Leitsatz

1. Säumniszuschläge für fällige Kindergeldrückforderungen sind in einem Abrechnungsbescheid nach Art, Zeitraum und Betrag getrennt aufzuführen; die Abrundung auf den nächsten durch 50 € teilbaren Betrag erfolgt monatsbezogen.

2. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass Familienkassen in den sogenannten Weiterleitungsfällen die Erfüllungswirkung der Weiterleitung nicht rückwirkend, sondern erst ab dem Zeitpunkt der Vorlage der wirksamen Weiterleitungserklärung des anderen Elternteils anerkennen.

3. Der Umdeutung bedarf es nicht, wenn sich der beabsichtigte Inhalt eines Abrechnungsbescheids bereits im Wege der Auslegung bestimmen lässt und die erlassende Behörde im Rahmen der Einspruchsentscheidung eine entsprechende Klarstellung vornimmt; darin liegt auch keine unzulässige Verböserung.

 

Normenkette

§ 240, § 3 Abs. 4, § 37 Abs. 2, § 119 Abs. 1, § 125, § 128, § 218, § 226 AO, § 133, § 157, § 184, § 367, § 389 BGB, § 66 Abs. 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger erhielt zunächst Kindergeld. Die vorrangige Kindergeldberechtigung ging dann aber auf die Kindsmutter über, weshalb das Kindergeld vom Kläger zurückgefordert wurde. Im Einspruchsverfahren gegen den Rückforderungsbescheid erhob der Kläger den Weiterleitungseinwand, den die Familienkasse partiell anerkannte. Zudem begehrte er Stundung des Rückforderungsbetrags und Erlass angefallener Säumniszuschläge. Die Familienkasse erließ deshalb einen Abrechnungsbescheid mit einem entsprechend verringerten Rückforderungsbetrag. Darin wies sie auch "steuerliche Nebenleistungen (Zinsen)" i.H.v. 468 EUR aus. Der Kläger erhob Einspruch gegen die "Zinsfestsetzung", den die Familienkasse zurückwies und dabei korrigierend ausführte, dass es sich bei den Nebenleistungen um Säumniszuschläge und nicht um Zinsen handele. Das FG (FG München, Urteil vom 4.3.2021, 10 K 1863/19, Haufe-Index 15545752) wies die Klage gegen den Abrechnungsbescheid ab.

 

Entscheidung

Der BFH gab der Revision des Klägers nur teilweise statt. Schon der ursprüngliche Abrechnungsbescheid sei nach dem Empfängerhorizont des Klägers dahin gehend auszulegen, dass er Säumniszuschläge und nicht Zinsen betreffe, da schon im Rückforderungsbescheid auf die Entstehung von Säumniszuschlägen hingewiesen worden sei und der Kläger deren Erlass begehrt habe. Die Säumniszuschläge seien durch die Weiterleitungserklärung auch nicht rückwirkend entfallen, da es insoweit auf den Zeitpunkt des Erklärungseingangs bei der Familienkasse ankomme. Allerdings habe die Familienkasse bei der Berechnung der Säumniszuschläge unzutreffend gerundet, weil sie anstelle der einzelnen Monatsbeträge den Gesamtbetrag der Rückforderung abgerundet habe.

 

Hinweis

1. Wird gleichzeitig geltend gemacht, dass Säumniszuschläge einerseits schon nicht entstanden oder später erloschen seien, und andererseits, dass sie aus Billigkeitsgründen zu erlassen seien, stehen das Abrechnungsverfahren (§ 218 AO) und das Erlassverfahren (§ 227 AO) selbstständig nebeneinander. Daher muss ein Klageverfahren, das einen dieser Streitgegenstände betrifft, nicht wegen Vorgreiflichkeit des jeweils anderen Verfahrens nach § 74 FGO ausgesetzt werden.

2. Die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge war infolge des BVerfG-Beschlusses vom 8.7.2021 (1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, BFH/NV 2021, 1455) zur Verfassungswidrigkeit der Höhe der Nachzahlungszinsen nach § 233a AO in Zweifel geraten. Mit Urteil vom 15.11.2022 (BFH, Urteil vom 15.11.2022, VII R 55/20, BFH/NV 2023, 583) hat der VII. Senat jedoch die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge bestätigt. Dem hat sich nun auch der III. Senat angeschlossen.

3. Zu den steuerlichen Nebenleistungen i.S.d. § 3 Abs. 4 AO gehören u.a. die Säumniszuschläge nach § 240 AO und die Zinsen nach §§ 233237 AO. Während Säumniszuschläge gemäß §§ 240 Abs. 1 Satz 1, 218 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AOkraft Gesetzes entstehen, bedürfen Zinsen einer Festsetzung durch Bescheid (§§ 239, 218 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AO). Daher kann der Streit über die Entstehung von Säumniszuschlägen – anders als bei den Zinsen – nicht mit einem Rechtsbehelf gegen einen Festsetzungsbescheid ausgefochten werden. Deshalb entscheidet der Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) bei Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Säumniszuschlägen (§ 240 AO) unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nicht nur über den Fortbestand der Zahlungsverpflichtung, sondern auch bereits darüber, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Säumniszuschläge überhaupt entstanden sind.

4. Bei der Auslegung eines Bescheids sind die bürgerlich-rechtlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) entsprechend anzuwenden. Maßgebend ist der objektive Erklärungsgehalt der im Bescheid getroffenen Regelung, wie der Empfänger des Bescheids sie nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Maßgebend für die Bestimmung des Empfängerhorizonts ist der Zeitpunkt, in dem der Bescheid dem Empfänger zugegangen ist. Im Zweifel ist das...

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