Leitsatz

Ein Steuerbescheid ist wegen fehlender hinreichender Bestimmtheit nichtig, wenn er für einen Veranlagungszeitraum ergeht, für den bereits ein – wirksamer – Steuerbescheid (hier: Steueranmeldungen) gegenüber demselben Adressaten besteht, ohne dass sich nach dem Wortlaut des Bescheids oder im Wege der Auslegung ergibt, in welchem Verhältnis der zuletzt ergangene zu dem zuvor ergangenen Bescheid steht.

 

Normenkette

§ 119, § 124 Abs. 3, § 125 Abs. 1, § 157, § 168, § 226 AO, § 133, § 157 BGB, § 15 SchaumwZwStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, die eine Sektkellerei betreibt, ist eine GmbH & Co. KG und wurde 2014 durch den mittlerweile verstorbenen A gegründet. A hatte sein zuvor bestehendes Einzelunternehmen in die Klägerin eingebracht. Das Erlöschen der Firma des Einzelunternehmens wurde 2014 zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet und dort 2015 eingetragen.

A war für sein Einzelunternehmen die Erlaubnis erteilt worden, ein Schaumweinsteuerlager zu führen. Das Steuerlager wurde nach der Einbringung von der Klägerin ohne tatsächliche Änderungen fortgeführt. Eine gesonderte Anzeige gegenüber dem HZA erfolgte nicht.

Für die Monate Januar bis Juni 2015 gab die Klägerin Schaumweinsteuer-Anmeldungen unter ihrer Firma, jedoch unter Verwendung der dem Einzelunternehmen A erteilten Verbrauchsteuernummer ab. Die angemeldeten Steuern beliefen sich auf insgesamt 145.968,73 EUR. Die Steueranmeldungen wurden vom HZA, mit Ausnahme der Steueranmeldung für Mai 2015, nicht beanstandet.

Auf Antrag der Klägerin vom 30.7.2015 erteilte das HZA eine Erlaubnis zum Betrieb eines Steuerlagers mit Wirkung vom 30.7.2015.

Nach einer Außenprüfung erließ das HZA am 4.8.2016 gegenüber der Klägerin den streitgegenständlichen Schaumweinsteuerbescheid, dessen Verfügungssatz wörtlich lautete: "Ich setze die Schaumweinsteuer in Höhe von 10.016,67 € (Zehntausendsechzehn EUR) fest." Unter "II. Berechnung" enthielt der Steuerbescheid eine Steuerberechnung in Tabellenform, die sich im Einzelnen auf Textziffern des Berichts über die Außenprüfung bezog. Hierbei stellte das HZA eine bereits gezahlte Schaumweinsteuer i.H.v. 102.735,33 EUR und eine zu gewährende Steuerentlastung i.H.v. 108.678,76 EUR den nach seiner Auffassung tatsächlich geschuldeten Steuerbeträgen (insgesamt 221.430,76 EUR) gegenüber und wies den Differenzbetrag von 10.016,67 EUR mit der Bezeichnung "Nacherhebung" aus. Zusätzlich enthielt der Steuerbescheid unter "III. Begründung" die Formulierung: "Zu den Steuerbeträgen / Entlastungsbeträgen / Zahlungen der vorstehenden Tabelle erkläre ich nach § 226 AO die Aufrechnung."

Das FG urteilte, der Steuerbescheid sei nichtig, weil er neben die Steuerfestsetzungen in Form der Steueranmeldungen trete und das Verhältnis hierzu unklar sei (FG des Saarlandes, Gerichtsbescheid vom 17.11.2020, 3 K 1069/17, Haufe-Index 15796419). Ein Steuerbescheid sei wegen fehlender hinreichender Bestimmtheit nichtig, wenn er für einen VZ ergehe, für den bereits ein wirksamer Steuerbescheid gegenüber demselben Adressaten erlassen worden sei, ohne dass sich nach dem Wortlaut des Bescheids oder im Wege der Auslegung ergebe, in welchem Verhältnis der zuletzt ergangene zu dem zuvor ergangenen Bescheid stehe.

Hiergegen richtete sich die Revision des HZA.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision des HZA aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

Im Streitfall geht es um die "Nacherhebung" von Schaumweinsteuer durch einen Schaumweinsteuerbescheid nach Durchführung einer Außenprüfung, wenn die für den betreffenden Zeitraum abgegebenen Steueranmeldungen von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich geändert wurden. Der Fall ist über den Einzelfall hinaus bedeutsam, weil er das Verhältnis verschiedener Steuerbescheide zueinander klärt.

1. Nach § 119 Abs. 1 AO muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein, d.h. ihm muss der Regelungsinhalt eindeutig zu entnehmen sein. Ein Verwaltungsakt leidet an schweren und offenkundigen Mängeln und ist deshalb nichtig, wenn er inhaltlich nicht so bestimmt ist, dass ihm hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem verlangt wird. Handelt es sich um einen Änderungsbescheid, muss der geänderte Bescheid erkennbar sein.

2. Ob ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt ist, ist über den bloßen Wortlaut hinaus im Wege der Auslegung zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB). Entscheidend ist danach, wie der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen – seinem objektiven Verständnishorizont – den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Es kommt somit weder darauf an, was die Finanzbehörde mit ihrer Erklärung gewollt hat, noch darauf, wie ein außenstehender Dritter die Erklärung der Behörde auffassen konnte bzw. musste. An die Auslegung des FG ist der BFH nach § 118 Abs. 2 FGO nicht gebunden. Die Frage, welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, hat der BFH vielmehr eigenständig zu beantworten, wenn die tatsächlichen Feststellungen des FG hierzu ausreich...

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