Leitsatz

§ 16 Abs. 5 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) steht einer Aufhebung der Grunderwerbsteuer nach § 16 Abs. 2 GrEStG nicht entgegen, wenn der Notar den Erwerbsvorgang zwar nicht innerhalb der für ihn geltenden Frist des § 18 GrEStG anzeigt, seine Anzeige bei dem zuständigen Finanzamt aber noch innerhalb der für den Steuerschuldner geltenden Frist des § 19 GrEStG eingeht.

 

Normenkette

§ 16 Abs. 2 und 5, § 18 Abs. 3, § 19 Abs. 3 GrEStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin war an einer Objektgesellschaft (GmbH) mit 90,1 % beteiligt. Die restlichen 9,9 % hielt eine AG. Die GmbH war Eigentümerin eines Wohn- und Geschäftshauses. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 22.12.2016 verkaufte die AG ihren Anteil an der GmbH an die Klägerin zum Kaufpreis von 2.475 EUR. Der Vertrag stand unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch den Vorstand der AG C, die nach der ausdrücklichen Regelung im Vertrag mit Zugang beim Notar wirksam werden sollte. Die Genehmigung des C ging dem Notar am 30.12.2016 zu.

Am 30.12.2016 übersandte der beurkundende Notar eine Kopie des Vertrages an das für die Besteuerung von Körperschaften zuständige FA. Bei dem beklagten FA, das zuständig für die Festsetzung der GrESt war, ging die Veräußerungsanzeige des Notars samt Kopie des Vertrages vom 22.12.2016 am 12.1.2017 ein. Mit Bescheid vom 2.5.2018 setzte das FA gegen die Klägerin GrESt fest.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 12.6.2018 trat die Klägerin 9,9 % ihrer Anteile an der GmbH wieder entgeltlich an die AG zum Kaufpreis von 2.475 EUR ab. Am 19.6.2018 beantragte sie die Aufhebung des GrESt-Bescheids vom 2.5.2018 nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG. Dies lehnte das FA ab. Es war der Auffassung, dass der Aufhebung § 16 Abs. 5 GrEStG entgegensteht. Der Vertrag vom 22.12.2016 sei erst am 12.1.2017 und damit nicht fristgerecht i.S.d. § 18 Abs. 3 GrEStG beim FA angezeigt worden. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (FG München, Urteil vom 20.1.2021, 4 K 270/20, Haufe-Index 14323643).

 

Entscheidung

Die Revision war begründet. Sie führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Verpflichtung des FA, die streitigen GrESt-Bescheide aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Steuerfestsetzung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG waren erfüllt. § 16 Abs. 5 GrEStG stand der Aufhebung der Steuerfestsetzung nicht entgegen.

 

Hinweis

1. Die GrESt wird nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auf Antrag nicht festgesetzt bzw. aufgehoben, wenn das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurückerworben wird. Dies gilt sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang. Voraussetzung hierfür ist, dass der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang stattfindet.

2.§ 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG erfasst über seinen Wortlaut hinaus auch Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG. Danach konnte im vorliegenden Fall auch die Rückübertragung der Anteile an der GmbH, die innerhalb von zwei Jahren erfolgte, zur Aufhebung der GrESt nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG führen.

3. Jedoch schließt § 16 Abs. 5 GrEStG den Anspruch auf Aufhebung der Steuerfestsetzung aus, wenn ein Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt wurde. Die Vorschrift dient einerseits der Sicherung der Anzeigepflichten aus §§ 18 und 19 GrEStG und soll andererseits dem Anreiz entgegenwirken, durch Nichtanzeige einer Besteuerung den in dieser Vorschrift genannten Erwerbsvorgängen zu entgehen. Den Beteiligten soll die Möglichkeit genommen werden, die Erwerbsvorgänge ohne weitere steuerliche Folgen wieder aufheben zu können, sobald den Finanzbehörden ein solches Geschäft bekannt wird.

4. Die Anzeigepflichten für den Notar nach § 18 GrEStG und für den Steuerschuldner nach § 19 GrEStG bestehen grundsätzlich selbstständig nebeneinander. Sie sind innerhalb von zwei Wochen zu erfüllen, knüpfen jedoch an verschiedene Ereignisse an und können deshalb zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnen.

5. Ein Notar hat über einen Rechtsvorgang, den er beurkundet hat, nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 GrEStG innerhalb von zwei Wochen nach der Beurkundung Anzeige zu erstatten, auch wenn die Wirksamkeit des Rechtsvorgangs – wie im vorliegenden Fall – von einer Genehmigung abhängt.

6. Ein Gesellschafter hat ein Rechtsgeschäft i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nach § 19 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 13 Nr. 5 GrEStG innerhalb von zwei Wochen, nachdem er von dem anzeigepflichtigen Vorgang Kenntnis erhalten hat, anzuzeigen. Voraussetzung dafür ist, dass das Rechtsgeschäft wirksam ist. Hängt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts von einer Genehmigung ab, ist der Erwerbsvorgang erst im Zeitpunkt des Eintritts der Genehmigung erfüllt (§ 14 Nr. 2 GrEStG). In diesem Fall beginnt die Frist für die Anzeige nach § 19 Abs. 3 GrEStG erst mit Kenntnis von dem Vorliegen der Genehmigung.

7. Die Anzeige muss an die GrESt-Stelle des zuständigen FA übermittelt werden. Ist di...

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