Rz. 828

Die vorstehende Fassung der Nr. 55 der Anlage 2 des UStG beruht auf Art. 12 Nr. 21 des Gesetzes v. 12.12.2019[1] Hierdurch werden Menstruationsartikel erstmals in die Steuerermäßigung einbezogen. Die Neuregelung ist am 1.1.2020 in Kraft getreten (Art. 39 Abs. 2 JStG 2019). Der ermäßigte USt-Satz für die Monatshygieneprodukte ist somit auf Umsätze (Lieferungen, Einfuhren, innergemeinschaftliche Erwerbe) anzuwenden, die nach dem 31.12.2019 ausgeführt werden. Unionsrechtlich ist es den EU-Mitgliedstaaten schon seit Jahren erlaubt, u. a. auf Erzeugnisse für Zwecke der Empfängnisverhütung und der Monatshygiene einen ermäßigten MwSt-Satz anzuwenden.[2]

 

Rz. 829

Die Erweiterung der Anlage 2 des UStG um die neue Nr. 55, wonach Erzeugnisse für Zwecke der Monatshygiene erstmals dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, war weder im sog. Referentenentwurf noch im Regierungsentwurf eines JStG 2019[3] enthalten. Die neue Steuerermäßigung ist erst im Laufe der parlamentarischen Beratungen, insbesondere im zuständigen BT-Finanzausschuss, in das JStG 2019 aufgenommen worden. Der BT-Finanzausschuss hat hierzu das BMF um eine sog. Formulierungshilfe gebeten und diese auch erhalten. Als Begründung für die neue Steuerermäßigung weist der BT-Finanzausschuss lediglich darauf hin, dass die MwStSystRL die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Erzeugnisse für Zwecke der Monatshygiene zulasse (vgl. Rz. 828). Mit der Änderung der Anlage 2 des UStG werde diese unionsrechtliche Option in nationales Recht umgesetzt.[4]

 

Rz. 830

Im Mai 2019 hatte die Bundestagsfraktion DIE LINKE einen Antrag gestellt, die USt auf Menstruationsprodukte auf den ermäßigten Steuersatz von 7 % abzusenken.[5]

Die Fraktion DIE LINKE begründet ihren Antrag u. a. damit, dass derzeit auf Menstruationsprodukte der allgemeine Steuersatz angewendet werde und diese damit nicht als Güter des täglichen Bedarfs gelten würden, die unter den ermäßigten USt-Satz fallen würden. Dies stelle eine besonders offensichtliche Ungerechtigkeit zu Lasten der Frauen dar. Der Deutsche Bundestag solle die Bundesregierung auffordern, einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem Menstruationsprodukte in die Anlage 2 des UStG aufgenommen werden. Der Bundestag hat diesen Antrag auf Vorschlag des BT-Finanzausschusses zwar abgelehnt, gleichwohl aber die Steuerermäßigung für Menstruationsprodukte bereits im Rahmen des JStG 2019 durch die Aufnahme einer neuen Nr. 55 in die Anlage 2 des UStG gewährt.

 

Rz. 830a

Durch die Richtlinie (EU) 2022/542 des Rates v. 5.4.2022 zur Änderung der Richtlinien 2006/112/EG und (EU) 2020/285 in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze[6] ist das Unionsrecht mWv 6.4.2022 hinsichtlich der Anwendung ermäßigter Steuersätze umfassend neu gefasst worden. Den EU-Mitgliedstaaten ist ein größerer Spielraum eingeräumt worden, ermäßigte und stark ermäßigte Steuersätze oder Nullsteuersätze anzuwenden (§ 12 UStG Rz. 91 und 106i ff.). Unter anderem können die EU-Mitgliedstaaten ab dem 6.4.2022 Nullsteuersätze auf bestimmte Hygieneartikel anwenden. Laut Frage 13 einer Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion an die Bundesregierung mit dem Titel "Neue Handlungsspielräume bei Umsatzsteuersätzen" (§ 12 UStG Rz. 106m) sollte sich die Bundesregierung unter anderem dazu äußern, ob sie den USt-Satz auf Hygieneartikel abzusenken beabsichtige und welche Steuermindereinnahmen bei einer Steuersatzsenkung für Hygieneartikel zu erwarten wären. Die Bundesregierung antwortete, derzeit (Juli 2022) existiere keine Entscheidung der Bundesregierung, ob und in welchem Umfang eine Änderung der ermäßigten USt-Sätze initiiert werden soll.[7]

Die Steuermindereinnahmen aus einer Senkung des USt-Satzes für Damenhygieneartikel, Haushaltspapier, Inkontinenzprodukte, Taschentücher und Toilettenpapier auf 0 % schätzte die Bundesregierung auf rund 0,7 Mrd. EUR für das Jahr 2022.

[1] Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 12.12.2019, BGBl I 2019, 2451, wegen der Änderung von Vorschriften zu zahlreichen unterschiedlichen Steuerarten und des sperrigen offiziellen Titels in der Literatur oft als Jahressteuergesetz 2019 – JStG 2019 – bezeichnet.
[3] Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/13436.
[4] Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) v. 7.11.2019, BT-Drs. 19/14909, 51.
[5] Antrag der Fraktion DIE LINKE v. 16.5.2019, BT-Drs. 19/10280, 1.
[6] ABl EU 2022 Nr. L 107, 1.
[7] Antwort der Bundesregierung v. 15.7.2022 auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, BT-Drs. 20/2833; siehe hierzu Widmann, UR 2022, 681.

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