Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung für Lohnsteuer 2. Halbjahr 1990

 

Tenor

1. Der Haftungsbescheid vom … und die Einspruchsentscheidung vom … werden insoweit aufgehoben, als die Klägerin darin für Lohnsteuer 1990 in Höhe von … – DM als Haftende in Anspruch genommen wurde.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob im August 1990 ausgezahlte Sondervergütungen getrennt oder, wie vom damals zuständigen Finanzamt … (FA) angenommen, zusammen mit dem übrigen Lohn nach der Lohnsteuertabelle zu versteuern sind und ob der hierwegen vom Finanzamt gegenüber der Klägerin erlassene Haftungsbescheid deshalb rechtswidrig ist, weil das Finanzamt sein Entschließungsermessen nicht hinreichend ausgeübt und begründet hat.

Die Klägerin (Kl) zahlte an ihre Arbeitnehmer im August 1990 für erhöhte Belastungen in den Monaten Juni und Juli 1990 eine Sondervergütung in Höbe eines Bruttomonatslohns, die sie zur Milderung der Progression getrennt von der monatlichen Vergütung nach der Steuertabelle besteuerte. Die Sonderzahlung beruht auf der Vereinbarung zur Erhöhung der Löhne und Gehälter vom 12. Juli 1990 zwischen der Gewerkschaft … und dem … Verband der DDR e.V. Die Vereinbarung gilt u.a. für alle in den Geschäftsstellen des … verbandes der DDR und seiner Landesverbände beschäftigten Arbeitnehmer, die nach dem zugrundeliegenden Rahmenkollektivvertrag über die Arbeits- und Lohnbedingungen der Werktätigen entlohnt werden. § 2 der Vereinbarung regelt mit Wirkung ab 01.07.1990 in kraft tretende Lohn- und Gehaltserhöhungen. Der die Sonderzahlung festlegende § 3 hat folgenden Wortlaut:

㤠3: Sonderzahlungen

Für die außerordentlich hohen Belastungen in den Monaten Juni und Juli 1990 wird eine einmalige Sonderzahlung in Hohe eines Bruttomonatsgehalts geleistet. Damit entfällt die weitere Bildung des Betriebsprämienfonds im Jahre 1990. Vorhandene Prämienmittel können zur Finanzierung dieses Sondergehaltes mit eingesetzt werden.

Die Sonderzahlung erfolgt im August 1990 in Höhe eines Bruttomonatsgehalts des Monats Juli 1990. Sie unterliegt der Sozialversicherungs- und Lohnsteuerpflicht. Die Lohnsteuer sowie die Beiträge vom Sondergehalt sind getrennt vom Monatsgehalt August zu berechnen.”

Im Anschluß an eine im Jahre 1994 durchgeführte Lohnsteueraußenprüfung vertrat das FA die Auffassung, daß das Zusatzgehalt nicht getrennt, sondern zusammen mit den übrigen Lohnzahlungen im Monat August der Lohnsteuer hätte unterworfen werden müssen, weil gemäß § 9 der Verordnung über die Besteuerung des Arbeitseinkommens (AStVO) in der Fassung des Steueranpassungsgesetzes die Steuer vom Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Lohneinkünfte nach den Lohnsteuer-Tabellen für monatliche Lohnsteuer zu bemessen sei.

Demgemäß erließ das Finanzamt am 05.12.1994 einen zunächst auf § 42d, § 59 Abs. 3 EStG und im Einspruchsverfahren auch auf § 20 Abs. 4 AStVO gestützten Haftungsbescheid, in dem es den aus der gebotenen Zusammenfassung der Lohneinkünfte resultierenden Steuermehrbetrag von … DM geltend machte.

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Ihre beim Finanzamt und beim Finanzgericht gestellten Anträge auf Aussetzung der Vollziehung hatten keinen Erfolg. In seinem AdV-Beschluß vom … gelangte das Sächsische Finanzgericht zu dem Ergebnis, daß keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids bestünden, daß das Finanzamt auch sein Auswahlermessen nicht verletzt habe und daß für ein Entschließungsermessen und demgemäß für Erwägungen zum Vorliegen eines entschuldbaren Rechtsirrtums der Klägerin kein Raum sei. Denn § 20 Abs. 4 AStVO habe dem Steuergläubiger im Gegensatz zu § 42d EStG insoweit einen Ermessensspielraum nicht eingeräumt. Mit Schreiben vom 09.01.1997 stellte das Finanzamt der Klägerin unter Bezugnahme auf den ablehnenden AdV-Beschluß des Sächsischen Finanzgerichts anheim, die Erfolgsaussichten ihres Einspruchs nochmals zu überprüfen. Da die Klägerin an ihrem Rechtsschutzbegehren festhielt, wies das Finanzamt mit Entscheidung vom 10.04.1997 den Einspruch als unbegründet zurück. Es vertrat die Auffassung, daß es das Auswahlermessen fehlerfrei ausgeübt habe, indem es die Klägerin als Arbeitgeber in Anspruch genommen habe, da eine Inanspruchnahme der Arbeitnehmer nach § 20 Abs. 4 AStVO ausgeschlossen sei.

Unter der bei den Finanzamtsakten verbliebenen und vom Sachgebietsleiter unterschriebenen Ausfertigung der Einspruchsentscheidung befindet sich der nachfolgende handschriftliche Vermerk: „Auch befand sich die Einspruchsführerin (Ef) in keinem entschuldbaren Rechtsirrtum. Sie hätte sich über die steuerliche Behandlung von Sonderzahlungen informieren müssen. Das FA war daher gehalten, wollte es nicht den Steuerausfall in Kauf nehmen, die Ef als Haftende für Lo...

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