Leitsatz (amtlich)

1. Soll der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung abberufen werden, der zugleich Gesellschafter ist, so können sich auch dann, wenn die Satzung dies nicht ausdrücklich vorsieht, unter dem Gesichtspunkt bestehender Treuebindungen Einschränkungen der freien Abberufbarkeit ergeben. Dabei dürfen die Anforderungen aber nicht auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes gesteigert werden. Es genügt, wenn nach den Gesamtumständen ein sachlicher Grund vorliegt, der einen verständigen Entscheidungsträger zur Abberufung veranlassen würde (Fortführung von OLG Zweibrücken, Urt. v. 30.10.1997 – 4 U 11/97, GmbHR 1998, 373).

2. Ein solcher sachlicher Grund kann darin liegen, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer infolge einer dauerhaften Erkrankung nicht mehr im Stande ist, seine Funktion als Geschäftsführer wahrzunehmen.

 

Normenkette

GmbHG § 38 Abs. 1; BGB § 242

 

Verfahrensgang

LG Landau (Pfalz) (Urteil vom 11.06.2002; Aktenzeichen HK O 84/01)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen des LG Landau in der Pfalz vom 11.6.2002 geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.d. nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.d. zur Vollstreckung gelangenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses über die Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers und die Kündigung von dessen Anstellungsvertrag.

Der Kläger und zwei weitere Gesellschafter sind jeweils mit 1/3 Geschäftsanteil Gesellschafter der Beklagten. Sämtliche Gesellschafter sind zugleich auch Geschäftsführer. In einer Gesellschafterversammlung vom 17.8.2001 wurde die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer und die Kündigung seines Anstellungsvertrages beschlossen. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit dieser Beschlüsse. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Mit Urt. v. 11.6.2002, auf das der Senat zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der Entscheidungsgründe Bezug nimmt, hat die Vorsitzende der Kammer für Handelssachen des LG Landau in der Pfalz der Klage stattgegeben.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung, die sie jeweils innerhalb gesetzlicher Frist eingelegt und begründet hat.

Nach Verkündung des angefochtenen Urteils berief die Beklagte mit Einladungsschreiben vom 24.7.2002 für den 7.8.2002 eine ordentliche Gesellschafterversammlung ein, in welcher unter Tagesordnungspunkt 1 der Beschluss gefasst wurde, Abberufung und Kündigung des Geschäftsführervertrages des Klägers im hier vorliegenden Rechtsstreit auf neue Gründe zu stützen. Darüber hinaus wurde unter Tagesordnungspunkt 2 erneut Beschluss über die Abberufung und Kündigung des Geschäftsführervertrages des Klägers gefasst. Den zu Tagesordnungspunkt 2 gefassten Beschluss hat der Kläger in einem weiteren Rechtsstreit vor dem LG Landau in der Pfalz (HKO 82/02) angefochten.

Die Beklagte macht geltend, das angefochtene Urteil sei rechtsfehlerhaft, weil es zu Unrecht Abberufung und Kündigung des Geschäftsführers vom Vorliegen eines sachlichen Grundes abhängig mache. Zudem überziehe die Erstrichterin die Anforderungen an das Vorliegen eines sachlichen Grundes. Darüber hinaus sei die Abberufung aber auch aus den neuen, im Berufungsrechtszug noch zu berücksichtigenden Gründen zulässig, über deren Nachschieben der Beschluss vom 7.8.2002 gefasst worden sei. Unstreitig sei dem Kläger am 17.7.2002 von seiner Versicherung mitgeteilt worden, dass er seit dem 1.8.2001 Berufsunfähigkeitsrente erhalte. Zudem sei dem Geschäftsführer S. am 17.6.2002 ein weiterer Abberufungsgrund bekannt geworden. Er liege darin, dass der Kläger versucht habe, Geschäfte unter Umgehung der Beklagten zu machen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 2.8.2002 verwiesen.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 4.9.2002. Soweit er darin überdies einen Klage erweiternden Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der am 14.8.2002 gefassten Beschlüsse angekündigt hat, ist er darauf im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 8.5.2003 nicht mehr zurückgekommen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die Berufung ist zulässig, §§ 511 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 519, 520 ZPO. In der Sache führt das Rechtsmittel zum Erfolg. Die in der Gesellschafterversammlung vom 17.8.2001 gefassten Beschlüsse über die Abberufung...

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