Leitsatz

Ein Landwirt kann jederzeit von der Gruppenbewertung zur Einzelbewertung der Neuzugänge seines Viehanlagevermögens (hier: Zuchtsauen) übergehen und damit das Wahlrecht auf Sofortabschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 2 EStG in Anspruch nehmen.

Bei Inanspruchnahme der Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 2 EStG ist dann aber grundsätzlich ein (verbleibender) Schlachtwert zu berücksichtigen (gegen R 40 Abs. 4 Satz 2 EStR).

 

Normenkette

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG , § 6 Abs. 2 EStG

 

Sachverhalt

Der klagende Landwirt hatte zum vergangenen Bilanzstichtag seine Zuchtsauen mit den im BMF-Schreiben vom 22.6.1995 (BStBl I 1995, 179) veröffentlichten Gruppenwerten bewertet. In der Folgebilanz behielt er für die aus dem Vorjahr noch vorhandenen Zuchtsauen dieses Bewertungsverfahren bei. Die neu hinzugekommenen Sauen behandelte er jedoch als geringwertige Wirtschaftsgüter und schrieb sie voll ab. Das FA war der Meinung, auch die neuen Zuchtsauen müssten in die Gruppenbewertung einbezogen werden. Das FG gab dem Landwirt Recht.

 

Entscheidung

Auch der BFH war der Auffassung, dass eine Bindung an das Gruppenbewertungsverfahren für neu hinzukommende Jahrgänge von Tieren nicht bestehe (zur Jahrgangsbezogenheit vgl. das Urteil IV R 5/99 vom selben Tag, BFH-PR 2001, 217). Der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit könne einem Übergang zu der gesetzlich vorrangigen Einzelbewertung nicht entgegenstehen. Um eine solche Einzelbewertung handele es sich auch bei Sofortabschreibung der Tiere als geringwertige Wirtschaftsgüter.

Trotzdem gab der BFH aber der Revision des FA teilweise statt. Er hielt nämlich – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung in R 40 Abs. 4 Satz 2 EStR – eine volle Abschreibung der Herstellungskosten der Tiere nicht für zulässig, weil mindestens der Schlachtwert auszuweisen sei. Nach bisheriger Rechtsprechung dürfe die Abschreibung gem. § 7 Abs. 1 EStG nur bis zur Höhe des Schlachtwerts vorgenommen werden. Dieser Gedanke gelte auch für geringwertige Wirtschaftsgüter bei Inanspruchnahme des § 6 Abs. 2 EStG, denn die Bewertungsfreiheit sei der Sache nach eine Form der Abschreibung. Die von Anfang an geplante Nutzung eines Anlageguts auch als Umlaufvermögen erfordere eine Bewertung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG auf den Zeitpunkt der Umwidmung. Die Zuchtsäue würden nach Beendigung der Nutzung als Anlagevermögen zum Zweck des Verkaufs als Schlachttier noch einige Zeit als Umlaufvermögen gehalten.

Der Vereinfachungszweck des § 6 Abs. 2 EStG stehe dem Ansatz des Schlachtwerts nicht entgegen.

 

Hinweis

1. Die Bedeutung der Entscheidung geht weit über die Viehbewertung in der Landwirtschaft hinaus.

Sie betrifft einerseits alle Gewinneinkünfte, insbesondere auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb, soweit Wirtschaftsgüter zunächst als Anlagevermögen genutzt werden, um anschließend als Umlaufvermögen verbraucht oder veräußert zu werden. Andererseits betrifft sie nicht nur geringwertige, sondern alle abnutzbaren Wirtschaftsgüter.

Kerngedanke des BFH ist, dass bei dem Wechsel eines Wirtschaftsguts vom Anlage- zum Umlaufvermögen eine neue Bewertung stattfinden muss. Die Abschreibung während der Nutzung als Anlagevermögen soll deshalb nur bis zur Höhe des voraussichtlichen Werts im Zeitpunkt des Wechsels vorgenommen werden dürfen. Dies ist bei Tieren der Schlachtwert, bei Schiffen der Schrottwert und bei anderen Wirtschaftsgütern möglicherweise der zu erwartende Veräußerungserlös. Zu denken ist hier etwa an Leasinggegenstände, die vom Leasinggeber nach Ablauf des Leasings wie durch einen Einzel- oder Großhändler vermarktet werden. Das mit den neuen AfA-Tabellen angesprochene Problem des Auseinanderfallens von wirtschaftlicher und technischer Nutzungsdauer würde sich in einem solchen Fall nicht mehr stellen.

Nicht jede Veräußerung von Anlagegütern dürfte aber zu einem Wechsel vom Anlage- zum Umlaufvermögen führen. Wird das Anlagegut unmittelbar nach Beendigung der Nutzung und ohne besondere Vermarktung veräußert, bleibt es bis zuletzt Anlagevermögen.

2. Die Frage, ob der Stetigkeitsgrundsatz einem Wechsel des Bewertungsverfahrens entgegensteht, hat der BFH hier dahin beantwortet, dass ein Wechsel zur Einzelbewertung immer zulässig sein müsse. Denn dieses Verfahren ist das vom Gesetz vorgesehene Verfahren. Alle anderen Methoden sind Erleichterungen für die Bewertung, auf die verzichtet werden kann. Ein erneuter Wechsel wird in der Regel dann aber nach dem Stetigkeitsgrundsatz unzulässig sein.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 15.2.2001, IV R 19/99

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