteilung und des Eingangs der Zahlung beim Unternehmer. Der Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes für die Bestimmung des zutreffenden USt-Satzes ist auch für Unternehmer maßgebend, die ihre Umsätze in Anwendung von § 20 UStG zutreffend nach vereinnahmten Entgelten (sog. Istbesteuerung) versteuern. Die Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) ist bei Einfuhren aus dem Drittlandsgebiet im zweiten Halbjahr 2020 ebenfalls mit den abgesenkten Steuersätzen von 16 % bzw. 5 % zu berechnen.

 

Rz. 43

Eine Lieferung ist grundsätzlich bewirkt (ausgeführt), wenn der Leistungsempfänger die Verfügungsmacht über den Liefergegenstand erlangt (Verschaffung der Verfügungsmacht). Bei sog. Abhollieferungen (Lieferungen, bei denen der Kunde die gekaufte Ware abholt bzw. mitnimmt) ist dies der Zeitpunkt, in dem die Ware an den Kunden ausgehändigt wird. Beförderungs- oder Versendungslieferungen (§ 3 Abs. 6 UStG) gelten als zum Zeitpunkt des Beginns der Beförderung oder Versendung ausgeführt.[1] Insbesondere bei Bestellungen bzw. Auftragsvergaben ab dem 3.6.2020, als die bevorstehende Senkung der USt-Sätze angekündigt war, konnten Lieferer und Abnehmer den Zeitpunkt der Auslieferung des Gegenstands steuern, um bei Auslieferung bzw. Übergabe nach dem 30.6.2020 in den Genuss der abgesenkten Steuersätze von 16 % bzw. 5 % zu kommen.

 

Rz. 44

Beim Umtausch einer Ware wird die ursprüngliche Lieferung rückgängig gemacht. An ihre Stelle tritt eine neue Lieferung. Wird eine vor dem 1.7.2020 gelieferte Ware im zweiten Halbjahr 2020 umgetauscht, ist auf die Lieferung der Ersatzware der abgesenkte Steuersatz von 16 % bzw. 5 % anzuwenden. Dies gilt jedoch nur, wenn die gekaufte Ware tatsächlich zurückgegeben und die Ersatzware tatsächlich ausgeliefert wird, nicht jedoch für einen Warenumtausch, der nur auf dem Papier stattfindet. Ein umsatzsteuerlich anzuerkennender Umtausch liegt sicherlich auch nicht vor, wenn eine vor dem 1.7.2020 erworbene und übergebene Ware zurückgegeben und genau dieselbe unveränderte Ware im zweiten Halbjahr 2020 erneut ausgeliefert wird.

 

Rz. 45

Werklieferungen sind Leistungen aufgrund eines Werkvertrags, bei der der Werkvertragsunternehmer von ihm beschaffte Hauptstoffe verwendet (§ 3 Abs. 4 UStG). Sie sind oft bei Bauleistungen von Bedeutung (z. B. Erstellung eines Rohbaus, Bauhandwerkerleistungen). Werklieferungen werden grundsätzlich mit der Abnahme des fertigen Werks durch den Auftraggeber ausgeführt. Dies gilt auch für Bauwerke oder einzelne Teile davon, wenn die technische Fertigstellung bereits zeitlich früher erfolgt ist. Dies bedeutet, dass bei einer Verlagerung der Abnahme des fertigen Werks in das zweite Halbjahr 2020 das gesamte Werk dem abgesenkten allgemeinen Steuersatz von 16 % unterworfen wird.

Es können aber auch Teilleistungen (Rz. 58f.) vereinbart werden, die mit der Abnahme der Teilleistung ausgeführt werden. Alle Teilleistungen, die im zweiten Halbjahr 2020 ausgeführt werden, unterliegen dem Steuersatz von 16 %. Wurden bislang bei einem Bauvorhaben keine Teilleistungen vereinbart, verlangt die Verwaltung im BMF v. 30.6.2020[2], dass die nachträgliche Vereinbarung von Teilleistungen nur anerkannt wird, wenn sie vor dem 1.7.2020 erfolgte.[3]

M.E ist diese Verwaltungsvorschrift so zu verstehen, dass sie für beabsichtigte Teilleistungen gilt, die noch vor dem 1.7.2020 hätten ausgeführt werden sollen. Bei Teilleistungen, die im zweiten Halbjahr 2020 ausgeführt werden sollen, müsste m. E. dagegen eine nachträgliche Vereinbarung möglich sein.

 

Rz. 46

Auch bei Lieferungen i. S. d. § 3 Abs. 1b UStG (Entnahmen von Waren oder Anlagegegenständen aus dem Unternehmensvermögen) ist der Zeitpunkt der Entnahme für die Bestimmung des zutreffenden Steuersatzes maßgeblich. Unternehmer (z. B. Gaststätten, Bäckereien, Metzgereien, Cafés), die ihre Sachentnahmen nach den vom BMF festgesetzten Pauschbeträgen ansetzen[4], wenden bei Entnahmen im zweiten Halbjahr 2020 die abgesenkten Steuersätze von 16 % bzw. 5 % auf die dort aufgeführten Netto-Pauschbeträge an.

Für das Jahr 2021 hatte die Verwaltung zunächst unterschiedliche Pauschbeträge für das erste Halbjahr und das zweite Halbjahr bekannt...

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