Leitsatz

Im Veranlagungszeitraum 2001 realisierte Auflösungsverluste wesentlich Beteiligter unterliegen ebenso wie Veräußerungsverluste noch nicht dem Halbeinkünfteverfahren. § 52 Abs. 4b Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG erfordern insoweit entsprechend dem Normzweck eine einschränkende Auslegung.

 

Normenkette

§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c, § 17 Abs. 4 Satz 1, § 52 Abs. 4b Satz 1 Nr. 2 und Abs. 34a EStG, § 71 GmbHG, § 7 Abs. 3 und 4, § 11 Abs. 1, § 34 Abs. 1, 2 und 14 Satz 1 KStG

 

Sachverhalt

Der Kläger war hälftig mit 75.000 DM am Stammkapital einer GmbH beteiligt. Die Beteiligung hielt er in seinem Privatvermögen. Die GmbH machte Jahresabschlüsse nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr vom 1.11. bis zum 31.10. des Folgejahrs. Mit Beschluss vom 22.10.2001 lösten die Gesellschafter die GmbH zum 31.10.2001 auf. Diese hatte ihren Geschäftsbetrieb bereits seit längerem eingestellt und ihr Anlagevermögen sowie den Warenbestand im Jahr 2000/Anfang 2001 veräußert. Das am 22.4.2002 über das Vermögen der GmbH eröffnete Insolvenzverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Den vom Kläger bei seiner ESt 2001 geltend gemachten Auflösungsverlust von 143.481 DM (Verlust des Stammkapitals sowie Inanspruchnahme aus einer refinanzierten Bürgschaftsinanspruchnahme für die GmbH von noch 68.481 DM), anerkannte das FA zunächst nicht. Das FG gab der Klage statt (EFG 2005, 1347).

Mit der Revision, mit der das FA die Realisation des Auflösungsverlusts im Streitjahr 2001 nunmehr zwar anerkennt, wendet es sich ausschließlich gegen die Nichtanwendung des HEV.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück und bestätigte das FG-Urteil im Ergebnis, jedoch mit abweichender Begründung. Nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG sei das HEV wie in Veräußerungsfällen anzuwenden, und zwar erstmals nach § 52 Abs. 4b Nr. 2 EStG auf Erträge nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahrs der Gesellschaft, an welcher die Anteile bestünden, für welches das neue KSt-Recht gelte.

Bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr seien Veräußerungen erstmals im Jahr 2003 nach dem HEV zu besteuern. Anders wären Liquidationsverluste bei Anknüpfung an die für Liquidationsfälle geltende Regelung in § 4 Abs. 14 Satz 1 KStG nach dem neuen KSt-Recht, d.h. nach dem HEV, zu besteuern, deren Besteuerungszeitraum nach § 11 Abs. 1 KStG im VZ 2001 ende. Der BFH sieht es als geboten an, die nicht deckungsgleichen Regelungen in § 34 und § 52 EStG im Wege einer teleologischen Auslegung in der Weise einzuschränken, dass im VZ 2001 realisierte Auflösungsverluste in gleicher Weise wie Veräußerungsverluste steuerlich zu berücksichtigen sind. Er schließt sich nicht dem formalen Argument der Verwaltung an, mangels eines Wirtschaftsjahrs fehle ein Anknüpfungspunkt für die besondere Anwendungsregel in § 52 Abs. 4b Nr. 2 EStG, weshalb auf die allgemeine Anwendungsregel in § 52 Abs. 2 EStG zurückzugreifen sei.

 

Hinweis

1. Nach dem Systemwechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren (HEV) wird im Schrifttum die Rechtslage im VZ 2001 hinsichtlich der Schlussbesteuerung in Liquidationsfällen auf der Ebene des Anteilseigners überwiegend als unübersichtlich reklamiert.

2. Im Wesentlichen haben sich bislang drei Lösungsansätze herausgeschält:

a) Da an die Stelle des Wirtschaftsjahrs der besondere, ggf. mehrjährige Besteuerungszeitraum nach § 11 Abs. 1 KStG tritt, die Anwendungsregel in § 52 Abs. 4b Nr. 2 EStG aber für die Besteuerung von Gewinnen oder Verlusten eines nach § 17 EStG wesentlich Beteiligten im VZ 2001 an das Wirtschaftsjahr der Gesellschaft anknüpft, soll das HEV in Liquidationsfällen – anders als für Veräußerungen – bereits ab dem VZ 2001 zum Zug kommen, so vor allem die Verwaltung (BMF, Schreiben vom 26.8.2003, BStBl I 2003, S. 434 Tz. 1; vom 31.3.2004, DB 2004, 1289).

b) Handelsrechtlich haben die Kapitalgesellschaften auch nach ihrer Auflösung nach § 71 Abs. 1 GmbHG und § 270 AktG jährliche Abschlüsse zu machen. Dieses fortbestehende Geschäftsjahr sei auch für die erstmalige Anwendung des HEV maßgebend, so vor allem Frotscher im Kommentar zum EStG (6. Aufl., § 17 Rz. 110). Nach Ansicht des BFH (Urteil vom 17.7.1974, I R 233/71, BStBl II 1974, 692) handelt es sich dabei aber um eine nicht der Gewinnermittlung dienende Vermögensermittlungsbilanz.

c) Wirtschaftsjahr im Sinn der Übergangsregel in § 52 Abs. 4b sei der steuerliche Gewinnermittlungszeitraum nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG, so die FGe in den nunmehr entschiedenen Revisionsverfahren VIII R 25/05 und VIII R 60/05 (BFH-PR 2007, 341 f.).

3. Der BFH ist keinem dieser Lösungsansätze gefolgt. Zwar hängt grundsätzlich die Anwendung des neuen KSt-Rechts auf der Ebene des Anteilseigners von der Besteuerung auf der Ebene der Kapitalgesellschaft ab. Nach 34 Abs. 14 KStG ist das neue KSt-Recht an sich erstmals auf Liquidationen anzuwenden, deren Besteuerungszeitraum im Jahr 2001 endet.

4. Die Gewinnermittlung in Liquidationsfällen unterscheidet sich indes auf der Ebene der Kapitalgesellschaft und des Anteilseigners grun...

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