Leitsatz

Wird ein Ertragsanteil aufgrund eines Schreibfehlers falsch berechnet, stellt dies eine offenbare Unrichtigkeit dar.

 

Sachverhalt

Der 1940 geborene Kläger bezog ab 1995 bis zum Beginn der Altersrente u. a. eine Berufsunfähigkeitsrente. Mit der Einkommensteuererklärung 1995 reichte er seine Rentenbescheide ein. In der Steuererklärung wurde versehentlich als Geburtsjahr 1948 angegeben. Als Datum, bis zu welchem die Rente laufe, wurde versehentlich der 7.12.2000 angegeben. Auf der Grundlage dieser falschen Zahlen ermittelte das Finanzamt einen Ertragsanteil von 31 % statt eines zutreffenden Anteils von 21 %. Dieser falsche Ertragsanteil wurde in den Folgejahren zugrunde gelegt. Mit Schreiben v. 13.9.2005 beantragte die Steuerberaterin des Klägers die Änderung der bestandskräftigen Veranlagungen der Jahre 2002 und 2003 gemäß § 129 AO. Das Finanzamt wies den Antrag zurück, da es sich bei dem Schreibfehler nicht um eine offenbare Unrichtigkeit gehandelt habe. Hieraufhin legten die Kläger Einspruch ein und beantragten die Änderung aller noch nicht verjährten Veranlagungen ab 1994. Das Finanzamt verwarf die Einsprüche. Die Jahre 1994 bis 2001 seien verjährt, im Übrigen lägen für die Jahre 2002 und 2003 die Voraussetzungen des § 129 AO nicht vor. Im Klageverfahren wurde hierzu insbesondere ausgeführt, § 129 AO gelte nicht für Fehler des Steuerpflichtigen, es sei denn, das Finanzamt übernehme eine in der Steuererklärung enthaltene offenbare Unrichtigkeit. Gegen die Entscheidung für 2002 und 2003 wandten sich die Kläger mit einer Verpflichtungsklage.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Klage statt, das Finanzamt wurde zur Änderung der Veranlagungen 2002 und 2003 verpflichtet. Das Gericht führte aus, hier sei ein offensichtlicher Fehler im Sinne von § 129 AO gegeben. Als solche kämen Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in Betracht und zwar auch, wenn der Fehler dem Steuerpflichtigen unterlaufen sei und das Finanzamt diesen Fehler als eigenen übernimmt. Hier könne davon ausgegangen werden, dass das falsche Geburtsdatum auf einem Schreibfehler beruhe. Dieses wurde vom Finanzamt übernommen. Der Fehler sein offenbar, weil in der Lohnsteuerkarte und den Rentenbescheiden das richtige Geburtsdatum gestanden habe. Eine inhaltliche Überprüfung der Angaben habe nicht stattgefunden, so dass sich das Finanzamt insgesamt den Fehler zu Eigen gemacht habe. Dies gelte auch für die Jahre 2002 und 2003. Es sei nicht zu erkennen, dass nach einem Bearbeiterwechsel im Finanzamt eine neue Würdigung des Sachverhalts erfolgt sei.

 

Hinweis

Das Urteil stellt sehr informativ die Voraussetzungen dar, unter denen eine bestandskräftige Steuerfestsetzung nach § 129 AO geändert werden kann. Insbesondere behandelt es die Frage, wann ein offenbarer Fehler, der dem Steuerpflichtigen unterlaufen ist, zu einer Änderung nach § 129 AO führen kann. Grundsätzlich ist es nämlich durchaus zutreffend, dass § 129 AO nicht für offenbare Unrichtigkeiten des Steuerpflichtigen gilt (vgl. Tipke, in Tipke/Kruse, AO, § 129 AO Tz. 15). Dies ist nur dann der Fall, wenn der Fehler des Steuerpflichtigen offen zu Tage tritt, etwa durch Anlagen zur Steuererklärung, und das Finanzamt den Fehler als eigenen Fehler übernommen hat [1]. Da hier die allgemeinen Beweislastregeln gelten (Tipke, in Tipke/Kruse, AO, § 129 AO Tz. 16) muss damit der Steuerpflichtige in einem solchen Fall die Voraussetzungen des § 129 AO beweisen, was im Einzelfall durchaus schwierig sein dürfte. Die Kläger in diesem Fall des FG Baden-Württemberg konnten diesen Beweis führen.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

 

Link zur Entscheidung

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.01.2009, 6 K 150/06

[1] Vgl. BFH, Urteil v. 24.7.1984 - VIII R 304/81, BStBl 1984 II S. 785, BFH, Urteil v. 2.4.1987 - IV R 255/84, BStBl 1987 II S. 762

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