Entscheidungsstichwort (Thema)

Nacherhebung von Schaumweinsteuer. Nichtigkeit eines neben die für den nämlichen Zeitraum durch Steueranmeldung erfolgte Festsetzung tretenden Bescheides. Auslegung von Steuerbescheiden

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Steuerbescheid ist wegen fehlender hinreichender Bestimmtheit nichtig, wenn er für einen Veranlagungszeitraum ergeht, für den bereits ein – wirksamer – Steuerbescheid gegenüber demselben Adressaten erlassen wurde, ohne dass sich nach dem Wortlaut des Bescheids oder im Wege der Auslegung ergibt, in welchem Verhältnis der zuletzt ergangene zu dem zuvor ergangenen Bescheid steht.

2. Ein Bescheid über die Nacherhebung von Schaumweinsteuer, der in seinem Verfügungssatz (Tenor) entgegen § 157 Abs. 1 Satz 2 AO nicht die gesamte nach dem Willen des Hauptzollamts für die im fraglichen Zeitraum erfolgte Schaumweinherstellung festzusetzende Schaumweinsteuer dem Betrag nach angibt, sondern neben die durch Steueranmeldung erfolgten Steuerfestsetzungen tritt, obwohl derselbe Lebenssachverhalt betroffen ist, ist mangels hinreichender Bestimmtheit nichtig.

3. Weicht der materielle Regelungsgehalt des übrigen Steuerbescheids von dessen – nicht auf einer offenbaren Unrichtigkeit beruhendem – Tenor ab, ist eine Auslegung des objektiven Erklärungsinhalts gegen den eindeutigen Wortlaut des Tenors nicht möglich.

 

Normenkette

SchaumwZwStG § 15 Abs. 1 S. 1; AO § 119 Abs. 1, § 125 Abs. 1, § 155 Abs. 1, § 157 Abs. 1 S. 2, § 168 S. 1; BGB §§ 133, 157

 

Tenor

Der Bescheid über Schaumweinsteuer vom 4. August 2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Februar 2017 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft im Kern die Frage der „Nacherhebung” von Schaumweinsteuer durch einen Schaumweinsteuerbescheid nach Durchführung einer Außenprüfung, wenn die für den betreffenden Zeitraum abgegebenen Steueranmeldungen von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich geändert wurden.

Die Klägerin, die eine Sektkellerei betreibt, wurde im MM/JJ durch den mittlerweile verstorbenen A gegründet, der sein zuvor bestehendes Einzelunternehmen, dessen Gegenstand der Betrieb einer Sektkellerei war, in die Klägerin einbrachte und zunächst Kommanditist mit einer Haftungseinlage von 1.000 EUR war. Im zeitlichen Zusammenhang mit der Eintragung der Klägerin in das Handelsregister schied Herr A im März 2015 als Kommanditist aus. Neue Kommanditisten wurden B sowie C mit einer Haftungseinlage von je 500 EUR (Ordner Belegheft Schaumwein 516 I „Erlaubnis”). Weitere Gesellschafterin der Klägerin ist die D Beteiligungs GmbH als Komplementärin, die zuvor unter dem Namen E GmbH firmiert hatte und deren Firma sowie deren Unternehmensgegenstand im MM/JJ im Zuge der Umstrukturierung geändert worden waren (Ordner Belegheft Schaumwein 516 I „Erlaubnis”). Das Erlöschen der Firma des Einzelunternehmens infolge der Umwandlung wurde im Dezember 2014 im Zusammenhang mit der Umwandlung des vormaligen Einzelunternehmens ordnungsgemäß zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet und dort im MM/JJ eingetragen (Ordner Belegheft Schaumwein 516 I „Erlaubnis”).

A war für sein Einzelunternehmen die Erlaubnis erteilt worden, ein Schaumweinsteuerlager zu führen. Das Steuerlager wurde nach der Einbringung von der Klägerin ohne tatsächliche Änderungen fortgeführt. Eine gesonderte Anzeige gegenüber dem Beklagten erfolgte nicht.

Für die Monate Januar bis Juni 2015 gab die Klägerin Schaumweinsteuer-Anmeldungen unter ihrer Firma, aber unter Verwendung der dem Einzelunternehmen A erteilten Verbrauchsteuernummer ab (FG, Bl. 82, 89, 93, 97, 101, 105). Die Steueranmeldungen wurden vom Beklagten – bis auf die Steueranmeldung für Mai 2015 (FG, Bl. 99) – nicht beanstandet. Die von der Klägerin vorgelegten Steueranmeldungsvordrucke enthalten im entsprechenden Feld jeweils eine handschriftlich angebrachte Kennzeichnung (FG, Bl. 84, 87, 91, 95, 103). Insbesondere war vom Beklagten nicht beanstandet worden, dass die Steueranmeldungen unter einem neuen Namen, der Firma der Klägerin, eingereicht wurden (Ordner Belegheft Schaumwein „Lager/Sonstiger Schriftverkehr”).

Nachdem der Beklagte von der Klägerin bestimmte Unterlagen angefordert hatte (Ordner Belegheft Schaumwein „Prüfberichte”), stellte die Klägerin am 30. Juli 2015 einen förmlichen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zur Führung eines Schaumweinsteuerlagers (Ordner Belegheft Schaumwein „Zulassung betriebliche Anschreibung”), dem der Beklagte stattgab. Er erteilte mit Verfügung vom 10. August 2015 eine entsprechende – zunächst befristete – Erlaubnis mit Wirkung vom 30. Juli 2015, die mit Verfügung vom 19. August 2016 entfristet wurde (Ordner Belegheft Schaumwein „Erlaubnis”).

Der Beklagte führte für den Zeitraum Januar bis Oktober 2015 bei der Klägerin eine Außenprüfung durch, deren Gegenstand die Schaumweinsteuer war. Der Prüfer gelangte zu dem Ergebnis, dass für das von der Klägerin unterhaltene Steuerlager zwar ursprünglich eine Er...

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