Leitsatz

Eine Steuerschuld nach § 14c UStG entsteht nicht, wenn feststeht, dass durch den unberechtigten oder unrichtigen Steuerausweis keine Steuergefährdung eintreten kann. Dies gilt nicht nur für Rechnungen an Privatpersonen, sondern auch an andere Personen ohne Vorsteuerabzugsberechtigung.

 

Sachverhalt

Zwischen der Z AG (Klägerin) und dem Finanzamt ist streitig, ob das Produkt "förmliche Zustellung" (im Folgenden: PZA-Leistungen) als Post-Universaldienstleistung gemäß § 4 Nr. 11b UStG von der Umsatzsteuer befreit ist, sofern es rabattiert oder DV-freigemacht ist. Daneben ist streitig, ob das Finanzamt für steuerfreie PZA-Leistungen, die die Klägerin unter unrichtigem Ausweis von Umsatzsteuer in ihren Rechnungen veräußert hat, Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 1 UStG festsetzen darf. Die Klägerin verfügt über eine Bescheinigung des Bundeszentralamts für Steuern gemäß § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG, wonach sie sich verpflichtet hat, flächendeckend im gesamten Bundesgebiet Post-Universaldienstleistungen anzubieten. Nach einschlägiger EuGH-Rechtsprechung und des daraus resultierenden BMF-Schreibens BMF, Schreiben v. 28.9.2021, Error! Reference source not found., BStBl 2021 I S. 1858, wurden die Umsätze der Klägerin für das Streitjahr 2016 zwar als umsatzsteuerfrei behandelt, gleichzeitig hat das Finanzamt Umsatzsteuer nach 14c Abs. 1 UStG festgesetzt, soweit die Klägerin insoweit Rechnungen mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer erteilt hatte. Außerdem ergebe sich eine Pflicht zur Rechnungskorrektur auch in Bezug auf nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Leistungsempfänger. Insoweit verwies das Finanzamt auf den BFH, Urteil v. 13.12.2018, V R 4/18.

 

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Danach sind die rabattierten und DV-freigemachten PZA-Leistungen der Klägerin als Post-Universaldienstleistungen gemäß § 4 Nr. 11b UStG steuerfrei. Soweit die Klägerin für diese steuerfreien Leistungen Rechnungen mit unrichtigem Steuerausweis erteilt hat, scheidet auch eine Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 1 UStG wegen fehlender Gefährdung des Steueraufkommens aus. Der EuGH hat in seinem Urteil, EuGH, Urteil v. 8.12.2022, C-378/21 (P GmbH), zunächst bestätigt, dass grundsätzlich jede Person, die Umsatzsteuer in einer Rechnung ausweist, diese schuldet, auch wenn es an einem tatsächlichen steuerpflichtigen Umsatz fehlt. Allerdings betonte der EuGH auch, dass Art. 203 MwStSystRL den Zweck habe, der Gefährdung des Steueraufkommens entgegenzuwirken, die sich aus dem Recht des Leistungsempfängers ergibt, aus der ihm überlassenen Rechnung mit Umsatzsteuerausweis den Vorsteuerabzug geltend zu machen. Deshalb ist der EuGH der Auffassung, dass durch den unrichtigen Ausweis der Umsatzsteuer in Rechnungen gegenüber (nicht vorsteuerabzugsberechtigten) Endverbrauchern keine Steuergefährdung vorliegt und deshalb keine Steuerschuld gemäß Art. 203 MwStSystRL (national: § 14c UStG) entsteht. Wenn sich also nach der Rechtsprechung des EuGH wegen mangelnder Gefährdung des Steueraufkommens keine Steuerschuld nach § 14c UStG ergibt, sind insoweit auch keine Korrekturhandlungen betreffend der Rechnungsstellung erforderlich. Der Rechnungsaussteller muss also weder die Rechnung berichtigen noch den zu viel vereinnahmten Steuerbetrag an den Rechnungsempfänger zurückzahlen.

 

Hinweis

Das FG-Urteil beschäftigt sich größtenteils und in aller Ausführlichkeit mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen rabattierte und DV-freigemachte PZA-Leistungen (als sogenannte AGB-Leistungen) nach § 4 Nr. 11b UStG steuerbefreit sind. Diese Frage muss auch im nun anhängigen Revisionsverfahren, Az beim BFH V R 16/23, beantwortet werden. Für die Praxis sind jedoch die Ausführungen zur Nichtanwendbarkeit des § 14c UStG von weitaus größerer Bedeutung. Soweit ersichtlich, beschäftigte sich nämlich nun erstmals ein deutsches Finanzgericht mit der Tragweite des EuGH-Urteils EuGH, Urteil v. 8.12.2022, C-378/21 (P GmbH). Danach ist § 14c Abs. 1 UStG nach Ansicht des Finanzgerichts in richtlinienkonformer Anwendung so auszulegen, dass er gerade nicht zur Anwendung kommt, wenn mangels Vorsteuerabzugsberechtigung des Leistungsempfängers gar keine Gefährdung des Steueraufkommens durch die ausgestellten Rechnungen eingetreten ist. Sofern die Klägerin gegenüber vorsteuerabzugsberechtigten Kunden fälschlicherweise Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis erteilt hat, ist nach Ansicht des Finanzgerichts der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer zu beachten. Dies schließe eine nationale Regelung wie § 14c Abs. 1 UStG aus, die die Berichtigung der Steuerschuld eines nachweislich gutgläubigen Rechnungsausstellers von der Korrektur seiner unrichtigen Rechnungen abhängig macht - das FG verweist auch hierzu auf einschlägige EuGH-Rechtsprechung. Das gelte umso mehr, wenn die Korrektur faktisch nicht möglich ist, weil dem Rechnungsaussteller die Rechnungsadressaten namentlich nicht bekannt sind. Da die Klägerin im Streitfall ihren Kunden im guten Glauben an die Bindungswirkung einer ihr erteilten verbindlichen Ausku...

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