Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als 1 Jahr sind nach § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB abzuzinsen. Dazu sind neben dem nominellen Verpflichtungsbetrag die beiden Parameter

  • Abzinsungszinssatz und
  • Restlaufzeit

zu bestimmen. Mithilfe dieser Parameter ist der Barwert des nominellen Verpflichtungsbetrags zu berechnen. Der so ermittelte, abgezinste nominelle Verpflichtungsbetrag (= Barwert) entspricht dem Erfüllungsbetrag.

Die Abzinsung von Rückstellungen erfolgt nach IDW RS HFA 34, Rz. 34 f. auch für verzinsliche Verpflichtungen. Die bei Fälligkeit anfallenden Zinsen sind in die Ermittlung des nominellen Verpflichtungsbetrags der Verpflichtung einzubeziehen. Als Beispiel nennt IDW RS HFA 34, Rz. 34, Zinsen auf am Bilanzstichtag strittige Schadensersatzverpflichtungen und Prozesskosten.

3.2.1 Abzinsungssatz

Die Abzinsung ist mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen 7 Geschäftsjahre entsprechend der Restlaufzeit der Rückstellung vorzunehmen.[1]

Die Zinssätze gem. § 253 Abs. 2 HGB werden von der Deutschen Bundesbank nach Maßgabe der Rückstellungsabzinsungsverordnung (RückAbzinsV) mit 2 Nachkommastellen ermittelt und auf ihrer Website bekannt gemacht.[2]

3.2.2 Restlaufzeit

Die Restlaufzeit ist eine wichtige Größe im Zuge der Wertermittlung einer Rückstellung, denn

  • über die Dauer der Restlaufzeit sind Kostensteigerungen bei der Ermittlung des nominellen Verpflichtungsbetrags zu berücksichtigen,
  • entsprechend der Restlaufzeit ist der Zinssatz für die Abzinsung der Rückstellung als "restlaufzeitadäquater" Zinssatz zu bestimmen und
  • über diesen Zeitraum hat die Abzinsung (bzw. die Berechnung des Abzinsungsfaktors) zu erfolgen.

Die Restlaufzeit von Verpflichtungen entspricht nach § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB dem Zeitraum zwischen dem aktuellen Abschlussstichtag und dem Zeitpunkt der voraussichtlichen Inanspruchnahme aus der Verpflichtung. Ein konkreter Zeitpunkt lässt sich z. B. bestimmen bei Gratifikations- und Jubiläumsverpflichtungen oder Abfindungsverpflichtungen.

In vielen Fällen lässt sich der Zeitpunkt der Inanspruchnahme jedoch nicht zeitpunktgenau ableiten. In diesen Fällen ist der Zeitpunkt daher zu schätzen. Dabei ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem das Unternehmen frühestens in Anspruch genommen werden kann.[1] Dementsprechend ist bei vertraglichen Verpflichtungen, bei denen ein Kündigungsrecht durch den Bilanzierenden besteht, nach IDW HFA 34.38 auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Bilanzierende das Vertragsverhältnis frühestens kündigen kann.

[1] Vgl. Kessler/Bertram/Heusinger-Lange, in Bertram/Brinkmann/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, § 253 HGB Rz. 136, Stand: 19.10.2021.

3.2.3 Änderung der Berechnungsparameter

Der bilanzielle Wertansatz von abgezinsten Rückstellungen ist jährlich allein schon deshalb neu zu berechnen, da der Barwert mit der um den Zeitfortschritt veränderten Restlaufzeit (neu) berechnet werden muss. Dabei sind Änderungen der Bewertungsparameter

  • nomineller Verpflichtungsbetrag,
  • Abzinsungssatz und
  • Restlaufzeit

ebenfalls zu berücksichtigen.

Die durch die Deutsche Bundesbank ermittelten Zinssätze sind laufzeitadäquate Zinssätze. Dadurch kommt es bei der jährlichen Neuberechnung der Rückstellung zum Bilanzstichtag i. d. R. zu einer Änderung des für die Berechnung zugrunde zu legenden Zinssatzes. Denn allein aufgrund der Reduzierung der Restlaufzeit durch Zeitablauf ist bei normaler Zinsstruktur (auch bei unverändertem Zinsniveau) ein anderer Zinssatz anzuwenden als im Vorjahr.

Nach § 277 Abs. 5 HGB müssen Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personengesellschaften i. S. d. § 264a HGB Effekte aus der Auf- und Abzinsung von Rückstellungen in der Gewinn- und Verlustrechnung gesondert unter dem Posten "Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge" bzw. "Zinsen und ähnliche Aufwendungen" ausweisen.

Das Gesetz lässt offen, ob der Effekt aus der Änderung der Höhe des anzuwenden Zinssatzes und einer geänderten Schätzung der Restlaufzeit im Finanzergebnis oder im operativen Ergebnis auszuweisen ist. Nach IDW HFA RS 34, Rz. 49 können Effekte aus der Änderung des Abzinsungssatzes sowie einer geänderten Schätzung der Restlaufzeit daher einheitlich entweder im operativen Ergebnis oder im Finanzergebnis ausgewiesen werden. Der Bilanzierende hat diesbezüglich ein Ausweiswahlrecht, das stetig auszuüben ist.[1]

Damit zeigt sich, dass der Bilanzierende im Zuge der Berechnung und Verbuchung einer Rückstellung einige Festlegungen treffen muss. Die Auswirkungen der unterschiedlichen "Wahlrechte" auf die Berechnungsmethodik einer Rückstellung und deren Verbuchung wird im folgenden Beispiel für Kapitalgesellschaften dargestellt.

Hinweis: Das Beispiel berücksichtigt nicht im konkreten Einzelfall ggf. bestehende Einschränkungen durch den Stetigkeitsgrundsatz.

 
Praxis-Beispiel

Handelsrechtliche Abzinsung

Die Huber GmbH schätzt die nominale Verpflichtun...

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