vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für eine grenzüberschreitende Funktionsverlagerung. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: I R 43/23)

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Funktionsverlagerung liegt nicht vor, wenn weder Wirtschaftsgüter noch sonstige Vorteile oder Geschäftschancen übertragen werden noch eine kausale Verknüpfung zwischen der Übertragung von Vorteilen im weitesten Sinne und der Übertragung der Befähigung, eine Funktion auszuüben, besteht.

 

Normenkette

AStG § 1 Abs. 1 Sätze 1, 3, Abs. 3 S. 9; FVerlV § 1 Abs. 2

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob in Folge der Schließung einer Produktionsstätte ein Transferpaket wegen Funktionsverlagerung hätte berechnet werden müssen.

Die Z ist die Spitze eines weltweit agierenden Konzerns. Auf Konzernebene wurde beschlossen, die Produktion bei der Tochtergesellschaft X am Standort A einzustellen und die Produktion künftig weitestgehend am Standort B durch die Konzerngesellschaft Y durchzuführen. Die Produktionsanlagen wurden, soweit sie in A keine andere Verwendung fanden, von der X an Schwestergesellschaften verkauft. Die im Rahmen der Produktionseinstellung anfallenden Schließungskosten wurden von der Y getragen. Darüberhinausgehende Zahlungen als Entschädigung für die Einstellung der Produktion in A erfolgten nicht.

Der Beklagte würdigte den vorgenannten Sachverhalt als eine Funktionsverlagerung auf die Konzerngesellschaft Y und berechnete ein Transferpaket. Nach den Ermittlungen des Beklagten ergab sich ein Transferpaketwerkwert in Höhe von xxxxx €. Nach Abzug der von X vereinnahmten Beträge aus dem Verkauf des Anlagevermögens und der Erstattung der Schließungskosten durch die Y ergab sich eine Einkommenserhöhung von xxxxxx €.

Gegen die aufgrund der Feststellung der Betriebsprüfung ergangenen Änderungsbescheide für Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer legte die Klägerin Einspruch ein. Mit Teileinspruchsentscheidung vom 20. September 2019 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit ihrer dagegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin von der Gewinnerhöhung durch den fiktiven Ansatz eines Transferpaktes in Höhe von xxxxx€ abzusehen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Der Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) ist nicht gerechtfertigt.

a) Der Ansatz einer vGA ist allerdings nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil im Streitfall ein Anwendungsfall des § 1 AStG vorliegt. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG schreibt den Fremdvergleichsgrundsatz unbeschadet anderer Vorschriften fest und ordnet eine Einkünftekorrektur an, soweit eine Einkünfteminderung aufgrund der fremdunüblichen Bedingungen eingetreten ist. § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG regelt zudem, dass auch die durch die Anwendung des Satzes 1 entstehenden weitergehenden Berichtigungen neben den Rechtsfolgen anderer Vorschriften durchzuführen sind, so dass der Ansatz einer vGA nach dem KStG vorrangig vor den Rechtsfolgen des AStG zu berücksichtigen ist.

Unter einer vGA gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Zudem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 2002 auszulösen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. die Urteile vom 7. August 2002 I R 2/02, BFHE 200, 197, BStBl II 2004, 131; und vom 8. September 2010 I R 6/09, BFHE 231, 75, BStBl II 2013, 186).

Eine vGA kommt im Streitfall lediglich als verhinderte Vermögensmehrung in Betracht, und zwar in Gestalt einer Überlassung einer Geschäftschance. Der Beklagte geht davon aus, dass die Einstellung der Produktion zu einer Übertragung von Geschäftschancen geführt hat und deshalb nur gegen Entschädigung hätte erfolgen dürfen. Dieser Auffassung folgt der Senat nicht.

Der Begriff der Geschäftschance ist gesetzlich nicht bestimmt. Allgemein ist darunter die Aussicht zu verstehen, aus einem (tatsächlichen oder einem sich erst anbahnenden) Geschäft, ggf. auch aus einer betrieblichen Funktion, zukünftig Gewinne zu erzielen. Voraussetzung ist dabei, dass die so verstandene Chance hinreichend verselbständigt ist und von anderen Wirtschaftsgütern unterschieden werden kann. Die Chance muss über ein gewisses Gewinnpotential verfügen, für das einerseits ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter gewöhnlich ein Entgelt einfordern würde, und für das ein fremder Dritter bereit wäre, ein entsprechendes Entgelt zu leisten. Ob diese Voraussetzungen anzunehmen sind, ist nach den Grundsätzen des Fremdvergleichs zu entscheiden. Nach gefestigter Rechtsprechung des BFH...

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