Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufgrund Weiterleitungsbestätigung der vorrangig kindergeldanspruchsberechtigten Kindsmutter ergangener Abrechnungsbescheid der Familienkasse über Säumniszuschläge betreffend Rückforderung von Kindergeld als dreiseitiger Verrechnungsvertrag im Sinne des § 267 BGB. Anforderungen an Abrechnungsbescheid wegen Säumniszuschlägen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei Streit über die Verwirklichung von Säumniszuschlägen bezüglich einer Kindergeldrückforderung muss aus dem Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) hervorgehen, für welchen Steuerschuldner, welchen Steuerbetrag und wann Säumniszuschläge entstanden sind. Im Abrechnungsbescheid ist der jeweilige Anspruch nach Jahr und Betrag möglichst genau zu bestimmen; in einfach gelagerten Fällen muss der Steuerpflichtige von ihm angeforderte Säumniszuschläge jedoch selbst nachrechnen.

2. Im Klageverfahren hat das Finanzgericht die zutreffende Abrechnung selbst zu ermitteln und darf sich nicht darauf beschränken, den Abrechnungsbescheid der Finanzbehörde als unzutreffend zu verwerfen.

3. Wurde die streitigen Nebenleistungen im Abrechnungsbescheid fälschlich als „Zinsen” bezeichnet, kann zur „Heilung” in der Einspruchsentscheidung der Familienkasse noch die Bezeichnung sowie die Rechtsgrundlage der im angefochtenen Abrechnungsbescheid bezeichneten Nebenleistungen ausgetauscht und zutreffend von Säumniszuschlägen im Sinne des § 240 AO anstatt – wie ursprünglich – von Zinsen ausgegangen werden.

4. Wird ein Kindergeld-Rückforderungsbescheid der Familienkasse erst nach der Fälligkeit dadurch teilweise erfüllt, dass der nachrangig kindergeldanspruchsberechtigte Schuldner eine Weiterleitungsbestätigung der vorrangig kindergeldanspruchsberechtigten Kindsmutter vorlegt, und die Familienkasse nunmmehr einen Abrechnungsbescheid erlässt, mit dem sie nur noch einen um den weitergeleiteten Betrag gekürzten Kindergeldbetrag zurückfordert, so hat die Familienkasse mit der Kindsmutter hierdurch einen dreiseitigen Verrechnungsvertrag im Sinne des § 267 BGB zugunsten des nachrangig kindergeldberechtigten Rückforderungsschuldners geschlossen. Der verrechnete Betrag gilt erst zum Zeitpunkt des Ergehens des Abrechnungsbescheids als im Sinne des § 267 BGB gezahlt (vgl. zum Verrechnungsvertrag FG Köln, Urteil v. 14.12.2017, 1 K 2090/15, EFG 2018 S. 1073) und führt daher nicht zum Entfallen zuvor bereits entstandener Säumniszuschläge.

 

Normenkette

AO § 3 Abs. 4, § 37 Abs. 2, §§ 47, 240 Abs. 1 Sätze 1, 3, § 218 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Sätze 1-2, § 367 Abs. 2; BGB § 267; EStG § 31 S. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.08.2023; Aktenzeichen III R 37/22)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides über Säumniszuschläge betreffend eine Rückforderung von Kindergeld.

Der Kläger hatte sich bereits mit Klage vom 1. März 2012 (Az. xxx bzw. nach einem Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf das Verfahren beim Europäischen Gerichtshof „Trapkowski” Az. yyy) gegen einen Bescheid der Beklagten (der Familienkasse –FamK–) vom 24. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2012 gewandt, mit dem die FamK die Festsetzung von Kindergeld für das am 31. Juli 2010 geborene Kind L ab November 2011 aufgehoben hatte, weil L in den Haushalt der Kindsmutter im Vereinigten Königreich aufgenommen sei. In der mündlichen Verhandlung vom 2. August 2017 hatten die Beteiligten die Hauptsache für erledigt erklärt.

Während des anhängigen Klageverfahrens hatte der Kläger im Wege des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung die Weiterzahlung von Kindergeld beantragt, die vom Gericht mit Beschluss vom 19. Dezember 2012 in Höhe des Differenzkindergeldes gewährt worden war (Az. zzz). Mit Bescheid vom 23. Januar 2013 hatte die FamK geregelt, dass der angefochtene Bescheid vom 24. Oktober 2011 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 21.02.2012 gemäß 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) Abgabenordnung wie folgt geändert wird: „Die Vollziehung wird ausgesetzt. Der Beschluss des Finanzgerichts München vom 19.12.2012 wird vollzogen. Ab November 2011 wird die Vollziehung i.H. von 82,61 EUR mon. ausgesetzt. Somit erhalten Sie eine Nachzahlung von 11.2011 bis 01.2013 i.H. von 82,61 × 15 = 1.239,15. Ab 02.2013 erfolgt eine laufende Zahlung von 82,61 EUR.”

Mit Antrag vom 5. Januar 2016 auf Änderung des Beschlusses vom 19. Dezember 2012 gemäß § 69 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hatte der Kläger begehrt (Az. vvv), den Aussetzungsbeschluss dahingehend zu ändern, dass der ausgesetzte Betrag wegen einer Kindergelderhöhung rückwirkend ab Januar 2015 erhöht werde. Mit Leistungsklage vom 17. Februar 2016 (Az. uuu) hatte der Kläger die Weiterzahlung der ab Mai 2015 eingestellten Zahlungen begehrt, die die FamK auf Grund des Aussetzungsbeschlusses schulde und die die FamK ohne Angabe von Gründen eingestellt habe. Mit Schreiben vom 23. März 2016 an den Klä...

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