rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO bei einer in ein Postfach eingelegten Briefsendung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. In ein Postfach eingelegte Briefsendungen sind in dem Zeitpunkt zugegangen, in welchem das Postfach normalerweise geleert zu werden pflegt. Ob das Postfach tatsächlich geleert oder der entnommene Brief überhaupt zur Kenntnis genommen wird, ist unerheblich.
  2. Nach ständiger BFH-Rspr. kommt es nicht darauf an, ob ein Postfach an einem Tage möglicherweise nicht geleert worden ist. Allein entscheidend ist, dass innerhalb der 3-Tage-Frist des § 122 Abs. 2 AO tatsächlich die Möglichkeit des Zugangs bestand.
 

Normenkette

AO § 122 Abs. 2 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

1990, 1991

 

Tatbestand

Streitig ist die Einhaltung der Klagefrist.

Das beklagte Finanzamt (FA) hat die Einsprüche der Kläger gegen die Einkommensteuerbescheide 1990 und 1991 mit Einspruchsbescheid vom 09.04.1998 als unbegründet zurückgewiesen. Ausweislich der Rechtsbehelfsakte des FA wurde der Einspruchsbescheid am 09.04.1998 (Gründonnerstag) zur Post gegeben (vgl. Bl. 96 Rechtsbehelfsheftung). Die hiergegen erhobene Klage ist mit per Fax übermitteltem Schriftsatz bei Gericht am 14.05.1998 eingegangen. Das beklagte FA wies mit Schriftsatz vom 18.01.1999 darauf hin, dass die Klagefrist bereits mit Ablauf des 12.05.1998 geendet habe und die Klage daher am 14.05.1998 beim Finanzgericht verspätet eingegangen sei. Hierzu trugen die Prozessbevollmächtigten der Kläger mit bei Gericht am 01.03.1999 eingegangenem Schriftsatz vor, dass der Einspruchsbescheid in ihrem Büro erst am 14.04.1998 eingegangen sei. Das FA habe als Zustellanschrift das Postfach der Prozessbevollmächtigten gewählt, das werktäglich durch Mitarbeiter des Büro geleert werde. Erst am 14.04.1998 sei der Einspruchsbescheid im Postfach vorzufinden gewesen. Ausnahmslos werde am Tage des Eingangs der Eingangsstempel des gleichen Tages auf alle eingegangenen Schriftstücke gesetzt. Die langjährig beschäftigte und erfahrene Rechtsanwaltsfachangestellte, Frau K., überprüfe dies und notiere gleichzeitig etwaige Rechtsbehelfsfristen, was hier auch geschehen sei. Da der Zugang des Bescheides somit erst am 14.04.1998 und nicht bereits am 12.04.1998 erfolgt sei, sei die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO widerlegt. Es sei daher davon auszugehen, dass entweder der Bescheid vom FA nicht am 09.04.1998 zur Post aufgegeben worden sei oder aber vorliegend eine außergewöhnlich lange Postlaufzeit gegeben gewesen sei.

Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens trugen die Prozessbevollmächtigten der Kläger vor, dass die von Frau K. notierten Fristen von dem jeweiligen anwaltlichen Sachbearbeiter dahin überprüft würden, ob die auf dem Posteingang und im Fristenkalender notierten Fristabläufe in Verbindung mit dem Posteingangsstempel richtig berechnet und notiert worden seien. All dies sei vorliegend geschehen und auch ordnungsgemäß bearbeitet worden. Mit Verfügung vom 10.07.2001 gab der Berichterstatter den Prozessbevollmächtigten der Kläger auf, ggf. Beweis dafür anzutreten, dass ihr Postfach am 11.04.1998 geleert wurde. Hierzu teilten die Prozessbevollmächtigten mit, dass heute nicht mehr festgestellt werden könne, ob und wer am 11.04.1998 das Postfach geleert habe. Wenn samstags das Postfach geleert werde, geschehe dies in aller Regel durch den Rechtsanwalt Ka., der dann auch die Tageszeitung entnehme. Ob dies allerdings am 11.04.1998 der Fall gewesen sei, könne heute nicht mehr festgestellt werden.

Die Kläger beantragen,

die Bescheide des FA für die Kalenderjahre 1990 und 1991 vom 27.05.1997 sowie den Einspruchsbescheid vom 09.04.1998 dahin zu ändern, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb des Klägers für 1990 auf 45.146,49 DM sowie für 1991 auf 30.652,68 DM herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es bleibt bei seiner Auffassung, dass im vorliegenden Fall die Klage verspätet erhoben worden sei. Die 3-Tages-Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gelte auch bei postlagernder Zustellung. Dies bedeute, dass die Zugangsvermutung auch dann gelte, wenn der letzte Tag der Dreitagesfrist auf einen Sonntag falle und tatsächlich keine Möglichkeit der Kenntnisnahme bestanden habe. Die Möglichkeit, dass der Einspruchsbescheid vom FA nicht am 09.04.1998, sondern erst später zur Post gegeben worden sei, sei faktisch ausgeschlossen. Unter den besonderen Umständen des Streitfalles (Osterfeiertage) hätte der Einspruchsbescheid dann erst wieder am Dienstag, dem 14.04.1998, zur Post gegeben werden können, so dass er frühestens am 15.04.1998 in das Postfach gelegt worden wäre. Da die Prozessbevollmächtigten den Einspruchsbescheid aber bereits am 14.04.1998 im Postfach vorgefunden hätten, sei davon auszugehen, dass die Postaufgabe auch tatsächlich am 09.04.1998 erfolgt sei.

Der Einwand der Prozessbevollmächtigten, sie hätten den Einspruchsbescheid erst am 14.04.1998 aus dem Postfach geholt und in Besitz genommen, genüge nicht, um die Fiktion des Zugangs auszuschließen, ...

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